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Mama hilft: Wie Fledermausjungtiere das Singen lernen

Mutter-Jungtier Paar im Tagesquartier.
Mutter-Jungtier Paar im Tagesquartier. Das Jungtier übt die adulten Gesangssilben. (Bildnachweis: Michael Stifter; Lautäußerungsnachweis: Ahana A. Fernandez)

Als Baby sind wir auf unsere Umgebung und soziale Interkationen angewiesen, um sprechen zu lernen. Neueste Forschungsergebnisse zeigen, dass auch bei Fledermausbabys der großen Sackflügelfledermaus Saccopteryx bilineata mütterliches Feedback wichtig ist, um Singen zu lernen. Ein Team von Wissenschaftlerinnen des Museums für Naturkunde Berlin, der Humboldt-Universität zu Berlin und der Freien Universität Berlin hat die vokale Entwicklung und das mütterliche Feedback an wilden Fledermäusen über mehrere Jahre untersucht. Diese Studie, die im Dschungel von Panama und Costa Rica durchgeführt wurde zeigt, welche Rolle soziale Faktoren beim vokalen Lernen von Säugetieren spielen. 

Vokales Lernen ist die Fähigkeit, bestehende Lautäußerungen zu verändern oder gänzlich neue Laute durch Nachahmung eines Vorbilds zu erwerben. Diese Fähigkeit ist eine Form des sozialen Lernens, das auf akustischem Input und – besonders bei sozialen Tieren – häufig auf irgendeiner Art von Feedback beruht. Beim Erwerb der menschlichen Sprache kann soziales Feedback die Sprachentwicklung positiv beeinflussen und die Bindung zwischen Eltern und Kind stärken. Feedback kann sowohl durch Sprechen als auch durch Gesten, Berührungen und Lächeln mit dem babbelnden Kleinkind erfolgen. Obwohl vokales Lernen für uns Menschen so selbstverständlich ist, findet man es bei nicht-menschlichen Säugetieren selten. Daher ist unser Wissen über die zugrunde liegenden Mechanismen und Prozesse dieser Form des Lernens noch gering.

Die Große Sackflügelfledermaus (Saccopteryx bilineata) ist eine kleine insektenfressende Fledermausart, die in den Tieflandregionen Mittel- und Südamerikas lebt. Im Laufe ihrer Entwicklung imitieren Jungtiere erwachsene Männchen, um deren Gesänge zu lernen. Auffällig ist, dass dieser Lernprozess in einem ausgeprägten Übungsverhalten, dem sogenannten „Babbeln“, zum Ausdruck kommt. Eine frühere Studie hat gezeigt, dass das Babbeln von Fledermausjungtieren und menschlichen Kleinkindern durch ähnliche Merkmale geprägt ist. Fledermausjungtiere produzieren im Durchschnitt sieben Wochen lang täglich mehrmals Babbelphasen, die bis zu 43 Minuten andauern können. Erwachsene Männchen bieten zwar den akustischen Input, indem sie täglich bei Sonnenauf- und -untergang singen, interagieren jedoch normalerweise nicht mit den Jungtieren. Die Weibchen hingegen zeigen verschiedene auffällige Verhaltensweisen, welche ausschließlich während des Babbelns ihres Jungtiers auftreten. 

Die Forscherinnen Ahana A. Fernandez, Nora Serve, Sarah-Cecil Fabian und Mirjam Knörnschild dokumentierten die vokale Entwicklung der Jungtiere und untersuchten, ob die während des Babbelns gezeigten Verhaltensweisen der Mutter verschiedene Aspekte des vokalen Lernens beeinflussen. Sie stellten fest, dass das mütterliche Verhalten die Dauer der täglichen Übungseinheiten verlängerte und auch während der gesamten Entwicklungszeit signifikant erhöhte. „Besonders faszinierend ist jedoch, dass das mütterliche Verhalten verschiedene Aspekte der durch Imitation erlernten Gesangssilben beeinflusst“, erklärt Ahana A. Fernandez. „Wir haben herausgefunden, dass sowohl die Menge der Gesangssilben als auch die Anzahl der unterschiedlichen Silbentypen durch das mütterliche Verhalten positiv beeinflusst werden“, berichtet sie. Darüber hinaus produzieren Jungtiere, deren Mütter während des Babbelns besonders häufig mit ihnen interagieren, mehr ausgereifte Gesangssilben. „Das ist faszinierend, denn bei menschlichen Kleinkindern sehen wir ebenfalls den positiven Effekt von sozialem Feedback auf die sprachliche Ausreifung von Babbel-Silben, so dass sie sich immer stärker an erwachsene Sprachmuster annähern“, erklärt Mirjam Knörnschild. „Und diese Parallelen bei einem anderen vokal lernenden Säugetier zu sehen, ist besonders spannend.“

Diese Studie zeigt, dass soziale Faktoren eine entscheidende Rolle bei Prozessen wie der vokalen Entwicklung spielen – nicht nur beim Menschen, sondern auch bei anderen vokal lernenden Säugetieren. Sie stellt einen wichtigen Schritt dar, um die Auswirkungen von sozialem Feedback auf das vokale Lernen zu untersuchen und unterstreicht die Bedeutung von Studien in der freien Natur, die das gesamte soziale Umfeld miteinbeziehen.

Museum für Naturkunde Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung


Originalpublikation:

Ahana Aurora Fernandez, Nora Serve, Sarah-Cecil Fabian, Mirjam Knörnschild: Maternal behavior influences vocal practice and learning processes in the greater sac-winged bat, eLife13:RP99474. doi.org/10.7554/eLife.99474.3