VBIO News http://example.com VBIO News de Copyright Sat, 22 Mar 2025 16:22:32 +0100 Sat, 22 Mar 2025 16:22:32 +0100 TYPO3 news-31975 Fri, 21 Mar 2025 11:55:06 +0100 Klimawandel verändert Wasserverteilung im Wald https://www.vbio.de/aktuelles/details/klimawandel-veraendert-wasserverteilung-im-wald Wie verändert der Klimawandel die Menge und Verteilung von Regen unterhalb des Blätterdachs eines Waldes? Und welche Rolle spielen dabei die Bäume in trockenen und feuchten Jahren? Diesen Fragen ist ein Forschungsteam der Universität Göttingen nachgegangen und hat mithilfe von zahlreichen Messgeräten einen Buchenwald im Landkreis Göttingen über sieben Jahre lang untersucht. Die Forschen-den konnten unter anderem aufzeigen, dass der Anteil des Regens, der den Boden erreicht, jedes Jahr um 5,75 Prozent zurückging. Modelle zum Klimawandel deuten an, dass die Niederschlagsverteilung in Europa immer variabler wird, also stärker schwankt, und eine Kette von Folgen für Ökosysteme in Gang setzt. Bisher war das Wissen über die tatsächlichen Veränderungen des Regens in Wald-Ökosystemen nur bruchstückhaft. Deshalb installierten Göttinger Forschende 2017 in einem Wald bei Ebergötzen 30 Regensensoren und Sammelvorrichtungen für abgeworfene Blätter. Zusätzlich wurden die Bäume wiederholt mit Laserscannern vermessen. Die Forschenden konnten so sieben Jahre lang kontinuierlich Regenereignisse, Trockenphasen sowie den Wasseranteil, der das Blätterdach durchdringt, erfassen. Gerade ungewöhnlich trockene und feuchte Jahre, wie zum Beispiel 2018 und 2021, konnten sie so eingehender erforschen. „Insgesamt zeigt sich, dass die Regenmenge und Dauer einzelner Regenereignisse abnehmen, die Intensität aber zu-nimmt“, erklärt Erstautor Dr. Simon Drollinger von der Abteilung Bioklimatologie. „Als Folge sinkt der An-teil an Wasser, der den Waldboden erreicht und es entstehen dort immer größere räumliche Unterschiede in der Durchfeuchtung.“

„Dadurch kommt es nach und nach zu einer Entkopplung der Wasserbewegungen im Ökosystem Wald“, erklärt Mitautor Dr. Michael Dietze von der Abteilung Physische Geographie. „Die Folgen dieser Umorientierung der Wasserpfade im Wald wirken sich zwar noch nicht auf die Bäume aus, wie die Proben aus den Blatt-Sammlern zeigen, aber wir rechnen mit einer zunehmenden Heterogenität, also Unterschieden in der räumlichen Verteilung der Bodenfeuchte und in der daran gekoppelten Aktivität von Mikroorganismen, die im Boden organische Substanzen abbauen“, ergänzt Prof. Dr. Daniela Sauer, Abteilungsleiterin und Initiatorin des Lehr- und Forschungsmessfeldes bei Ebergötzen. Im nächsten Schritt möchten die Forschenden auch die über die Zeit gewonnenen Bodenwasserproben und Messwerte zu Bodenfeuchte und Temperatur untersuchen. Zudem sollen geophysikalische Sensoren die Wasserdynamik auch in größerer Tiefe verfolgen.

Georg-August-Universität Göttingen


Originalpublikation:

Simon Drollinger, Michael Dietze et al. Recent changes in rainfall patterns alter precipitation partitioning in European beech forest. Environmental Research Communications 2025. DOI: 10.1088/2515-7620/adbba4, https://iopscience.iop.org/article/10.1088/2515-7620/adbba4

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Nachhaltigkeit/Klima Wissenschaft Niedersachsen
news-31972 Fri, 21 Mar 2025 11:51:11 +0100 Details der Schutzschicht entschlüsselt die die feinen Fortsätze von Zellen umgibt https://www.vbio.de/aktuelles/details/details-der-schutzschicht-entschluesselt-die-die-feinen-fortsaetze-von-zellen-umgibt Biologische Zellen haben häufig feine, haarähnliche Fortsätze auf ihrer Oberfläche, Zilien genannt, die ihnen beispielsweise zur Fortbewegung oder zur Erkennung von Signalen dienen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland und Italien haben nun neue Details der Schutzschicht, die die Zilien umgibt, aufgedeckt. Diese Schutzhülle – die sogenannte Glykokalyx – besteht aus zuckerreichen Proteinen (Glykoproteinen). Sie entscheidet mit darüber, wie Zellen an Oberflächen haften, sich bewegen und Signale senden. Ihre genaue Struktur war jedoch bisher unbekannt. Durch die Untersuchung der einzelligen Grünalge Chlamydomonas reinhardtii hat das Forschungsteam die Struktur dieser Schicht nun im Detail kartiert und die Glykoproteine FMG1B und FMG1A als Hauptbestandteile identifiziert. FMG1A ist dabei eine zuvor unbekannte Variante von FMG1B. Die beiden Glykoproteine zeigen eine biochemische Ähnlichkeit mit bei Säugetieren vorkommenden Schleimproteinen, sogenannten Mucinen. Mucine sind ebenfalls Glykoproteine und bei vielen Organismen ein zentraler Bestandteil von schützendem Schleim, der beispielsweise auf Schleimhäuten oder in inneren Organen vorkommt. 

Für ihre Studie entfernte das Team die beiden Glykoproteine der Alge. Als Folge zeigten die Zilien der Algenzellen eine deutlich erhöhte Klebrigkeit, waren jedoch weiterhin fähig, sich mittels der anhaftenden Zilien auf Oberflächen gleitend fortzubewegen. Die Forscherinnen und Forscher schließen daraus, dass diese Proteine nicht wie zuvor angenommen das Anhaften auf Oberflächen und das Gleiten direkt ermöglichen, sondern eine Schutzschicht bilden, die die Haftfähigkeit der Zilien reguliert. „Diese Entdeckung erweitert unsere Kenntnis darüber, wie Zellen die direkte Interaktion mit ihrer Umgebung regulieren“, unterstreicht Pflanzenbiotechnologe Prof. Dr. Michael Hippler von der Universität Münster. „Wir erhalten zudem Hinweise darauf, wie ähnliche Schutzmechanismen bei anderen Organismen funktionieren könnten.“, ergänzt Dr. Adrian Nievergelt vom Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam.

Das Team setzte verschiedene Techniken zur Bildgebung und Proteinanalyse ein, darunter kryogene Elektronentomographie und Elektronenmikroskopie, Fluoreszenzmikroskopie, Massenspektrometrie, sowie gentechnische Methoden, um die Glykoproteine aus dem Algengenom zu entfernen.

Universität Münster


Originalpublikation:

Hoepfner L. et al. (2025): Unwrapping the Ciliary Coat: High-Resolution Structure and Function of the Ciliary Glycocalyx. Advanced Science; https://doi.org/10.1002/advs.202413355

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Wissenschaft Nordrhein-Westfalen
news-31962 Fri, 21 Mar 2025 11:18:46 +0100 Ein natürlicher Türsteher: Wie Pflanzen Barrieren für gesunde Beziehungen nutzen https://www.vbio.de/aktuelles/details/ein-natuerlicher-tuersteher-wie-pflanzen-barrieren-fuer-gesunde-beziehungen-nutzen Ein verborgenes Talent des Caspary-Streifens - einer Wurzelstruktur, die vor allem als Pförtner der Pflanze bekannt ist, haben Forschende des Max-Planck-Instituts für Pflanzenzüchtungsforschung, der Universität zu Köln und der Universität Kopenhagen entdeckt. Wie sich herausstellte, spielt diese natürliche Barriere auch eine Schlüsselrolle dabei, dass Hülsenfrüchte die richtige Menge Stickstoff von ihren bakteriellen Partnern erhalten. Die jetzt in Science veröffentlichten Ergebnisse könnten Forschenden helfen, besser zu verstehen, wie Pflanzen und Mikroben ihre unterirdischen Geschäfte aushandeln.  Stickstoff: Ein Lieblingssnack der Pflanzen (aber schwer zu bekommen)

Pflanzen brauchen Stickstoff zum Wachsen, aber sie können ihn nicht einfach aus der Luft holen wie wir Sauerstoff. Wenn der Boden zu wenig davon enthält, müssen die Landwirte ihn düngen - eine teure und ökologisch heikle Lösung, denn überschüssiger Stickstoff kann ins Grundwasser gelangen.
Doch Hülsenfrüchte wie Bohnen, Linsen und Erdnüsse haben einen Trick auf Lager. Sie bilden spezielle Knöllchen, in denen freundliche Bakterien namens Rhizobien leben, die den Stickstoff aus der Luft aufnehmen und in eine pflanzenverfügbare Form umwandeln. Im Gegenzug erhalten die Bakterien Zucker von der Pflanze. Ein klassischer Fall von „eine Hand wäscht die andere“.

Wurzelknöllchen in Schach halten: Gruppenchat von der Wurzel bis zum Blatt

Die Knöllchenbildung ist kein Zufall, sondern wird streng reguliert, je nachdem, wie viel Stickstoff im Boden vorhanden ist. Ist zu wenig Stickstoff vorhanden, senden die Wurzeln ein Notsignal (ein Peptid namens CEP1) an die Blätter, wodurch das Gen ‚Too Much Love‘ (TML), welches die Knöllchenbildung blockiert, ausgeschaltet wird. Dadurch kann die Pflanze nun Knöllchen bilden und mehr Stickstoff aufnehmen. Es ist wie ein gut organisierter Gruppenchat, in dem alle über die Stickstoffkrise auf dem Laufenden sind.

Doch jetzt wird es merkwürdig. Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen haben nun herausgefunden, dass sich der Casparische Streifen (CS), eine wasserdichte Barriere in Pflanzenwurzeln, gleichzeitig mit den Knöllchen entwickelt. Der CS funktioniert normalerweise wie ein VIP-Türsteher und entscheidet, welche Nährstoffe und welches Wasser in das Gefäßsystem der Pflanze gelangen. Die Knöllchen bilden sich allerdings außerhalb dieser Barriere, so dass diese irgendwann Nährstoffe durchlassen müssen.

Die verborgene Rolle des Türstehers

Um dies zu untersuchen, haben Tonni Andersen und sein Team die Hülsenfrucht Lotus japonicus untersucht und dabei auf Erkenntnisse zurückgegriffen, die sie bei der nicht-knöllchenbildenden Pflanze Arabidopsis gewonnen hatten. Entfernten sie den CS in den Pflanzen, bildeten sich die Knöllchen unter stickstoffarmen Bedingungen langsamer. Das Problem war jedoch nicht eine undichte Wurzelbarriere, sondern ein Kommunikationsproblem. Die CS-Mutanten hatten Probleme, CEP1 zu produzieren, so dass die Pflanze den Stickstoffmangel nicht richtig registrierte und die Knöllchenbildung verzögerte.

Wenn Bakterien zu gierig werden

Noch überraschender war die Entdeckung, dass die Knöllchen selbst eine Mini-Version des Caspary-Streifens enthalten. In den Knöllchen spielt der CS eine entscheidende Rolle bei der Kontrolle des Handels zwischen Pflanze und Bakterien und sorgt dafür, dass der Austausch fair bleibt. Ohne den CS in den Knöllchen, ging diese Kontrolle verloren - die Zucker aus der Pflanze strömten ungehindert hinein und verwandelten die Knöllchen in ein All-you-can-eat-Buffet für die Bakterien. Das Ergebnis - die Bakterien vermehren sich weiter, produzierten aber keine Stickstoffverbindungen mehr, so dass der Pflanze die dringend benötigten Nährstoffe fehlten.

Seit mehr als einem Jahrhundert ist der Caspary-Streifen als Türsteher der Wurzel bekannt, der kontrolliert, was in die Pflanze gelangt. Diese Studie zeigt jedoch, dass er eine zweite Funktion hat: Er reguliert den empfindlichen Stoffwechsel zwischen Pflanzen und Bakterien. 

„Die Studie liefert neue Erkenntnisse darüber, wie Pflanzen und Mikroben miteinander interagieren, und etabliert ein neues Modellsystem, um zu untersuchen, wie eine vorteilhafte Partnerschaft auf engstem Raum stattfinden kann“, sagt Tonni Grube Andersen.

Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung


Originalpublikation:

Defeng Shen et al.: Apoplastic barriers are essential for nodule formation and nitrogen fixation in Lotus japonicus.Science387,1281-1286(2025).DOI:10.1126/science.ado8680

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Wissenschaft Nordrhein-Westfalen
news-31961 Fri, 21 Mar 2025 10:41:23 +0100 VBIO Online-Webinarreihe: „Die soziale Evolution von Ameisenstaaten“ https://www.vbio.de/aktuelles/details/vbio-online-webinarreihe-die-soziale-evolution-von-ameisenstaaten Die Online-Webinarreihe „Faszination Biologie“ des VBIO wird am 29.04.2025 von 17.00 bis 19.00 Uhr mit dem Thema: „Die soziale Evolution von Ameisenstaaten“ fortgeführt. Dieses wissenschaftliche Webinar richtet sich nicht nur an Unterrichtende, sondern an alle Interessierten. Ameisen haben hochkomplexe Sozialstaaten entwickelt, in denen sie Verhaltensweisen zeigen, die mit Formen der Landwirtschaft, Viehzucht und sogar territorialen Kriegen verglichen werden können. Ihre Kolonien sind jedoch fundamental anders organisiert als menschliche Gesellschaften, was ihre Evolution besonders faszinierend macht. In dem Vortrag werden die evolutionären Grundlagen erläutert, die zur Entstehung solch komplexer Gesellschaften geführt haben. Dabei werden sowohl ihr altruistisches Sozialverhalten als auch dessen Ausbeutung durch Sozialparasiten thematisiert. Darüber hinaus gibt es Einblicke in die enorme Vielfalt der Lebensweisen von Ameisen, von Treiberameisen bis hin zu Blattschneiderameisen, und die Kommunikationsmechanismen werden erklärt, die eine enge Kooperation von oft mehreren Millionen Individuen ermöglichen. Der Erfolg der Ameisenstaaten beruht jedoch nicht nur auf Kooperation, sondern auch auf einer hochgradig effizienten Arbeitsteilung. Es wird dargelegt werden, wie diese Organisation strukturiert ist und welche Mechanismen sie steuern. Abschließend wird gezeigt, wie sich lebensgeschichtliche Merkmale bei Ameisen verändert haben, sodass beispielsweise Königinnen ein Alter von zwei Jahrzehnten oder mehr erreichen können.

Der VBIO konnte für dieses Webinar Frau Prof. Dr. Susanne Foitzik (Johannes-Gutenberg-Universität, Mainz) gewinnen. 

Im Rahmen dieser Online-Webinarreihe „Faszination Biologie“ berichten Wissenschaftler/-innen zu ihrem Forschungsfeld und treten in den Dialog. Monatlich werden andere biologische und biomedizinische Inhalte in den Blick genommen, vertiefend erläutert und anschaulich erklärt. Anschließend werden in der Regel Text- und Bildmaterialien für den Privat- und Dienstgebrauch in z. B. Schule zur Verfügung gestellt. Anknüpfungspunkte zu den Bildungsstandards im Fach Biologie (KMK 18.06.2020) lassen sich in allen Vorträgen finden.

Weitere Vorträge (https://www.vbio.de/informationsangebote/faszination-biologie) folgen und sind schon in der Ankündigung zu finden; hochqualifizierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind angefragt. Im Mittelpunkt der Vorträge stehen wissenschaftliche Erkenntnisse und der Weg dorthin. Relevante Fachmethoden werden ebenfalls vorgestellt – und selbstverständlich werden Ihre Fragen beantwortet. 

Bitte registrieren Sie sich so rasch wie möglich – spätestens am Veranstaltungstag bis 16 Uhr. Bei Anmeldung nach 16 Uhr kann eine Teilnahme nicht garantiert werden. Melden Sie sich an unter

https://us06web.zoom.us/webinar/register/WN_vBjEjP2FTtWEATxraJezTg

Alle Informationen finden Sie auch auf dem Veranstaltungsposter.

VBIO

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VBIO-Online: Faszination Biologie Bundesweit
news-31959 Fri, 21 Mar 2025 09:53:09 +0100 Erneuerungsprozesse in der Zelle: Störungen im Ablauf begünstigen Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson https://www.vbio.de/aktuelles/details/erneuerungsprozesse-in-der-zelle-stoerungen-im-ablauf-beguenstigen-erkrankungen-wie-alzheimer-und-parkinson Eine internationale Forschungskooperation hat die bisher umfassendste Karte zur Lebensdauer verschiedener Proteine in zahlreichen Geweben des Körpers erstellt. Die Forschenden konnten dabei einen Mechanismus identifizieren, der die Stabilität von Proteinen erhöht und dadurch neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson begünstigt.  Eiweiße, auch Proteine genannt, sorgen dafür, dass die menschlichen Zellen funktionieren und lebensfähig sind. Proteine werden gebildet, um eine bestimmte Aufgabe in der Zelle zu übernehmen und wenn diese erledigt ist, werden sie wieder abgebaut. Wird dieser Prozess gestört, können Erkrankungen wie beispielsweise Parkinson oder Alzheimer entstehen. Beide Krankheiten sind durch den Untergang von Nervenzellen im Gehirn gekennzeichnet und werden daher als neurodegenerative Erkrankungen bezeichnet. Während es bei der Parkinson-Erkrankung zu Bewegungsstörungen wie Zittern, verlangsamten Bewegungen, Gleichgewichtsstörungen und versteiften Muskeln kommt, äußert sich Alzheimer durch unter anderem zunehmende Gedächtnisprobleme und Wahrnehmungsstörungen. Ursache ist in beiden Fällen, dass alte und beschädigte Proteine nicht ordnungsgemäß abgebaut werden, sich in den Zellen ansammeln und verklumpen. Diese Proteinklumpen, auch Aggregate genannt, können nicht mehr vom Körper abgebaut werden und sorgen dafür, dass die Nervenzellen nach und nach zerstört werden. 

In einer internationalen Zusammenarbeit unter Beteiligung der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) haben Dr. Eugenio F. Fornasiero, Arbeitsgruppenleiter am Institut für Neuro- und Sinnesphysiologie der UMG, und seine US-amerikanischen Kollegen von der Universität Yale in New Haven, Connecticut, und dem St. Jude Children’s Research Hospital in Memphis, Tennessee, die bisher umfassendste Karte zur Lebensdauer verschiedener Proteine in zahlreichen Geweben des Körpers erstellt. „Dieses umfangreiche Datenset ist wie ein Bauplan, der uns zeigt, wie die verschiedenen Organe mit ihren Proteinen umgehen“, sagt Dr. Fornasiero, einer der Letztautoren der Studie. „Wir sehen, welche Proteine beispielsweise im Gehirn schnell erneuert werden und welche länger bestehen bleiben – das gibt uns Hinweise auf ihre Stabilität und ihre Rolle bei neurodegenerativen Erkrankungen.“ 

Die Forschenden fanden heraus, dass ein Mechanismus, der für das Ein- und Ausschalten von Proteinen sorgt, auch eine Rolle bei der Stabilisierung von Proteinen spielt: die Proteinphosphorylierung. Hierbei werden Phosphatgruppen auf Proteine übertragen, welches dazu führt, dass das entsprechende Protein eingeschaltet, sprich aktiviert wird. Die Entfernung der Phosphatgruppen schaltet das Protein aus. Die Wissenschaftler*innen konnten beispielsweise im Gehirngewebe von an Alzheimer erkrankten Mäusen zeigen, dass das Protein „Tau“, das an der Entstehung der Erkrankung beteiligt ist, auf bestimmten Abschnitten vermehrt phosphoryliert wird. Dadurch wird die Stabilität des Tau-Proteins erhöht und seine Lebensdauer verlängert. Dies begünstigt wiederum, dass Proteinaggregate entstehen und Nervenzellen absterben. 

„Das Verständnis darüber, wie die Phosphorylierung die Stabilität und den Umsatz von Proteinen beeinflusst, könnte dazu beitragen, neue therapeutische Strategien zur Behandlung von Parkinson und Alzheimer zu entwickeln. Zum Beispiel indem man solche krankhaften Veränderungen verhindert oder umkehrt“, so Fornasiero. Das Verständnis des Proteinumsatzes und seiner Regulation trägt neben der Identifizierung krankheitsrelevanter Proteine ebenfalls dazu bei, auch jene Proteine zu identifizieren, die besonders anfällig für Alterungsprozesse sind. Damit eröffnen sich auch neue Wege für zukünftige Anti-Aging-Therapien.

Universitätsmedizin Göttingen


Originalpublikation:

Wenxue Li, Abhijit Dasgupta, Ka Yang, Shisheng Wang, Nisha Hemandhar-Kumar, Surendhar R. Chepyala, Jay M. Yarbro, Zhenyi Hu, Barbora Salovska, Eugenio F. Fornasiero, Junmin Peng and Yansheng Liu. An Extensive Atlas of Proteome and Phosphoproteome Turnover Across 2 Mouse Tissues and Brain Regions. Cell (2025). DOI: https://doi.org/10.1016/j.cell.2025.02.021

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Wissenschaft Niedersachsen
news-31958 Fri, 21 Mar 2025 09:41:28 +0100 Die Kraftwerke der Zelle: Molekulare Maschinen für effiziente Energieproduktion https://www.vbio.de/aktuelles/details/die-kraftwerke-der-zelle-molekulare-maschinen-fuer-effiziente-energieproduktion Mitochondrien sind die Kraftwerke in unseren Zellen. Sie produzieren die Energie für alle lebenswichtigen Prozesse. Mithilfe der Kryo-Elektronentomografie haben Forschende der Universität Basel nun Einblicke in die Architektur der Mitochondrien mit bisher unerreichter Auflösung gewonnen. Sie entdeckten, dass sich die für die Energieerzeugung verantwortlichen Proteine zu großen «Superkomplexen» zusammenlagern. Diese versorgen die Zelle mit der nötigen Energie.  Die meisten Lebewesen auf unserem Planeten – seien es Pflanzen, Tiere oder Menschen – besitzen Mitochondrien in ihren Zellen. Diese stellen die Energie für nahezu alle zellulären Prozesse bereit. Dazu nutzen sie den Sauerstoff, den wir einatmen, und Kohlenhydrate aus der Nahrung, um ATP, den universellen Energieträger der Zellen, herzustellen. Genaugenommen übernehmen Proteine diese Aufgabe, die in der sogenannten Atmungskette zusammenarbeiten.

Obwohl die Atmungskette bereits vor 70 Jahren entdeckt wurde, war ihre genaue Organisation innerhalb der Mitochondrien bisher unklar. Mithilfe modernster Kryo-Elektronentomografie gelang es Forschenden um Dr. Florent Waltz und Prof. Dr. Ben Engel am Biozentrum der Universität Basel nun, hochauflösende Bilder der Atmungskette direkt in Zellen in einer bisher unerreichten Auflösung aufzunehmen. Die Ergebnisse der Studie wurden in «Science» veröffentlicht.

Architektur sorgt für effiziente Energieproduktion

«Unsere Daten zeigen, dass sich die Proteine der Atmungskette in bestimmten Membranregionen der Mitochondrien organisieren, zusammenhaften und Superkomplexe bilden», erklärt Florent Waltz, SNF Ambizione Fellow und Erstautor der Studie. «Im Elektronenmikroskop waren einzelne dieser Superkomplexe deutlich sichtbar – wir konnten ihre Strukturen direkt erkennen und ihre Funktionsweise aufklären. Diese Superkomplexe pumpen Protonen durch die Mitochondrienmembran. Die ATP-produzierenden Proteine, die ähnlich wie eine Wassermühle arbeiten, nutzen schließlich diesen Protonenfluss zur ATP-Herstellung.»

Die Forschenden untersuchten Mitochondrien in lebenden Zellen der Alge Chlamydomonas reinhardtii. «Wir waren sehr überrascht, dass alle Proteine tatsächlich in solchen Superkomplexen organisiert sind», sagt Waltz. «Diese Architektur könnte die ATP-Produktion effizienter machen, den Elektronenfluss optimieren und den Energieverlust minimieren.»

Neben den Superkomplexen konnten die Forschenden auch die Membranarchitektur der Mitochondrien genauer untersuchen. «Sie erinnert ein wenig an Lungengewebe: Die inneren Mitochondrienmembranen sind stark gefaltet, wodurch die Oberfläche vergrößert wird, um möglichst viele Proteine der Atmungskette aufzunehmen», sagt Ben Engel.

Neue Perspektiven für Evolution und Gesundheit

Zukünftig wollen die Forschenden herausfinden, warum die Superkomplexe in der Atmungskette miteinander verbunden sind und wie diese Synergie die Effizienz der Zellatmung und der Energieproduktion steigert. 

Die Studie könnte auch neue Erkenntnisse für Biotechnologie und Erkrankungen liefern. «Indem wir die Architektur dieser Superkomplexe in anderen Organismen untersuchen, können wir ein umfassenderes Verständnis ihrer grundlegenden Organisation gewinnen», erklärt Waltz. «Dies könnte nicht nur evolutionäre Anpassungen aufdecken, sondern auch helfen zu verstehen, inwiefern Störungen dieser Architektur bei bestimmten Krankheiten im Menschen eine Rolle spielen.»

Universität Basel


Originalpublikation:

Florent Waltz, Ricardo D. Righetto, Ron Kelley, Xianjun Zhang, Martin Obr, Sagar Khavnekar, Abhay Kotecha, Benjamin D. Engel: In-cell architecture of the mitochondrial respiratory chain, Science, March 21, 2025. doi: https://doi.org/10.1101/2024.09.03.610704

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Wissenschaft International
news-31963 Fri, 21 Mar 2025 09:25:00 +0100 VAAM-Innovationspreis 2025 an Luitpold Fried: Forschung zu umweltfreundlichem mikrobiellem Biozement ausgezeichnet https://www.vbio.de/aktuelles/details/vaam-innovationspreis-2025-an-luitpold-fried-forschung-zu-umweltfreundlichem-mikrobiellem-biozement-ausgezeichnet Mikroben können nachhaltige Bindemittel für Bergbau und Bauwesen herstellen. Für diese Idee erhält Dr. Luitpold Fried den Innovationspreis 2025 der Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie (VAAM). Im Biotechnologie-Unternehmen Bind-X GmbH optimierte er mit seinem Team mikrobiell hergestelltes Calcit für industrielle Anwendungen in Berg- und Straßenbau sowie Landwirtschaft. Dies spart bis zu 90 Prozent CO₂ und Wasser ein. Die VAAM verleiht den mit 5000 Euro dotierten Preis für herausragende aktuelle Arbeiten auf dem Gebiet der industriellen Mikrobiologie im Rahmen ihrer Jahrestagung in Bochum am 24. März 2025.  Vor 50 Jahren wurde „Biozement“ erstmals beschrieben: Manche Mikroben bilden mineralische Verbindungen. Sie wandeln im Rahmen ihres Stoffwechsels Nährstoffe aus ihrer Umgebung um und fällen Calciumcarbonat (Calcit) aus. Das verbindet wiederum Bodenpartikel miteinander und erhöht so die Festigkeit und Stabilität von Materialien und Böden. Diese natürliche mikrobielle Verkrustung und Verklebung wurde erst in den letzten Jahren erfolgreich industriell erschlossen.

Luitpold Fried und sein Team charakterisierten vor zwölf Jahren erste geeignete Bakterienstämme. Sie optimierten die Vermehrung, entwickelten spezifische Nährmedien und steigerten so die Calcit-Produktion signifikant. Sie sorgten mit modernen Verfahren dafür, dass die Bakterien trotz Trocknungsverfahren am Leben und ihre Stoffwechselaktivität mitsamt biozementierenden Enzymen erhalten blieb. Im Bergbau kann mit mikrobieller Hilfe die Staubbelastung verringert werden, was bis zu 90 Prozent Wasser einspart. Denn normalerweise wird Staub dort durch große Mengen Wasser oder chemische Lösungen gebunden – beides umweltschädlich und teuer. Im Straßenbau stabilisiert die Technologie die Fahrbahnen. Und in der Landwirtschaft ermöglichen die Mikroben ein ökologisches Unkrautmanagement: Calcit-Krusten bilden eine mechanische Barriere für Unkräuter als Alternative zu chemischen Herbiziden.

Sechs Patentanmeldungen gingen aus Frieds Forschungen hervor, die sowohl die grundlegende Technologie als auch spezifische Anwendungen in unterschiedlichen Industriezweigen schützen. Unter der technischen Leitung des Mikrobiologen entwickelte sich Bind-X zu einem internationalen Unternehmen mit Standorten in Deutschland, Südafrika und Australien. Fried engagiert sich darüber hinaus in der akademischen Lehre und hat seit 2022 einen Lehrauftrag an der Hochschule Rhein-Waal. 

Die VAAM würdigt mit dem Innovationspreis Frieds außergewöhnliche Fähigkeit, komplexe wissenschaftliche Erkenntnisse der Mikrobiologie in skalierbare, industrielle Anwendungen zu überführen. „Luitpold Fried hat die Einsatzmöglichkeiten bakterieller Produkte neu definiert“, lobt das Preiskomitee. Er habe eine wissenschaftlich und technologisch einzigartige Verbindung zwischen mikrobiologischer Grundlagenforschung und industrieller Anwendung geschaffen. VAAM-Präsident Stefan Pelzer betont: „Seine Arbeiten zur mikrobiellen Biozementierung eröffnen Perspektiven für nachhaltige Lösungen in verschiedenen Industriezweigen und tragen maßgeblich zur Schonung von Ressourcen und zum Umweltschutz bei“.

VAAM

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Fachgesellschaften Hessen
news-31924 Thu, 20 Mar 2025 12:20:40 +0100 Schwindende Artenkenntnisse und Naturverbundenheit unter der Jugend https://www.vbio.de/aktuelles/details/schwindende-artenkenntnisse-und-naturverbundenheit-unter-der-jugend Forschende untersuchten das Wissen über einheimische Pflanzen, Vögel und Schmetterlinge und konstatieren einen Zusammenhang zwischen Alter und der Bereitschaft, sich für Fauna und Flora einzusetzen  Die Kenntnis häufiger Tier- und Pflanzenarten, die Naturverbundenheit unter den Generationen und deren Bereitschaft, sich für die Natur einzusetzen, nehmen von älteren zu jüngeren Menschen ab. Das ist ein wesentliches Ergebnis der Studie „From nature experience to pro-conservation action: How generational amnesia and declining nature-relatedness shape behaviour intentions of adolescents and adults“. Unter Leitung von Prof. Dr. Tanja Straka und Prof. Dr. Ingo Kowarik wurde erstmals systematisch untersucht, wie sich Jugendliche, junge Erwachsene und ältere Erwachsene hinsichtlich ihres Naturkontakts, der Artenkenntnis, der Naturverbundenheit und der Bereitschaft, sich für die Natur einzusetzen, unterscheiden. Durchgeführt wurde die Studie am Institut für Ökologie der TU Berlin. 

An der Studie nahmen insgesamt 600 Menschen teil: darunter 252 Berliner Jugendliche im Alter zwischen 15 und 17 Jahren sowie 215 junge Erwachsene zwischen 18 und 29 Jahren und 133 ältere Erwachsene zwischen 30 and 76 Jahren aus ganz Deutschland. 

Phänomen der Generationenamnesie

Eine weitere wichtige Erkenntnis: Trotz der Unterschiede zwischen den Altersgruppen bestand durchgängig eine direkte (oder indirekte) Verbindung zwischen Artenkenntnis, Naturverbundenheit und der Bereitschaft, sich für die Natur einzusetzen. Demnach fördert ein gutes Artenwissen die Naturverbundenheit, also die emotionale, kognitive und erfahrungsbezogene Verbundenheit mit der Natur. Ist diese erhöht, steigt wiederum die Bereitschaft, sich für die Natur einzusetzen. „Es lohnt sich also, die Artenkenntnis und Naturverbundenheit von Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu fördern. Dabei sollte auch die Chance genutzt werden, Wissen und Erfahrungen über Natur über Generationen hinweg weiterzugeben“, sagt Prof. Dr. Tanja Straka, die Erstautorin der Studie. Mittlerweile lehrt und forscht sie an der FU Berlin.

Wie notwendig das ist, belegen die abnehmenden Artenkenntnisse im Übergang von älteren zu jüngeren Teilnehmenden der Studie. Verschiedene Organismengruppen sind zudem unterschiedlich gut bekannt: Schmetterlinge weniger als Vögel, und Vögel weniger als Pflanzen. So können 73 Prozent der Jugendlichen die Brombeere richtig benennen, aber nur 29 Prozent die Elster und nur noch 3 Prozent den Tagfalter Kleiner Fuchs. Im Vergleich dazu erkennen immerhin 22 Prozent der älteren Erwachsenen diesen in Deutschland verbreiteten Schmetterling, 61 Prozent die Elster und 84 Prozent die Brombeere. Das bestätigt das Phänomen der ‚generational amnesia‘, das einen Verlust an Kenntnissen über die Natur im Übergang von älteren zu jüngeren Generationen annimmt. 

Den Tagfalter Kleiner Fuchs kennt kaum jemand

Insgesamt sollten die 600 Teilnehmenden zwölf Arten bestimmen: Bei der Gruppe der Vögel das Rotkehlchen, die Amsel, die Elster, den Haussperling. Als Schmetterlinge den Kleinen Kohlweißling, den Zitronenfalter, das Tagpfauenauge, den Kleinen Fuchs und bei den Pflanzen die Brombeere, die Brennnessel, die Silber-Birke sowie die Rosskastanie als wichtigen Stadtbaum. Die Arten, die über alle drei Gruppen hinweg am häufigsten richtig benannt wurden, waren Brennnessel (86 Prozent), Haussperling (67,3 Prozent) und Zitronenfalter (58,2 Prozent). Die Arten, die über alle drei Gruppen hinweg am seltensten richtig benannt wurden, waren die Rosskastanie (52,8 Prozent), die Elster (41,5 Prozent) und der Kleine Fuchs (10,8 Prozent). Keine der zwölf Arten wurde von allen Teilnehmenden richtig benannt. 

Weiterhin sollten die Teilnehmenden Angaben zur Häufigkeit ihrer Grünflächenbesuche machen sowie dazu, inwieweit sie sich mit der Natur verbunden fühlen und sich für sie einsetzen würden. Während es bei der Häufigkeit der Grünflächenbesuche keine Unterschiede zwischen den Altersgruppen gab, nahmen die Naturverbundenheit und die Bereitschaft, sich für die Natur einzusetzen, signifikant von älteren hin zu jüngeren Teilnehmenden ab. Der Wert für Naturverbundenheit sank von 3,98 auf 3,09, und der Wert für die Bereitschaft, sich für die Natur einzusetzen, betrug 3,76 bei älteren Erwachsenen, aber nur noch 2,82 bei Jugendlichen.

Veränderte Lebensstile von Kindern und Jugendlichen

„Der Schutz der biologischen Vielfalt ist eine Herausforderung für heutige und zukünftige Generationen – auf globaler wie lokaler Ebene. Viele Studien haben nachgewiesen, wie wichtig Naturerfahrungen, eine emotionale Verbindung zur Natur sowie Wissen über Tier- und Pflanzenarten sind, damit Menschen sich für die Natur einsetzen. Allerdings wurde auch gezeigt, dass aufgrund veränderter Lebensstile Kinder und Jugendliche häufig weniger Kontakt zur Natur haben und auch weniger als Erwachsene über Natur wissen. Damit wird die Befürchtung verbunden, dass sich zukünftige Generationen weniger für die Erhaltung der Natur einsetzen werden“, sagt Prof. Dr. Tanja Straka. 

Ein überraschendes Ergebnis der Berliner Studie kam bei der Auswertung der Häufigkeit des Grünflächenbesuchs zutage, ein etablierter Indikator für Naturerfahrungen. Anders als erwartet, gab es hier keine Unterschiede zwischen den Altersgruppen. „Die Bereitstellung von Grünflächen und anderen naturnahen Gebieten in Städten reicht nicht aus, wenn wir Naturerfahrungen und die damit verbundenen positiven Effekte für Naturverbundenheit und Einsatzbereitschaft für die Natur fördern wollen“, sagt Prof. Dr. Ingo Kowarik, der von 1999 bis 2021 das Fachgebiet Ökosystemkunde, insbes. Pflanzenökologie der TU Berlin leitete. Insofern lege die Berliner Studie, so der Ökologe, zwei Konsequenzen nahe: „Die erste ist, verstärkt Zugänge zur Kenntnis unterschiedlicher Organismengruppen zu vermitteln, vom Kindergarten bis hin zur universitären Ausbildung. Die zweite Schlussfolgerung: Besonders Kinder und Jugendliche sollten darin unterstützt werden, sich nicht nur im Grünen aufzuhalten, sondern dort auch über die Natur zu lernen und positive emotionale Erfahrungen mit Natur zu gewinnen.“ 


TU Berlin


Originalpublikation:

Straka, T.M., Glahe, C., Dietrich, U. et al. From nature experience to pro-conservation action: How generational amnesia and declining nature-relatedness shape behaviour intentions of adolescents and adults. Ambio (2025). doi.org/10.1007/s13280-025-02135-7

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Wissenschaft Politik & Gesellschaft Berlin
news-31915 Thu, 20 Mar 2025 11:51:45 +0100 VAAM-Forschungspreis 2025 an Kathrin Fröhlich: Wie Mikroben RNA nutzen, um sich an die Umgebung anzupassen https://www.vbio.de/aktuelles/details/vaam-forschungspreis-2025-an-kathrin-froehlich-wie-mikroben-rna-nutzen-um-sich-an-die-umgebung-anzupassen Für ihre Untersuchungen der Rolle regulatorischer RNA-Moleküle in Bakterien erhält Dr. Kathrin Fröhlich von der Universität Jena den Forschungspreis 2025 der Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie (VAAM). Mit neuen Methoden identifizierte und charakterisierte sie zahlreiche dieser Steuerungselemente. Sie ermöglichen Bakterien, sich auf kontinuierlich wechselnde Bedingungen einzustellen. Die ausgezeichneten Arbeiten helfen, Krankheitserreger besser zu verstehen und zu bekämpfen. Den mit 10.000 Euro dotierten Preis für herausragende aktuelle Arbeiten in der Mikrobiologie verleiht die VAAM auf ihrer Jahrestagung in Bochum am 23. März 2025 Ein Erreger von Lungenentzündungen, Klebsiella pneumoniae, ist in Kliniken weltweit durch seine ausgeprägte Antibiotikaresistenz gefürchtet. Dabei kann das Bakterium mit verschiedenen Tricks die Abwehrmechanismen immungeschwächter Patient/-innen umgehen. Kathrin Fröhlich entschlüsselt die Regulation der dafür zuständigen Gene mit kleinen RNAs.

Etwa ein Sechstel des bakteriellen Genoms wird in RNA übersetzt, die nicht für Proteine kodiert. Dazu gehören regulatorische RNA-Moleküle: Sie können die Bildung von Proteinen bremsen oder fördern, indem sie die Übersetzung der Information von der Boten-RNA (mRNA) blockieren oder verstärken. Fröhlich konnte eine Vielzahl dieser kleinen regulatorischen RNAs identifizieren und ihre Funktionen beschreiben. Sie beeinflussen beispielsweise die Zellteilung und in diesem Zusammenhang auch das Eindringen oder Abwehren von Antibiotika. Von besonderem Interesse sind die Einflüsse zugunsten von Antibiotika-Resistenzen. „Mit der Erforschung der in Klebsiella aktiven RNA-RNA-Netzwerke wollen wir dazu beitragen, diesen wichtigen Erreger zu verstehen und damit auch kontrollieren zu können“, so Fröhlich.

Die RNA-Steuerungsmechanismen untersucht Fröhlichs Arbeitsgruppe auch am Süßwasser-Bakterium Caulobacter crescentus. Denn die RNA-Kontrollmechanismen bestimmen die Fähigkeit von Mikroorganismen, sich an ihre Umgebung und wandelnde Bedingungen einzustellen, etwa an die Einstrahlung von UV-Licht oder die wechselnde Verfügbarkeit von Nährstoffen. Für ihre Forschung hat die Biotechnologin neue Methoden etabliert und in ihren Untersuchungen verfeinert. 

Die VAAM lobt Fröhlich als engagierte, hoch motivierte und exzellente Wissenschaftlerin. Sie sei international durch Veröffentlichungen und auf Konferenzen sehr sichtbar. „Mit vielen hochrangigen Publikationen, anspruchsvollen Drittelmittelförderungen und diversen Auszeichnungen hat sich die junge Wissenschaftlerin die Anerkennung der Mikrobiologie verdient“, so VAAM-Präsident Stefan Pelzer. Zudem sei sie in der Lehre und Ausbildung des Nachwuchses sehr engagiert, lobt das Preiskomitee und verweist auf die große Zahl betreuter Abschluss- und Doktorarbeiten. Zusätzlich engagiere Fröhlich sich in der Öffentlichkeitsarbeit, etwa in Kindergärten und Schulen.

VAAM


Hier finden Sie einen Beitrag in Biospektrum über die Arbeit von Frau Fröhlich 

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Fachgesellschaften Thüringen
news-31889 Thu, 20 Mar 2025 11:09:20 +0100 Insektizide: Neonikotinoide bedrohen Biodiversität stärker als gedacht https://www.vbio.de/aktuelles/details/insektizide-neonikotinoide-bedrohen-biodiversitaet-staerker-als-gedacht Die Auswirkungen von Neonicotinoiden auf Nicht-Zielinsekten wird drastisch unterschätzt, dies zeigt eine aktuelle Studie der Uni Hohenheim am Beispiel ökologisch wichtiger Weichwanzen. Das Insektizid Acetamiprid ist für bestimmte Insekten über 11.000-mal giftiger, als die vorgeschriebenen Empfindlichkeitstests, zum Beispiel an Honigbienen, vermuten lassen. Zu diesem Ergebnis kommt einer Studie, in der Forschende der Universität Hohenheim in Stuttgart die gravierenden Folgen dieses Insektizids für Nicht-Zielinsekten aufgedeckt haben. Im Fokus ihrer Untersuchungen standen Weichwanzen, eine ökologisch wichtige Insektengruppe, die besonders empfindlich auf Insektizide reagiert. Bereits geringe Mengen – wie sie durch Abdrift oder Oberflächenkontamination entstehen – führen zu massiven Rückgängen dieser empfindlichen Tiere. Das Fazit der Forschenden: Die aktuelle Risikobewertung von Pestiziden in Europa muss dringend reformiert werden, um langfristige Gefahren für Insektenpopulationen und die biologische Vielfalt auszuschließen.

Mit einem Kescher in der Hand streift Jan Erik Sedlmeier durch Äcker und Wiesen, den Blick aufmerksam auf das Gras gerichtet. Denn die „Beute“ des Doktoranden ist im Gegensatz zu Bienen oder bunten Schmetterlingen leicht zu übersehen: Weichwanzen (Miridae). Sie stehen stellvertretend für eine ganze Tiergruppe, pflanzenfressende Insekten, die im Ökosystem eine Schlüsselrolle einnehmen. Doch weltweit zeigen Studien Rückgänge in Biomasse, Vielfalt und Anzahl von Insekten, unter anderem durch den intensiven Einsatz von Insektiziden. 

Naturnahe Lebensräume sind zunehmend mit Pestiziden belastet – selbst in nicht landwirtschaftlich genutzten Gebieten und Naturschutzgebieten. Bislang gibt es nur wenige Studien, die die Auswirkungen von Pflanzenschutzmaßnahmen auf sogenannte Nicht-Zielinsekten, also andere als die zu bekämpfenden Arten, unter realen Feldbedingungen untersuchen.

Untersuchtes Acetamiprid ist einziges in EU zugelassenes Freiland-Neonikotinoid

Forschende der Universität Hohenheim haben nun in einer Reihe von Feld-, Gewächshaus- und Laborexperimenten untersucht, welchen Einfluss das Neonikotinoid-Insektizid Mospilan®SG (Wirkstoff: Acetamiprid) auf Weichwanzen haben kann. Acetamiprid wird weltweit neben anderen Neonikotinoiden eingesetzt, in der Europäischen Union ist es jedoch das einzige Neonikotinoid, das noch für den Einsatz im Freiland zugelassen ist. 

Mospilan®SG wird durch Sprühen ausgebracht und in Feldkulturen wie Raps und Kartoffeln, in Obstgärten, im Weinbau und in der Blumenzucht insbesondere gegen beißend-saugende Schädlinge eingesetzt. Als Nervengift wirkt Acetamiprid sowohl als Kontakt- sowie auch als systemisches Insektizid, da die Chemikalie von Pflanzen aufgenommen und in ihrem Gewebe verteilt werden kann. Pflanzenfressende Insekten nehmen die Substanz dann mit ihrer Nahrung auf. 

Untersuchte Weichwanzen stehen beispielhaft für vielseitige Insektenfamilien

Im Fokus der Untersuchungen standen Weichwanzen, da diese eine vielfältige und weit verbreitete Familie mit vielen pflanzenfressenden Insekten darstellt, die oft auf Gräser als Nahrungsquelle spezialisiert sind. „Die große Vielfalt und Häufigkeit dieser Gruppe lässt auf eine zentrale Funktion für das Ökosystem schließen“, sagt Prof. Dr. Georg Petschenka, Entomologe an der Universität Hohenheim. „Sie sind mit Sicherheit eine wichtige Nahrungsquelle für Vögel und eine Vielzahl räuberischer wirbelloser Tiere.“

Bei ihren Untersuchungen fokussierten sich die Forschenden auf drei in Deutschland häufig vorkommende Arten: Zweifleck-Weichwanze (Stenotus binotatus), die Langhaarige Dolchwanze oder Graswanze (Leptopterna dolabrata) und die Große Graswanze (Megaloceroea recticornis). Sie können als repräsentativ für pflanzenfressende Nicht-Ziel-Insekten betrachtet werden. 

Alarmierende Ergebnisse zeigen systematisch unterschätzte Gefahr

Die Ergebnisse alarmieren, weil sich das Neonikotinoid auf die Weichwanzen als Beispielinsekten um ein Vielfaches verheerender auswirkte, als Zulassungstests vermuten lassen. „Insektizide sollen gezielt gegen Schädlinge wirken und Nützlinge möglichst schonen, deshalb wurden Neonikotinoide zum Beispiel auch an Honigbienen getestet“, erläutert Jan Erik Sedlmeier. „Unsere Versuche zeigen jedoch, dass das Insektizid Acetamiprid für manche Weichwanzen über 11.000-mal toxischer ist als für Honigbienen.“

Zu diesem Ergebnis kamen die Forschenden durch Laborexperimente mit dem sogenannten LD50 Vergleich. Dabei wird untersucht, welche Dosis notwendig ist, um 50 Prozent der Individuen einer Population zu töten. 

Auch im Feldexperiment reagierten alle vorkommenden Weichwanzenarten sehr empfindlich auf das Neonikotinoid. So nahm ihre Anzahl nach nur zwei Tagen in Flächen, die Feldränder von behandelten Flächen simulierten um bis zu 92 Prozent ab. „Dabei werden an den Feldrändern geschätzt nur zwischen 30 und 58 Prozent der Pestizidmenge im Feld erreicht – Konzentrationen, die normalerweise nicht als derart gefährlich angesehen werden“, betont Jan Erik Sedlmeier.

Langfristige Gefährdung von Lebensräumen und ganzen Insektenpopulationen

Selbst bei Weichwanzen, die mit den Insektizid gar nicht unmittelbar in Berührung kommen, beobachteten die Forschenden starke Einbußen, wenn sie die Insekten auf Wirtspflanzen setzten, die zwei Tage zuvor mit nur 30 Prozent der üblichen Insektizidkonzentration behandelt worden waren. Die Zweifleck-Weichwanze überlebte in diesem Szenario gar nicht. 

Darüber hinaus konnten die Forschenden Rückstände des Wirkstoffs bis zu 30 Tage nach der Anwendung in den Geweben der behandelten Pflanzen nachweisen. Der Doktorand hebt die Problematik hervor: „Eine ständige Einwirkung von Neonikotinoiden kann somit nicht nur ganze Populationen von Weichwanzen drastisch verringern. Sie kann auch die Zusammensetzung von Insektengemeinschaften verändern, indem insektizidtolerantere Arten mit der Zeit dominieren könnten.“

Aktuelle Zulassungsverfahren erlauben keine guten Prognosen 

Auffällig war außerdem, dass die Sterblichkeit der Weichwanzen je nach Art stark variierte. Vor allem die kleinste der drei untersuchten Arten, die Zweifleck-Weichwanze, reagierte signifikant empfindlicher auf das Insektizid als die beiden anderen Arten. Ein weiterer alarmierender Befund: Bei zwei der getesteten Arten waren die Männchen 20-mal empfindlicher als die Weibchen.

„Idealerweise sollen sich moderne Insektizide möglichst zielgenau gegen konkrete Zielschädlinge richten und möglichst gegenüber Nicht-Zielinsekten weniger giftig sein. Die Ergebnisse zeigen jedoch, dass die Empfindlichkeit gegenüber Insektiziden selbst zwischen eng verwandten Arten sehr stark variiert. Wie giftig ein Insektizid gegenüber Nicht-Zielinsekten tatsächlich ist, lässt sich daher auf Basis vereinzelter Empfindlichkeitstests nur schwer vorherzusagen“, fasst Jan Erik Sedlmeier seine Ergebnisse zusammen.

Hinzu kommt, dass die Giftigkeit für pflanzenfressende Insekten derzeit noch gar nicht überprüft wird: „Das derzeitige EU-Registrierungsprotokoll für Insektizide verlangt zwar Empfindlichkeitstests für eine begrenzte Anzahl von Nicht-Zielinsekten, wie die Honigbiene, parasitische Wespen, Raubmilben und einzelne Vertreter von Käferfamilien. Doch ausgerechnet pflanzenfressende Insekten wurden weitgehend vernachlässigt, obwohl sie weltweit etwa 50 Prozent aller Insektenarten ausmachen“, bedauert Prof. Dr. Petschenka.

Fazit der Forschenden wirft grundlegende Fragen zur Risikobewertung auf

Angesichts der Verlängerung der Zulassung von Acetamiprid bis 2033 fordern die Forschenden eine grundlegende Reform des europäischen Risikobewertungssystems. 

Ein wichtiger Schritt ist die Ausweitung der Empfindlichkeitstests auf weitere Insektengruppen, darunter besonders auf pflanzenfressende Insekten.

Darüber hinaus müsse der bisherige Unsicherheitsfaktor in den Empfindlichkeitstests von 10 auf mindestens 1.000 angehoben werden, um artspezifische und geschlechtsspezifische Unterschiede angemessen zu berücksichtigen. Ebenso sollten Feldränder verstärkt geschützt werden, um die für das ökologische Gleichgewicht entscheidende Biodiversität langfristig zu sichern.

Besonders problematisch ist aus Sicht der Forschenden, dass in Deutschland Feldränder mit einer Breite von weniger als drei Metern aktuell nicht als schützenswerte Habitate gelten, obwohl sie als wichtige Rückzugsorte innerhalb moderner Agrarlandschaften fungieren. „Dadurch bleiben zahlreiche Lebensräume dieser Insekten ungeschützt, obwohl sie einer hohen Belastung durch Abdrift und Oberflächenkontamination ausgesetzt sind“, schließt der Experte.

Universität Hohenheim


Originalpublikation:

Sedlmeier, J.E., Grass, I., Bendalam, P. et al. Neonicotinoid insecticides can pose a severe threat to grassland plant bug communities. Commun Earth Environ 6, 162 (2025). doi.org/10.1038/s43247-025-02065-y

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Wissenschaft Baden-Württemberg