VBIO News http://example.com VBIO News de Copyright Fri, 20 Jun 2025 16:56:49 +0200 Fri, 20 Jun 2025 16:56:49 +0200 TYPO3 news-32871 Fri, 20 Jun 2025 16:20:40 +0200 Woher verschiedene Baumarten ihr Wasser beziehen https://www.vbio.de/aktuelles/details/woher-verschiedene-baumarten-ihr-wasser-beziehen Durch den Klimawandel kämpfen Wälder zunehmend mit längeren Trockenphasen. Gerade obere Bodenschichten trocknen schneller aus als die tieferen. Um herauszufinden, welche Baumarten unter diesen Bedingungen auch in Zukunft angepflanzt und gefördert werden sollten, haben Forschende der Universität Göttingen die Wasseraufnahmetiefe von Fichte und Rotbuche und der nicht-heimischen Baumart Douglasie untersucht. Dabei stellten sie Unterschiede zwischen den Baumarten fest: Buche und Douglasie hatten Zugang zu Wasser aus tieferen Bodenschichten, anders als die Fichte. Auch ob es sich um einen Rein- oder Mischbestand handelt, macht einen Unterschied: Die Buche nahm in Mischung mit den beiden Nadelbäumen mehr Wasser aus tieferen Bodenschichten auf als im Reinbestand. Die Ergebnisse wurden nun in der Fachzeitschrift Plant Biology veröffentlicht.

Um die Aufnahme des Wassers aus dem Boden in die Wasserleitbahnen der Bäume zu verfolgen, analysierte das Forschungsteam unterschiedlich schwere Wassermoleküle – sogenannte stabile Isotope. Diese kommen von Natur aus vor, können aber auch künstlich hinzugefügt werden und ermöglichen es, verschiedene Wasserquellen voneinander zu unterscheiden. Die Studie nutzte diese Ansätze, um Baumarten am selben Standort miteinander zu vergleichen und gezielt die Aufnahme von tiefer gelegenem Wasser zu untersuchen. Messungen an vier verschiedenen Standorten in Niedersachsen zeigten, dass neben der Baumart und Baumartenmischung auch die Bodenbedingungen einen Einfluss auf die Wasseraufnahme der Bäume haben.

Die Ergebnisse erklären, warum die Fichte bei ausbleibendem Regen eher unter Stress gerät als die Buche und die Douglasie: Sie ist auf Wasser im Oberboden angewiesen. Fichtenbestände einfach durch Douglasien zu ersetzen, ist laut dem Forscherteam aber keine Option. „Die neuen Erkenntnisse aus den Mischbeständen sind spannend und vielversprechend“, sagt Erstautorin Christina Hackmann. „Wir sehen, dass die Buche auf ihre Nachbarn reagiert. Sie könnte durch die tiefere Wasseraufnahme im Mischbestand Vorteile haben.“ Dies gilt aber nicht für alle beteiligten Baumarten. „Die Wasseraufnahme der Fichte scheint durch die Mischung mit Buche noch mehr an die Bodenoberfläche gedrängt zu werden“, so Hackmann. „Buche und Douglasie sind eine bessere Kombination. Sollte es aber insgesamt zu trocken werden, werden alle Baumarten Probleme bekommen.“

Die Studie wurde im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Graduiertenkollegs 2300 „EnriCo“ durchgeführt.

(Georg-August-Universität Göttingen)


Originalpublikation:
Hackmann CA, Paligi SS, Mund M, Hölscher D, Leuschner C, Pietig K, Ammer C (2025): 
Root water uptake depth in temperate forest trees: species-specific patterns shaped by neighborhood and environment. 
Plant Biology. DOI: http://10.1111/plb.70058

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Wissenschaft Niedersachsen
news-32870 Fri, 20 Jun 2025 16:01:48 +0200 Insektenspezifisches „immune priming“ wirkt sich auf die Evolution von pathogenen Bakterien aus https://www.vbio.de/aktuelles/details/insektenspezifisches-immune-priming-wirkt-sich-auf-die-evolution-von-pathogenen-bakterien-aus Ein Forschungsteam der Universität Münster hat erstmals untersucht, wie sich die Konfrontation von Bakterien mit Wirten, die ein aktiviertes angeborenes Immunsystem haben, auf die Evolution der bakteriellen Virulenz auswirkt.  Der Mensch besitzt wie alle Wirbeltiere zwei Arten von Immungedächtnis: Das Gedächtnis des erworbenen (adaptiven) Immunsystems ist hochspezifisch gegen bestimmte Erreger und langanhaltend, was zum Beispiel Impfungen ermöglicht. Außerdem gibt es im angeborenen Immunsystem die „trainierte Immunität“, die schnell, aber weniger spezifisch reagiert. Wirbellose Tiere wie Insekten haben nur das angeborene Immunsystem, aber auch bei ihnen existiert eine Form der Immunisierung durch Kontakt mit Krankheitserregern („immune priming“). Bislang gab es keine Studie dazu, wie sich die Konfrontation von Pathogenen mit Wirten, die ein derart aktiviertes angeborenes Immunsystem haben, auf die Evolution der „Gefährlichkeit“ (Virulenz) der Krankheitserreger auswirkt. Ein Forschungsteam der Universität Münster um den Evolutionsbiologen Prof. Dr. Joachim Kurtz hat dies nun erstmals durch experimentelle Evolution eines Insekten-Pathogens (Bacillus thuringiensis tenebrionis) in Mehlkäfern untersucht. Ein Ergebnis: Die Virulenz unterschied sich nach einiger Zeit der Evolution zwischen den verschiedenen Bakterien-Linien deutlich. Diese größere Vielfalt könnte die Anpassung der Pathogene an ihre Wirte beschleunigen.

Die Virulenz war in der Studie ein Maß dafür, wie viele der Käfer durch die Infektion mit den Bakterien getötet wurden. Im Mittel veränderte sie sich nicht. Dass die Varianz bei den Bakterien über die Generationen deutlich größer wurde, wenn die Käfer jeweils zuvor Kontakt mit Bakterien-Substanzen gehabt hatten, könnte mit einer stärkeren Aktivität in bestimmten Bestandteilen des evolvierten Bakteriengenoms (Prophagen und Plasmide) zusammenhängen.

„Es ist nicht nur von grundsätzlichem Interesse, unter welchen Bedingungen sich die Virulenz von Bakterien evolutiv verändert. Unsere Erkenntnisse sind zum Beispiel aus medizinischer Sicht interessant, wenn man vermeiden will, dass Krankheitserreger durch evolutionäre Prozesse gefährlicher werden“, unterstreicht Erstautorin Dr. Ana Korša. Auch bei Wirbellosen spiele das ‚immune priming‘ in der Praxis eine Rolle, zum Beispiel in der Aquakultur, wo wirbellose Tiere wie Garnelen in großer Zahl gezüchtet würden und krankheitsanfällig seien. „Darüber hinaus werden das von uns untersuchte Bakterium sowie die von ihm produzierten Giftstoffe seit Langem zur Bekämpfung von Insekten eingesetzt. Es wäre wichtig zu wissen, ob das Immungedächtnis dieser Wirte die Virulenz des Bakteriums evolutiv verändern kann.“

Für die experimentelle Evolution der Bakterien wurden die Mehlkäfer teils mit Bakterien-Substanzen konfrontiert („immune priming“), teils nicht (Kontrolle). Anschließend wurden sie mit den Bakterien infiziert. Damit die Bakterien sich evolutiv verändern können, wurden sie jeweils aus den gestorbenen Käfern isoliert und erneut zur Infektion eingesetzt. Der Zyklus wurde mehrfach wiederholt. Anschließend maßen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Virulenz sowie weitere Eigenschaften der evolvierten Bakterien und untersuchten sie genetisch. Neben den Evolutionsbiologinnen und -biologen war das Team von Prof. Alexander Mellmann vom Institut für Hygiene der medizinischen Fakultät beteiligt.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) förderte die Arbeit finanziell im Rahmen des Graduiertenkollegs EvoPAD sowie anteilig durch den Transregio-Sonderforschungsbereich SFB-TRR 212 der Universitäten Münster und Bielefeld.

(Universität Münster)


Originalpublikation:
Korša A., Baur M., Schulz N. K. E., Anaya-Rojas J. M., Mellmann A., Kurtz J. (2025): 
Experimental evolution of a pathogen confronted with innate immune memory increases variation in virulence. PLOS Pathogens; DOI: 
https://doi.org/10.1371/journal.ppat.1012839

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Wissenschaft Nordrhein-Westfalen
news-32869 Fri, 20 Jun 2025 15:45:08 +0200 Die Schönheit von Fischgemeinschaften in Riffen der Welt schützen https://www.vbio.de/aktuelles/details/die-schoenheit-von-fischgemeinschaften-in-riffen-der-welt-schuetzen Ein internationales Forschungsteam unter Leitung der University of North Carolina Wilmington (UNCW) und mit Beteiligung des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenforschung (ZMT) hat weltweit Riffe untersucht, um herauszufinden, wo die für das menschliche Auge schönsten Fischgemeinschaften zu finden sind und was diese Muster erklärt – ein wichtiges Thema, da die Schönheit der Fische ein nicht-materieller Beitrag von Riffen zum menschlichen Wohlergehen ist, der sich direkt auf die Bereitschaft von Menschen auswirkt, diese empfindlichen Ökosysteme zu erhalten. Die Ergebnisse der Studie wurden im renommierten Fachjournal Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlicht.  Die Schönheit der Natur beeinflusst unsere emotionale Verbundenheit mit Ökosystemen und unsere Bereitschaft, sie zu schützen. Dies gilt insbesondere für Riffe, die zu den farbenprächtigsten und lebendigsten Lebensräumen der Welt zählen. Ihre Schönheit zieht jedes Jahr Millionen von Menschen an und birgt großen wirtschaftlichen Nutzen, vor allem in tropischen Ländern des Globalen Südens.

Angesichts der starken Gefährdung und des rapiden Rückgangs dieser einzigartigen Ökosysteme ist ihr Schutz von entscheidender Bedeutung. Die Ergebnisse der neuen Studie zeigen, dass Riffschutz nicht nur die Fischerei und den Tourismus unterstützt, sondern auch das menschliche Wohlergehen.

Erstautoren Matthew McLean (UNCW) und Nicolas Mouquet (Centre National de la Recherche Scientifique - CNRS) sowie Co-Autorin Sonia Bejarano (ZMT) analysierten die wahrgenommene Schönheit von mehr als 3.500 Rifffischgruppen weltweit. Das Team kombinierte Daten aus einem globalen Riffüberwachungsprogramm mit Ergebnissen aus öffentlichen Umfragen, in denen die Ästhetik von Fischarten in Riffen bewertet wurde.

Sie fanden heraus, dass Rifffische in sehr artenreichen tropischen Meeresschutzgebieten als besonders schön wahrgenommen wurden und dies durch die Erhaltung von Riffen in einem korallendominierten Zustand noch gesteigert werden kann. Der Studie zufolge hängt diese Schönheit nicht nur stark mit der Anzahl der Arten zusammen, sondern auch mit dem Vorhandensein besonders farbenprächtiger oder einzigartig geformter Fische.

„Riffe spielen eine wichtige ökologische Rolle, verbinden Menschen mit der Natur und unterstützen den lokalen Tourismus, daher sollte die Erhaltung ihrer Schönheit ein zentrales Ziel des Naturschutzes sein“, so Matthew McLean.

„Meeresschutzgebiete tragen dazu bei, diese Verbindung zu bewahren und gleichzeitig einen nachhaltigen Tourismus zu fördern, der in vielen Ländern des Globalen Südens für die lokale Wirtschaft unerlässlich ist“, ergänzt Sonia Bejarano vom ZMT.

Derzeit sind weniger als 7 % der Riffe wirksam geschützt. Die Studienergebnisse zeigen, dass größere Schutzbemühungen nötig sind, um den materiellen und immateriellen Beitrag von Riffen zum Leben und Wohlergehen der Menschen zu erhalten.

(Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT))


Originalpublikation:
M. McLean, D. Mouillot, J. Langlois, S. Arif, S. Bejarano, N. Casajus, G.J. Edgar, U. Flandrin, F. Guilhaumon, A.B. Judah, N. Loiseau, M.A. MacNeil, E. Maire, R.D. Stuart-Smith, & N. Mouquet (2025) 
Conserving the beauty of the world’s reef fish assemblages
Proc. Natl. Acad. Sci. U.S.A. 122 (25) e2415931122, DOI: 10.1073/pnas.2415931122

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Wissenschaft Bremen
news-32868 Fri, 20 Jun 2025 15:42:03 +0200 Wissen auf die Ohren https://www.vbio.de/aktuelles/details/wissen-auf-die-ohren Im Gläsernen Labor Berlin-Buch  ist ein neuer Podcast entstanden. In den ersten drei Folgen von „scienceCLASH“ haben Schüler*innen aus Berlin Sarah Kedziora und Theda Bartolomaeus vom ECRC zum Thema Mikrobiom und Herzgesundheit befragt. Ziel des Projekts ist es, junge Menschen für die Forschung zu begeistern.  Was passiert, wenn Schüler*innen auf echte Forschende treffen und ihnen genau die Fragen stellen, die ganz viele – und nicht nur junge – Menschen beschäftigen? Die Antwort liefert „scienceCLASH“, ein neuer Podcast, der im Gläsernen Labor auf dem Campus Berlin-Buch entstanden ist.

Das Gläserne Labor ist das gemeinsame Schüler*innenlabor von Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (Max Delbrück Center), Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie (FMP) und Campus Berlin-Buch GmbH. Die Idee zum Podcast hatte Dr. Joanna Ziomkowska, die einst selbst Wissenschaftlerin war und heute in Berlin als Lehrerin arbeitet. Zu hören ist das Ergebnis überall da, wo es Podcasts gibt, und demnächst sogar im Radio.

In den ersten drei Folgen von „scienceCLASH“ dreht sich alles um das Mikrobiom und um die spannende Frage, wie die winzigen Mitbewohner im Darm sogar die Gesundheit des Herzens beeinflussen. Helene, Til und Mijo, Schüler*innen im Biologie-Leistungskurs am Käthe-Kollwitz-Gymnasium in Berlin, unterhalten sich darüber mit Dr. Sarah Kedziora und Dr. Theda Bartolomaeus.

Kedziora ist Molekularbiologin, Bartolomaeus Bioinformatikerin. Beide forschen in der Arbeitsgruppe „Hypertonie bedingte Endorganschäden“ von Professor Dominik Müller und Professor Ralf Dechend am Experimental and Clinical Research Center (ECRC), einer gemeinsamen Einrichtung von Charité – Universitätsmedizin Berlin und Max Delbrück Center. Wissenschaftlich begleitet wurde das Projekt von Dr. Florian Herse aus dem gleichen Team.  

Bakteriensuche im Stuhl 
„Geplant ist, dass jede Staffel des Podcasts aus drei Folgen besteht“, erklärt Ziomkowska, die „scienceCLASH“ koordiniert, produziert und auch die Gespräche zwischen den Schüler*innen und Forscherinnen moderiert hat. „In der ersten Folge gibt es einen Einstieg in das Thema, in der zweiten einen Einblick in die Forschung und in der dritten einen Faktencheck zum Alltagswissen.“

Für den Einblick in die Forschung konnten sich Helene, Til und Mijo zunächst für ein paar Stunden wie echte Proband*innen einer klinischen Studie fühlen. Studienschwester Heike Schenck prüfte mit den unterschiedlichsten Methoden die Gesundheit ihres Herzens. Im Anschluss hatte Sarah Kedziora ein Experiment aus ihrer Forschung mitgebracht: Mithilfe der qPCR prüften die Schüler*innen im Gläsernen Labor, welche Bakterienarten in Stuhlproben, aus denen sie isolierte DNA erhalten hatten, vorhanden waren.

Ein Podcast für alle
Ein bisschen eklig, aber doch faszinierend: „Alle drei waren mit Begeisterung dabei und auch mir hat das gesamte Projekt wirklich sehr viel Spaß gemacht“, sagt Kedziora. „Ich kann daher allen Kolleg*innen nur empfehlen, sich für eine der nächsten Staffeln mit ihrer eigenen Forschung anzubieten.“ Denn weitergehen soll das Projekt auf jeden Fall. „Bisher ist die Resonanz richtig gut“, sagt Ziomkowska. „Viele Menschen, auch Erwachsene, haben den Podcast gehört und mir gesagt, dass sie danach das Gefühl gehabt hätten, Wissenschaft endlich mal richtig verstanden zu haben.“ 

Für die kommende Staffel schwebt Ziomkowska das Thema KI und Neurobiologie vor. Ungeklärt ist bislang die weitere Finanzierung des Projekts. Unterstützer der ersten Staffel war der Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland (VBIO). „Ich bin derzeit auf der Suche nach neuen Fördermitteln und habe mich auch deshalb mit scienceCLASH unter anderem bei dem Wettbewerb Fast Forward Science beworben“, sagt Ziomkowska. Die Siegerbeiträge werden im Laufe des Sommers bekanntgegeben. 


Weitere Informationen: 
https://paths.to/scienceCLASH 

 

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Schule Ausbildung Berlin Brandenburg
news-32865 Fri, 20 Jun 2025 08:55:26 +0200 Umweltstress im Anthropozän: Wie sich die neuen Extreme auf Prozesse von Zellen und Organismen auswirken https://www.vbio.de/aktuelles/details/umweltstress-im-anthropozaen-wie-sich-die-neuen-extreme-auf-prozesse-von-zellen-und-organismen-auswirken Viele Arten sind die Anpassung an extreme Umweltbedingungen gewohnt. Die rasanten, menschgemachten Änderungen im Anthropozän stellen Tiere und damit auch die Menschen aber nun vor ganz neue Herausforderungen. Davon sind auch Prozesse auf Zellebene bis hin zum gesamten Organismus betroffen, wie eine aktuelle europäische, von der Veterinärmedizinischen Universität Wien geleitete, Studie zeigt. Die Autor/-innen identifizieren sieben Hauptfaktoren und plädieren für einen ganzheitlichen Zugang im Sinne des One-Health-Konzepts von Mensch und Tier.  Die herkömmliche physiologische Forschung konzentriert sich auf die Erforschung der endogenen Mechanismen, die den Anpassungen der Arten an das Leben in extremen Lebensräumen wie Polargebieten oder Wüsten zugrunde liegen. Die Forscher:innen argumentieren nun in ihrer aktuellen Studie, dass heutzutage aber selbst Lebensräume, die nicht als extrem gelten, unvorhersehbaren, schnellen und starken (Klima-)Veränderungen durch menschliche Aktivitäten (und auch unabhängig davon) ausgesetzt sind – was alle Tiere und damit auch den Menschen mit neuartigen extremen Bedingungen konfrontiert.

Vielfältige Umwelteinflüsse stellen das Bio-Exposom unter Druck
Die physiologische Forschung an betroffenen Tieren kann laut den Wissenschafter:innen Aufschluss darüber geben, welchen Effekt deren physiologische Plastizität auf ihre Resilienz und Anpassungsfähigkeit hat. Zu diesem Zweck untersuchte das Forschungsteam aus Österreich, Belgien und Italien bereits veröffentlichte Forschungsarbeiten. „Wir interessierten uns dabei insbesondere für die Stressphysiologie mit dem Schwerpunkt auf oxidativem Stress und damit verbundenen hormonellen Stressreaktionen. Diese durch Stressoren aus der Umgebung hervorgerufenen Reaktionen spielen eine zentrale Rolle bei der Interaktion zwischen dem Exposom, also dem Maß für alle Umwelteinflüsse, denen ein Individuum im Laufe seines Lebens ausgesetzt ist, und dem Bio-Exposom, also zellulären Prozessen im Zusammenhang mit relevanten extremen anthropogenen Veränderungen der Lebensraumbedingungen“, berichtet Valeria Marasco vom Institut für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI) der Vetmeduni.

Sieben Hauptfaktoren für oxidativen Stress und dessen negative Wirkung auf das Bio-Exposom
Als verantwortliche Einflussfaktoren sehen die Forscher:innen immer stärkere und sich gleichzeitig beschleunigende Veränderungen in den sieben Bereichen Hitzewellen, Wassermangel, Lichtverschmutzung, Lärm, Landnutzung, chemische Verunreinigung und verminderte Nahrungsmittelqualität. Um dem daraus resultierenden oxidativen Stress, der durch Umweltbelastungen und erhöhte Glukokortikoidhormone entsteht, entgegenzuwirken, werden enzymatische und nicht-enzymatische Antioxidantien angekurbelt, was wiederum die phänotypische Plastizität, physiologische Veränderungen und die Anpassungsfähigkeit beeinflusst. Wie neuere Forschungen zeigen, kann dies jedoch zu einer erhöhten Konzentration gefährlicher reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) im Organismus führen, was schädliche Folgen haben kann: Beispielsweise der Rückgang von Populationen und Arten durch verringerte darwinistische Fitness, erhöhte Morbidität und schließlich den Tod.

Ganzheitliches One-Health-Verständnis nötig: Globale Veränderungen betreffen Mensch und Tier
Die Erforschung der Beziehung zwischen oxidativem Stress und dem Bio-Exposom kann laut den Forscher:innen auch für die Gesundheit der Bevölkerung relevant sein, denn „auch der Mensch ist eine Tierart“, betont Marasco. Deshalb schlagen die Wissenschafter:innen vor, das Bio-Exposom und den One-Health-Rahmen in künftige Forschungsarbeiten zu integrieren. Dazu Marasco weiter: „Dies würde ein ganzheitliches, integratives Verständnis der Mechanismen ermöglichen, die den individuellen Reaktionen auf extreme Veränderungen auf der Erde zugrunde liegen.“

(Veterinärmedizinische Universität Wien)


Originalpublikation:
Der Artikel „Life at new extremes: Integrating stress physiology and the bio-exposome in the Anthropocene“ von David Costantini, Simone Messina, Manrico Sebastiano und Valeria Marasco wurde in „Annals of the New York Academy of Sciences“ veröffentlicht. https://nyaspubs.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/nyas.15355

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Wissenschaft International
news-32864 Fri, 20 Jun 2025 08:51:50 +0200 Vögel mögen es sauer https://www.vbio.de/aktuelles/details/voegel-moegen-es-sauer Säugetiere meiden Saures, viele Vögel hingegen fressen gerne saure Früchte. Eine neue Studie zeigt, dass die Säurerezeptoren der Vögel unterdrückt werden, wenn sie stark Saures fressen. Dies hemmt die Übertragung von Säure-Signalen und erhöht somit die Toleranz. Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass die molekulare Evolution der Säurerezeptoren bei Vögeln eine Schlüsselrolle in ihrer Evolutionsgeschichte und Diversifizierung spielte. Interessanterweise verlief diese Entwicklung bei Singvögeln parallel zur Evolution der Süßwahrnehmung, was auf eine Koevolution von saurem und süßem Geschmacksinn hindeutet.  Vögel sind besonders vielfältige Landwirbeltiere. Ein Schlüsselfaktor in ihrer Evolutionsgeschichte ist ihre flexible Anpassungsfähigkeit an Nahrung und die Erschließung neuer Futterquellen. Vor allem Früchte sind für die meisten Vogelarten eine wichtige Energiequelle, insbesondere während des Vogelzugs oder in Zeiten von Nahrungsknappheit.

In einer neuen Studie haben Forschende aus Maude Baldwins Abteilung des Max-Planck-Instituts für biologische Intelligenz in Kollaboration mit dem Kunming Institute of Zoology der Chinesischen Akademie der Wissenschaften herausgefunden, dass Vögel durch evolutionäre Veränderungen eine starke Toleranz gegenüber saurer Nahrung entwickelt haben. Diese Fähigkeit, extrem Saures zu fressen, hat ihnen geholfen, vielseitige ökologische Nische zu erschließen. Die Studie liefert damit spannende neue Erkenntnisse über die Evolution tierischer Sinne und ökologischer Anpassungen.

Säugetiere meiden säurehaltige Nahrungsquellen. Viele Vogelarten hingegen können sich problemlos von sauren Früchten ernähren. Das Forschungsteam identifizierte einen Schlüsselfaktor für diese Toleranz: Der Rezeptor für sauren Geschmack, Otopetrin 1 (OTOP1), wird bei einigen Vogelarten in stark säurehaltiger Umgebung unterdrückt. Dadurch wird die Übertragung von Säure-Signalen reduziert. Die Vögel nehmen Säure so schwächer wahr und tolerieren sie besser.

Mithilfe von Genom-Editierung fügten die Forschenden das OTOP1-Gen eines Kanarienvogels in Mäuse ein. Diese genveränderten Mäuse zeigten eine signifikante Verringerung neuronaler Reaktionen auf saure Reize. Bei verschiedenen Vogelarten zeigte sich: Wenn ihr OTOP1-Rezeptor beim Fressen saurer Früchte nicht abgeschaltet wird, ist auch ihre Säuretoleranz deutlich geringer. Dies bestätigt die Schlüsselfunktion des Rezeptors für die Wahrnehmung und Toleranz von Säure. Weitere Analysen konnten vier spezifische Aminosäurestellen identifizieren, die zu den säureunterdrückenden Eigenschaften des OTOP1-Rezeptors beitragen (H239, L306, H314 und G378). Nur Singvögel haben die Mutation an der letzten Stelle G378, was ihnen eine noch höhere Säuretoleranz ermöglicht.

Einblicke in die Evolution der Geschmacksrezeptoren
Durch die Rekonstruktion der Geschmacksrezeptoren von Vorfahren an verschiedenen Stellen des Singvogel-Stammbaums fanden die Forschenden außerdem heraus: Die Evolution der erhöhten Säuretoleranz bei Singvögeln verlief parallel zur Entwicklung der Fähigkeit, Süßes zu schmecken. Das deutet auf eine mögliche Koevolution von saurem und süßem Geschmackssinn hin. Dieses Zusammenspiel ermöglichte es den Vögeln, ihre Nahrungspräferenzen zu erweitern und nicht nur sehr saure Früchte zu fressen, sondern auch zuckerhaltige Ressourcen wie Nektar. Dies könnte die Entwicklung der Singvögel beeinflusst haben, einer Vogelgruppe, die fast die Hälfte aller heute lebenden Vogelarten ausmacht.

Zusammenfassend legt diese neue Studie nahe, dass die funktionelle Entwicklung des Säure-Rezeptors maßgeblich die Evolutionsgeschichte der Vögel prägte und liefert damit neue Einblicke in die molekularen Mechanismen, mit denen Tiere ihre sensorische Wahrnehmung an die Umwelt anpassen.

(Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz: Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Kunming Institute of Zoology der Chinesischen Akademie der Wissenschaften)


Originalpublikation:
Molecular evolution of sour tolerance in birds
Hao Zhang †, Lei Luo†, Qiaoyi Liang †, Lifeng Tian †, Yong Shao †, Xiuping Zhang, Kaixun Cao, Anna Luo, Chengsan Wang, Peter Muiruri Kamau, Dong-Dong Wu, Maude W. Baldwin, Ren Lai 
† Diese Autoren haben zu gleichen Teilen zur Studie beigetragen. 
Science, online June 19, 2025
https://www.science.org/doi/10.1126/science.adr7946

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Wissenschaft International
news-32863 Fri, 20 Jun 2025 08:48:04 +0200 Neue Akteure des Immunsystems entdeckt https://www.vbio.de/aktuelles/details/neue-akteure-des-immunsystems-entdeckt Auf dem Weg zu besseren Therapien: Forschende haben erstmals eine direkte Verbindung zwischen Zentromeren und Immunität hergestellt.  Manche Krebs- und chronisch-entzündliche Erkrankungen werden mit Immuntherapien behandelt. Dabei wird das Immunsystem des Betroffenen stimuliert, damit es Tumorzellen erkennt und zerstört. Um solche Therapien zu verbessern, suchen Forschende nach Mechanismen, die an der Auslösung einer Immunantwort beteiligt sind. Darauf aufbauend können weitere hilfreiche Moleküle entwickelt werden. Nun haben Forschende einen solchen Mechanismen an einem unerwarteten Ort entdeckt: Sie haben herausgefunden, dass die sogenannten Zentromere – das sind die Bereiche der Chromosomen, die vor allem für die Zellteilung wichtig sind – und das Immunsystem direkt verbunden sind. Die Forschungsergebnisse veröffentlichte die renommierte Fachzeitschrift „Cell“. 

Die Arbeit ist durch den Einsatz von Virusmutanten möglich geworden, die das Team von Prof. Dr. Lars Dölken, Direktor des Instituts für Virologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), für ihren Einsatz in der Forschung hergestellt hatte. Bei den Viren handelt es sich um Herpes-Simplex-Viren Typ 1 (HSV-1), die Lippenbläschen verursachen. Die Studie wurde am Institut Curie, Paris, Frankreich, von Professor Nicolas Manel (INSERM) und Dr. Xavier Lahaye (CNRS) in Zusammenarbeit mit dem Team von Professor Daniele Fachinetti (CNRS) durchgeführt.

Viren sind wertvolle Werkzeuge für die Forschung. Sie können Zellen infizieren, deren Funktionen kapern und starke Immunreaktionen auszulösen. Herpesviren sind besonders interessant, weil sie sogar in den Kern der Zelle eindringen können. „Das Forschungsteam um Professor Manel hat herausgefunden, dass die in den Zellkern eingedrungenen Viren die Stabilität der Zentromere stören, was zu einer selektiven DNA-Replikation dieser Chromosomen-Regionen führt. Diese ungewöhnliche DNA-Vermehrung wird von der Zelle erkannt und triggert eine Aktivierung des zelleigenen Immunsystems und somit eine systemische antivirale Reaktion“, beschreibt Professor Dölken, der auch Forscher im Exzellenzcluster RESIST ist. „Die Hoffnung ist nun, dass die Identifizierung und Entschlüsselung der zugrunde liegenden Mechanismen zur Entwicklung neuer Immuntherapien gegen Viren oder Krebs führt.“

(Medizinische Hochschule Hannover)



Die Originalarbeit „Centromeric DNA amplification triggered by viral proteins activates nuclear cGAS” finden Sie unter: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0092867425005562?via%3Dihub

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Wissenschaft Niedersachsen
news-32862 Thu, 19 Jun 2025 11:26:08 +0200 Die saisonale Herausforderung der Krankheitsprävention https://www.vbio.de/aktuelles/details/die-saisonale-herausforderung-der-krankheitspraevention Neue Forschung zeigt, wie saisonale Erkrankungen unsere Bereitschaft, Gesundheitsmaßnahmen einzuhalten, beeinflussen• Wenn das Infektionsgeschehen zurückgeht, sind Menschen weniger geneigt, Schutzmaßnahmen einzuhalten, was zu saisonalen Krankheitswellen führt.• Ein neues Modell zeigt, wie sich Verhalten und Krankheitsausbreitung im Jahresverlauf gegenseitig beeinflussen und wiederkehrende Ausbruchsmuster erzeugen.• Das Verständnis dieser Dynamiken kann dabei helfen, bessere Strategien im öffentlichen Gesundheitswesen zu entwickeln, um die Auswirkungen saisonaler Erkrankungen wie Grippe und COVID-19 zu verringern.  Wie saisonale Veränderungen die Compliance beeinflussen
Viele Atemwegserkrankungen, wie Grippe und COVID-19, folgen einem saisonalen Muster: Infektionen steigen in kälteren Monaten und sinken in wärmeren. Aber wie verhält es sich mit dem menschlichen Verhalten? Ein Forscherteam des Max-Planck-Instituts für Evolutionsbiologie hat gemeinsam mit Kooperationspartnern aus Brasilien und den USA untersucht, wie sich die Bereitschaft der Menschen, Gesundheitsmaßnahmen einzuhalten – wie das Tragen von Masken oder die Reduzierung persönlicher Kontakte – ebenfalls mit den Jahreszeiten ändert.

Mit einem mathematischen Modell, das Krankheitsausbreitung und menschliche Entscheidungsprozesse kombiniert, stellten die Forschenden fest, dass bei hohen Infektionszahlen mehr Menschen Schutzmaßnahmen ergreifen. Sinkt jedoch die Fallzahl, hören viele auf, Vorsichtsmaßnahmen zu treffen – obwohl das Risiko nicht vollständig verschwunden ist. Diese Entscheidung kann zu sozialen Dilemmata führen, wenn das individuelle Eigeninteresse (z. B. das Ablegen von Masken) mit dem kollektiven Wohl (z. B. der Bekämpfung der Krankheit) in Konflikt steht. Dieses Verhalten schafft die Voraussetzungen für neue Infektionswellen, wenn sich das Virus im Winter wieder leichter ausbreitet.

Ihre Ergebnisse legen nahe, dass die Einhaltung von Gesundheitsmaßnahmen nicht statisch ist, sondern einem saisonalen Zyklus folgt – ähnlich wie die Erkrankungen selbst. Sie unterstreichen das komplexe Zusammenspiel zwischen persönlichen Entscheidungen und gesundheitlichen Gesamtergebnissen. Dieses Zusammenspiel erzeugt ein wiederkehrendes soziales Dilemma: Während kollektives Handeln (z. B. flächendeckendes Maskentragen) größere Ausbrüche hätte verhindern können, führt die individuelle Motivation häufig dazu, dass die Kooperation nachlässt, sobald die unmittelbare Gefahr scheinbar gebannt ist.

Durch das Verständnis dieser Muster könnten Gesundheitspolitiken und Interventionen besser darauf abgestimmt werden, eine dauerhafte Kooperation zu fördern und so die Belastung durch saisonale Erkrankungen zu verringern.

(Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie)


Originalpublikation:
Flores, L.S., Azevedo-Lopes, A.d., Saad-Roy, C.M. et al. 
Seasonal social dilemmas. npj Complex 2, 17 (2025). 
https://doi.org/10.1038/s44260-025-00035-1

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Wissenschaft Schleswig-Holstein
news-32861 Thu, 19 Jun 2025 10:10:58 +0200 Pandoras Mikroben – Der Kampf um Eisen in der Lunge https://www.vbio.de/aktuelles/details/pandoras-mikroben-der-kampf-um-eisen-in-der-lunge Ein interdisziplinäres Forschungsteam unter der Leitung des Leibniz-HKI in Jena hat bei pathogenen Bakterien der Gattung Pandoraea eine neue Gruppe bioaktiver Naturstoffe entdeckt: Pandorabactine. Sie ermöglichen es den Bakterien, anderen Mikroorganismen lebenswichtiges Eisen zu entziehen und können damit Einfluss auf das mikrobielle Gleichgewicht in der menschlichen Lunge nehmen. Die Ergebnisse der Studie wurden im Fachjournal Angewandte Chemie International Edition veröffentlicht. Bakterien der Gattung Pandoraea sind bislang nur wenig erforscht. Ihr Name erinnert an die Büchse der Pandora aus der griechischen Mythologie, die ein Symbol für unkontrollierbare Gefahren ist. „Wir haben uns hier mit einem antibiotikaresistenten Bakterium beschäftigt“, sagt Elena Herzog. Sie ist Erstautorin der Publikation und arbeitet als Doktorandin im Team von Christian Hertweck, dem Leiter der Studie am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie (Leibniz-HKI). Wie so vieles in der Natur besitzen jedoch auch diese krankmachenden Bakterien nicht nur negative Eigenschaften. „Pandoraea-Bakterien bergen nicht nur Risiken in sich. Sie produzieren auch Naturstoffe mit einer antibakteriellen Wirkung.“
Trotz des hohen gesundheitlichen Risikos, das von Pandoraea ausgeht, waren die molekularen Eigenschaften dieser Bakterien bisher kaum bekannt. „Man wusste nur, dass sie in der Natur vorkommen und pathogen sein können, weil sie im Lungenmikrobiom von Patient*innen mit Mukoviszidose oder Sepsis gefunden wurden“, erläutert Herzog.

Der Wettlauf um Eisen
Wie für die meisten Lebewesen ist Eisen auch für Bakterien essenziell. „Eisen spielt zum Beispiel in Enzymen und der Atmungskette von Lebewesen eine zentrale Rolle“, erklärt Herzog. Insbesondere in eisenarmen Umgebungen wie dem menschlichen Körper sind die Bedingungen für eine ausreichende Aufnahme des Elements alles andere als ideal. Viele Mikroorganismen produzieren deshalb sogenannte Siderophore: kleine Moleküle, die Eisen aus der Umgebung binden und in die Zelle transportieren.
„Bei den Pandoraea-Bakterien waren allerdings keine Virulenz- oder Nischenfaktoren bekannt, die ihnen helfen könnten, zu überleben“, so Herzog. Das Forschungsteam wollte deshalb herausfinden, wie Pandoraea-Stämme sich in einem so kompetitiven Umfeld behaupten können.
Mithilfe bioinformatischer Analysen identifizierte das Team ein zuvor unbekanntes Gencluster mit der Bezeichnung pan. Es codiert für eine nichtribosomale Peptidsynthetase – ein typisches Enzym zur Herstellung von Siderophoren. „Wir haben mit einer Gencluster-Analyse angefangen und gezielt nach Genen gesucht, die für die Produktion von Siderophoren verantwortlich sein könnten“, berichtet Herzog.
Durch gezielte Inaktivierung von Genen sowie kulturbasierte Methoden und modernste Analysetechniken – darunter Massenspektrometrie, NMR-Spektroskopie, chemischer Abbau und Derivatisierung – gelang es den Forschenden aus Jena, zwei neue Naturstoffe zu isolieren und deren chemische Struktur aufzuklären: Pandorabactin A und B. Beide sind in der Lage, Eisen zu komplexieren und könnten eine wichtige Rolle dabei spielen, wie Pandoraea-Stämme in schwierigen Umgebungen überleben. „Die Moleküle helfen den Bakterien, Eisen aufzunehmen, wenn es in ihrer Umgebung rar ist“, so Herzog.

Weniger Eisen, weniger Konkurrenten
In Bioassays zeigte sich außerdem, dass Pandorabactine das Wachstum anderer Bakterien wie Pseudomonas, Mycobacterium und Stenotrophomonas hemmen, indem sie diesen Konkurrenten Eisen entziehen.
Analysen von Sputumproben aus der Lunge von Mukoviszidose-Patient*innen offenbarten zudem: Der Nachweis des pan-Genclusters korreliert mit Veränderungen im Lungenmikrobiom. Pandorabactine könnten also einen direkten Einfluss auf mikrobielle Gemeinschaften in erkrankten Lungen haben.
„Noch ist es aber zu früh, um aus diesen Erkenntnissen medizinische Anwendungen abzuleiten“, betont Herzog. Dennoch liefert die Entdeckung wichtige Hinweise auf die Überlebensstrategien von Bakterien der Gattung Pandoraea und auf den komplexen Konkurrenzkampf um lebenswichtige Ressourcen im menschlichen Körper.
Die Studie entstand in enger Zusammenarbeit des Leibniz-HKI mit den Universitäten Jena, Heidelberg und Hong Kong. Sie wurde im Rahmen des Exzellenzclusters „Balance of the Microverse“ und des Sonderforschungsbereichs ChemBioSys durchgeführt und durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft gefördert. Das für die Analysen eingesetzte bildgebende Massenspektrometer wurde vom Freistaat Thüringen gefördert und kofinanziert von der Europäischen Union.

(Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie - Hans-Knöll-Institut (Leibniz-HKI))


Originalpublikation:
Herzog E, Ishida K, Scherlach K, Chen X, Bartels B, Niehs SP, Cheaib B, Panagiotou G, Hertweck C (2025) 
Antibacterial Siderophores of Pandoraea Pathogens and Their Impact on the Diseased Lung Microbiota. 
Angew Chem Int Ed 64(24), e202505714, https://doi.org/10.1002/anie.202505714


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Wissenschaft Thüringen
news-32860 Thu, 19 Jun 2025 09:33:19 +0200 Vererbung nach eigenen Regeln: Die scheinbar unmögliche Fortpflanzung der Hundsrosen https://www.vbio.de/aktuelles/details/vererbung-nach-eigenen-regeln-die-scheinbar-unmoegliche-fortpflanzung-der-hundsrosen Wie Zentromere eine besondere Form der Fortpflanzung ermöglichen  Einem tschechisch-deutschen Forschungsteam unter der Leitung von Dr. André Marques vom Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln, Prof. Dr. Christiane Ritz vom Senckenberg Museum für Naturkunde in Görlitz und Dr. Aleš Kovařík vom Institut für Biophysik der Tschechischen Akademie der Wissenschaften ist ein bedeutender Durchbruch in der Erforschung der Fortpflanzung von Hundsrosen gelungen. Die Studie, die jetzt im renommierten Fachjournal „Nature“ veröffentlicht wurde, zeigt, wie Unterschiede in der Größe der Zentromere – der zentralen Andockstellen für Chromosomen – eine entscheidende Rolle bei der außergewöhnlichen Chromosomenvererbung dieser Pflanzen spielen. Die Ergebnisse könnten langfristig neue Wege für die Entwicklung robusterer Nutzpflanzen eröffnen.

Das Geheimnis der Hundsrose
Die Hundsrose (Rosa canina) ist die mit Abstand häufigste Wildrose in Mitteleuropa. Ihre als „Hagebutten“ bezeichneten Früchte werden vielfältig verwendet – von der Früchteteemischung bis zur „Juckpulver“-Herstellung. „Die Pflanze ist aber nicht nur hübsch anzusehen und für allerlei Zwecke verwendbar, sondern hat auch eine besondere Form der Fortpflanzung entwickelt“, erklärt Prof. Dr. Christiane Ritz vom Senckenberg Museum für Naturkunde in Görlitz und fährt fort: „Während die meisten Pflanzen und Tiere jeweils zwei Chromosomensätze besitzen, haben Hundsrosen gleich fünf. Das macht ihre Fortpflanzung komplizierter. Eine ungerade Anzahl an Chromosomensätzen führt bei vielen Pflanzen sogar oft zu Unfruchtbarkeit, weil sich die Chromosomen während der Meiose – der Bildung von Ei- und Samenzellen – nicht gleichmäßig paaren und verteilen lassen.“

Doch die Hundsrosen haben im Laufe ihrer Evolution eine raffinierte Lösung entwickelt, die ihnen dennoch eine stabile sexuelle Fortpflanzung ermöglicht. Bei der sogenannten Canina-Meiose oder balancierten Heterogamie paaren sich nur zwei der fünf Chromosomensätze der Pflanze ganz regulär und werden über Eizellen und Pollen weitergegeben. Die übrigen drei Sätze bleiben unpaarig, sogenannte Univalente, und werden ausschließlich über die Eizelle weitervererbt – ohne dass sie verändert werden. „Auf diese Weise kombiniert die Pflanze sexuelle mit klonaler Vermehrung“, erläutert Dr. André Marques vom Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln und spricht weiter: „Obwohl dieses Fortpflanzungssystem schon seit über 100 Jahren bekannt ist, wusste man bisher wenig über die Mechanismen dieser Methode. Unklar war auch die Rolle der Zentromere – also der zentralen Chromosomenbereiche, die für die Verteilung während der Zellteilung wichtig sind. In unserer Studie haben wir Genome von pentaploiden Hundsrosen – Pflanzen mit fünf vollständigen Chromosomensätzen – in hoher Auflösung bis auf die Ebene einzelner Chromosomensätze und ihrer Herkunft untersucht.“

Die Macht der Zentromere
Ziel der Forschenden war es, herauszufinden, was es Hundsrosen ermöglicht, ihre unpaarigen Chromosomen gezielt in die Eizelle zu transportieren – ein Vorgang, der bisher nicht vollständig verstanden war. Die Antwort fanden die Wissenschaftler*innen im Aufbau der Zentromere, jenen DNA-Abschnitten, an denen die Spindelfasern während der Zellteilung ansetzen. Spindelfasern sind Teil eines Spindelapparats, der Chromosomen während der Mitose und Meiose bewegt, um eine gleichmäßige Chromosomenverteilung zwischen den Tochterzellen zu gewährleisten.

„Unsere Analyse der drei verschiedenen pentaploiden Hundsrosenarten zeigte: Die univalenten Chromosomen verfügen über auffällig große Zentromere mit vielfachen Wiederholungen einer rosen-spezifischen DNA-Sequenz. Diese größeren Zentromeren binden auch vermehrt das Protein CENH3, das eine Schlüsselrolle bei der Anbindung der Spindel spielt“, so Dr. Aleš Kovařík vom Institut für Biophysik der Tschechischen Akademie der Wissenschaften. Damit könnte die Zentromergröße ein entscheidender Faktor sein, um bei asymmetrischen Zellteilungen sicherzustellen, dass bestimmte Chromosomen erhalten bleiben. „Durch die Veränderung der Größe und Stärke ihrer Zentromere können diese Pflanzen buchstäblich beeinflussen, welche Chromosomen vererbt werden", fügt Marques hinzu.

Warum es eine Rolle spielt
„Die gleichzeitige Koexistenz sexueller und klonaler Vermehrung im selben Genom – gesteuert durch Unterschiede in der Zentromerstruktur – ist ein faszinierender biologischer Mechanismus. Die Entdeckung liefert aber nicht nur neue Einblicke in die faszinierende Welt der Pflanzengenetik, sondern hat auch praktische Bedeutung für die Züchtung“, ergänzt Ritz. Viele Kulturpflanzen besitzen mehr als zwei Chromosomensätze. Das macht ihre Fortpflanzung anfällig für Fehler, kann aber auch Vorteile wie höhere Widerstandsfähigkeit mit sich bringen. Ein besseres Verständnis der Hundsrosen-Fortpflanzung könne helfen, diese Vorteile gezielt zu nutzen und die Fruchtbarkeit polyploider Pflanzenarten zu stabilisieren. Marques resümiert: „Unsere Erkenntnisse könnten langfristig neue Wege für die Entwicklung robusterer Nutzpflanzen eröffnen.“

(Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung)


Originalpublikation:
https://www.nature.com/articles/s41586-025-09171-z

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