VBIO News http://example.com VBIO News de Copyright Wed, 10 Dec 2025 20:06:15 +0100 Wed, 10 Dec 2025 20:06:15 +0100 TYPO3 news-35130 Wed, 10 Dec 2025 12:55:01 +0100 Forschende züchten ozonresistente Reissorten https://www.vbio.de/aktuelles/details/forschende-zuechten-ozonresistente-reissorten Wichtiger Beitrag zur Ernährungssicherung in Zeiten des globalen Wandels – Reisanbau in in Ländern wie Bangladesch durch steigende Ozonbelastung gefährdet  Durch die Nutzung fossiler Brennstoffe ändert sich die Zusammensetzung unserer Atmosphäre und das kann auch das Pflanzenwachstum beeinträchtigen. Denn neben einem Anstieg der Konzentration des Treibhausgases CO2 nehmen weltweit auch die Ozonkonzentrationen zu. Dieses reaktive Gas schützt uns zwar in der Stratosphäre vor UV-Strahlung, in der unteren Atmosphäre schädigt es jedoch die menschliche Gesundheit und das Pflanzenwachstum. Besonders betroffen sind die bevölkerungsreichen und dicht besiedelten Länder Asiens wie etwa Bangladesch. Die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Michael Frei, Professur für Pflanzenbau und Ertragsphysiologie an der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU), hat nun ozonresistente Reissorten gezüchtet. Die Ergebnisse wurden in der renommierten Fachzeitschrift „Global Change Biology“ publiziert.

In früheren Studien haben Gießener Wissenschaftler um Prof. Frei bereits gezeigt, dass die Produktion von Reis, dem mit Abstand wichtigsten Grundnahrungsmittel für über 170 Millionen Menschen in Bangladesch, signifikant durch Ozonbelastung gefährdet ist. Ozon dringt in die Reisblätter ein, schädigt das Gewebe und führt über verminderte Photosynthese zu erheblichen Ertragseinbußen.

Nun präsentieren sie eine Lösung für dieses Problem: Der aus Bangladesch stammende Pflanzenzüchter Muhammad Shahedul Alam entwickelte am Institut für Pflanzenbau und Ertragsphysiologie der JLU neue Reissorten, die unter Ozonbelastung kaum oder keine Ertragseinbußen zeigen. Dazu verwendete er eine Züchtungsmethode, die als markergestützte Selektion bezeichnet wird. Bei dieser Technik werden gezielt Gene einer Spendersorte mithilfe molekularer Marker in bereits bestehende Hochleistungssorten eingekreuzt, um diesen zusätzliche Stresstoleranz zu verleihen. Das Gießener Forschungsteam nutzte hierfür Gene aus einer alten bengalischen Reissorte, die in Sorten eingekreuzt wurden, die sowohl bei Bäuerinnen und Bauern als auch bei Konsumentinnen und Konsumenten in Bangladesch sehr beliebt sind.

„Die Eleganz dieser Züchtungstechnik besteht darin, dass für die zahlreichen notwendigen Kreuzungsschritte und molekularen Analysen keine Feldflächen benötigt werden, sondern dass dies auch in unseren Gewächshäusern und Laboren an der JLU möglich ist“, so Prof. Frei. Die neu gezüchteten Linien wurden zunächst in Ozonbegasungsversuchen im Gewächshaus in Gießen und anschließend in einem Feldversuch in Bangladesch getestet. Das Ergebnis: Während herkömmliche Sorten unter Ozonbelastung Ertragseinbußen von bis zu 40 Prozent zeigen, wiesen die neu entwickelten Sorten kaum Einbußen oder sogar stabile Erträge auf.

Die Züchtung von ozonresistentem Reis sehen die Gießener Wissenschaftler als eine mittelfristige Lösung zur Ernährungssicherung in bevölkerungsreichen Ländern wie Bangladesch in Zeiten des globalen Wandels „Langfristig muss es unser Ziel sein, die Nutzung fossiler Brennstoffe und die damit einhergehende Luftverschmutzung zu reduzieren und damit die Ozonbelastung auch in Asien zu senken“, betont Prof. Frei.

Universität Gießen


Originalpublikation:

Alam MA, Islam MM, Do MK, Osimahon BO, Karki AK, Baburajan AI, Hartung M, Autarmat S, Feng Y, Wissuwa M, Frei M (2025) Ozone tolerant rice for air polluted environments. Global Change Biology, https://doi.org/10.1111/gcb.70631

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Wissenschaft Hessen
news-35129 Wed, 10 Dec 2025 12:48:15 +0100 Polyploide Zellen im Fokus – neues Werkzeug zeigt räumliche DNA-Verteilung in Geweben https://www.vbio.de/aktuelles/details/polyploide-zellen-im-fokus-neues-werkzeug-zeigt-raeumliche-dna-verteilung-in-geweben Seit Langem ist bekannt, dass manche Zellen innerhalb eines Gewebes einen besonderen Prozess durchlaufen, bei dem sie ihr gesamtes Genom vervielfältigen, ohne sich anschließend zu teilen. Dieser Vorgang wird als Endopolyploidie bezeichnet. Die Ploidie beschreibt dabei die Anzahl der Chromosomenkopien in einer Zelle; polyploide Zellen besitzen mehr als zwei Kopien jedes Chromosoms. Statt sich nach der Verdopplung ihres genetischen Materials in zwei Tochterzellen zu teilen, behalten diese spezialisierten Zellen die zusätzliche DNA und verbleiben als einzelne, vergrößerte Zellen. In Zusammenarbeit zwischen dem Formosa-Jordan-Labor des Max-Planck-Instituts für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln, dem Fox-Labor der Duke University und dem Roeder-Labor der Cornell University, beide in den USA, wurde eine neue rechnergestützte Pipeline entwickelt. Diese ermöglicht eine hochdurchsatzfähige Bestimmung der Ploidie, also der Anzahl der Chromosomenkopien, in verschiedenen Geweben anhand von Mikroskopbildern.
Endopolyploidie ist in der Natur weit verbreitet und kommt in pflanzlichen, tierischen und menschlichen Geweben vor. Diese natürliche Strategie ist für die Entwicklung oder Regeneration von Geweben unerlässlich. Sie wird jedoch auch mit Krankheiten wie Krebs in Verbindung gebracht.

Trotz ihrer großen Bedeutung ist noch immer unklar, was diesen Prozess auslöst, welche Zellen ihn durchlaufen und wie sein Auftreten im Gewebe räumlich reguliert wird. Entscheidend für das Verständnis von Wachstum, Regeneration und Krankheit ist daher die präzise Bestimmung, in welchen Zellen Endopolyploidie auftritt und wo sich diese Zellen innerhalb des Gewebes befinden. Bisher war eine solche Quantifizierung jedoch äußerst schwierig: Entweder kamen Methoden zum Einsatz, die die Gewebearchitektur zerstören, oder es war eine aufwendige manuelle Analyse jedes einzelnen Zellkerns erforderlich.

Mit der neuen Pipeline iSPy (Inferring Spatial Ploidy) ist es dem multidisziplinären, internationalen Team gelungen, diese langjährige Einschränkung zu überwinden.
iSPy ermöglicht es Forschenden, polyploide Zellen direkt in intaktem, lebendem Gewebe zu visualisieren und zu untersuchen.

iSPy ist eine automatisierte Pipeline mit hohem Durchsatz, die experimentelle Methoden mit fortschrittlicher Bildsoftwareanalyse kombiniert. Ausgehend von Mikroskopbildern identifiziert eine Segmentierungssoftware die Zellkerne und berechnet bestimmte Kernmerkmale wie das Kernvolumen. Aufbauend auf diesen segmentierten Bildern erkennt iSPy die polyploiden Zellkerne im gesamten Gewebe und erstellt detaillierte Karten ihrer räumlichen Anordnung. Es zeigte sich, dass iSPy in verschiedenen Situationen eingesetzt werden kann: bei der entwicklungsbedingten programmierten Endopolyploidie in der Blattentwicklung von Arabidopsis, in menschlichen Kardiomyozyten und bei der regenerationsinduzierten Polyploidie in der Fruchtfliege.

Somit ist iSPy ein leistungsstarkes und benutzerfreundliches Werkzeug zur Identifizierung und Analyse polyploider Zellen in verschiedenen Geweben unterschiedlicher Organismen. Erstmals können Forschende diese spezifischen Zellen nun über die Zeit hinweg eindeutig identifizieren, verfolgen und ihre Verteilung innerhalb der jeweiligen Gewebearchitektur effizient und im Hochdurchsatz analysieren.

Nicholas Russell, Author der Arbeit, sagt: „Die Identifizierung polyploider Zellen ohne die Zerstörung von Gewebe ist seit langem ein Wunsch der Fachwelt, und ich hoffe, dass diese Pipeline im Laufe der Jahre genutzt und angepasst werden kann, um bisher unbekannte räumliche und zeitliche Ploidie-Muster in vielen Organismen zu identifizieren.“ Pau Formosa-Jordan fügt hinzu: „Viele differenzierte Gewebe weisen räumliche Ploidie-Muster in verschiedenen Organismen auf, über die wir nur sehr wenig wissen. Unsere Pipeline wird hoffentlich dazu beitragen, zu verstehen, wie sich lebendes Gewebe entwickelt, altert oder nach Verletzungen repariert wird. Dies könnte neue Wege zum Verständnis bestimmter Krankheiten wie Krebs eröffnen.“

Die Arbeit ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit des „Polyploidy Integration and Innovation Institute“ (https://www.pi3biology.org/), einer neuen, von der National Science Foundation (NSF) finanzierten Initiative, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Entstehung, Funktion und Folgen von Polyploidie in verschiedenen Organismen zu erforschen.

Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung


Originalpublikation:

Nicholas J. Russell, Paulo B. Belato, Lilijana Sarabia Oliver, Archan Chakraborty, Adrienne H.K. Roeder, Donald T. Fox, Pau Formosa-Jordan: Spatial ploidy inference using quantitative imaging, Cell Reports Methods, 2025, doi.org/10.1016/j.crmeth.2025.101249

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Wissenschaft Nordrhein-Westfalen
news-35128 Wed, 10 Dec 2025 12:17:03 +0100 Was Rufen und Singen über Grönlandwale verrät https://www.vbio.de/aktuelles/details/was-rufen-und-singen-ueber-groenlandwale-verraet Grönlandwale scheinen sich unter dem Meereis nordwestlich von Spitzbergen fortzupflanzen, während sie das offene Wasser in der östlichen Framstraße als Durchzugsgebiet nutzen. Zu diesem Ergebnis kommen Forschende der Gruppe Ozeanische Akustik am Alfred-Wegener-Institut, die mit Unterwasserrekordern die Rufe von Grönlandwalen aufzeichneten und mittels künstlicher Intelligenz auswerteten. Sie veröffentlichen ihre Studie zur Habitatnutzung des Grönlandwals in Abhängigkeit von der Meereisbedeckung jetzt in der Fachzeitschrift Scientific Reports. Rufen Grönlandwale an einem Ort besonders abwechslungsreich und vielfältig, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es sich um ein Fortpflanzungsgebiet handelt. Die Art kommt ausschließlich im Arktischen Ozean vor, ist also dort endemisch. In den Weiten des teils eisbedeckten Nordpolarmeers haben Forschende aus der Gruppe Ozeanische Akustik am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) sogenannte Hydrophone installiert, die Unterwassergeräusche aufzeichnen. So können sie die Rufe der Tiere in abgelegenen Regionen erfassen, ohne selber vor Ort zu sein – und können anhand der akustischen Daten Rückschlüsse auf das Vorkommen und Verhalten ziehen.

In der Fachzeitschrift Scientific Reports veröffentlicht ein Team um Erstautorin Marlene Meister jetzt eine Studie über die Grönlandwal-Population rund um Spitzbergen. Diese Population wurde zu Zeiten des kommerziellen Walfangs massiv bejagt, so dass ihr Bestand von schätzungsweise 33.000 bis 65.000 Tieren auf nur noch wenige Hundert Individuen sank. Obwohl die Spitzbergen-Population seit den 1930er Jahren unter Schutz steht, zeigt sie bislang keine eindeutigen Anzeichen einer Erholung. Grönlandwale sind stark vom Rückgang des arktischen Meereises bedroht, da dieses für sie ein wichtiges Habitat ist: Hier finden sie vermehrt Nahrung und Schutz vor jagenden Orcas. „Verschwindet das Eis, verliert die Population einen zentralen Lebensraum“, sagt AWI-Biologin Marlene Meister. „Für die Tiere ist es vermutlich kaum möglich, weiter nach Norden auszuweichen, weil sie dort nur sehr begrenzt Nahrung finden.“ Gleichzeitig wird der Arktische Ozean durch das schwindende Eis für die Schifffahrt besser zugänglich. Dies wiederum verstärkt das Risiko, dass Lebensräume durch Lärm oder Öl verschmutzt werden oder Wale mit Schiffen kollidieren.

Um die Auswirkungen dieses Lebensraumverlusts besser einschätzen zu können, legten die Forschenden besonderes Augenmerk auf das Vorkommen und Verhalten der Grönlandwale in Gebieten mit verschiedenen Meereisbedingungen. „Beobachtungen zeigen, dass sich die Spitzbergen-Population verstärkt im Meereis aufhält, von der Eiskante bis hin zu mehreren Hundert Kilometern im Packeis, wo Öffnungen im Meereis den Tieren als Atemlöcher dienen“, so Marlene Meister. Deshalb untersuchte das Team der Ozeanischen Akustik zwei sehr unterschiedliche Regionen in der Framstraße (der Wasserstraße zwischen Grönland und Spitzbergen): Die erste Region lag nordwestlich von Spitzbergen in überwiegend eisbedecktem Wasser; hier werteten die Forschenden akustische Aufnahmen aus den Jahren 2022 und 2023 aus. Die zweite befand sich in der östlichen Framstraße in offenem Wasser, wo akustische Daten aus dem Zeitraum 2012 bis 2023 zur Verfügung standen. Die Audiodaten wandelten die Wissenschaftler:innen in Spektrogramme um und werteten sie auf Rufe von Grönlandwalen hin aus. Dafür nutzten sie ein Verfahren der künstlichen Intelligenz zur Bilderkennung, welches sie mit Spektrogramm-Beispielen von Grönlandwalrufen trainierten und dann zur Detektion der Rufe einsetzten. Die KI-detektierten Rufe untersuchte das Team anschließend genauer und konzentrierte sich dabei auf die Region nordwestlich von Spitzbergen, wo zwischen Oktober und April Gesang auftrat.

Den Grönlandwal-Gesang haben die Forschenden manuell in einzelne Songs (also in Abschnitte, die hohe Ähnlichkeiten aufwiesen) unterteilt und ihr zeitliches Auftreten in Zusammenhang mit den Meereisbedingungen analysiert. Nordwestlich von Spitzbergen konnten so insgesamt zwölf verschiedene Songs detektiert werden, die jeweils über mehrere Tage bis Wochen auftraten. Ab Oktober nahm die Anzahl unterschiedlicher Songs pro Monat zu und erreichte im Februar mit acht verschiedenen Songs ihren Höhepunkt. „Eine mögliche Erklärung ist, dass im Februar mehr Tiere in der Region anwesend waren und jeweils unterschiedliche Songs produzierten, sodass die Song-Diversität anstieg. Auch denkbar ist, dass einzelne Tiere im Februar vielfältiger gesungen haben, was ihnen einen reproduktiven Vorteil verschaffen könnte, etwa wenn Weibchen diejenigen Männchen bevorzugen, die ein besonders großes Song-Repertoire haben.“ Der Anstieg der Song-Vielfalt fiel mit einem regionalen Rückgang des Meereises in einer Grenzregion des untersuchten Gebietes zusammen. Im Dezember befand sich der Rekorder unter dem Meereis bis zu 200 Kilometer von der Meereiskante entfernt, im Februar lag er nach dem Rückzug des Eises jedoch direkt an der Eiskante. „Die enge Verbindung zwischen Song-Diversität und Distanz zur Eiskante war für uns ein überraschendes Ergebnis“, sagt Marlene Meister.

In der zweiten untersuchten, eisfreien Region gab es lediglich Rufe und keine Gesänge. Die AWI-Biologin erläutert: „Grönlandwale haben sich also auch regelmäßig in der eisfreien östlichen Framstraße aufgehalten, der Grund für ihre Anwesenheit ist allerdings weiterhin offen. Möglicherweise durchqueren die Tiere das Gebiet nur und rufen dabei, um den Kontakt zueinander zu halten. Dass wir dort keine Gesänge detektiert haben, spricht zudem dagegen, dass es sich um ein Fortpflanzungsgebiet handelt.“ Studien wie die Aktuelle tragen dazu bei, das Wanderungsverhalten von Grönlandwalen zu verstehen und zentrale Gebiete wie Nahrungs- oder Fortpflanzungsstätten zu identifizieren, damit Schutzmaßnahmen möglichst wirksam greifen können. 

OPUS - Das offene Portal zu Unterwasser Klanglandschaften
Unterwasserklänge unterschiedlichster Art hat die Arbeitsgruppe Ozeanische Akustik auf ihrem Portal OPUS (Open Portal to Underwater Soundscapes: https://opus.aq) veröffentlicht. OPUS stellt Langzeit-Daten bereit, die Forschende bei ihren Untersuchungen in Arktis, Antarktis und anderswo aufgezeichnet haben - von singenden Walen, rufenden Robben und sich bewegenden Eismassen unter Wasser bis hin zu vom Menschen verursachtem Lärm. Hier können nicht nur Forschende, sondern auch alle Interessierten den Klängen aus den Ozeanen lauschen.

Auf Basis dieser akustischen Langzeitdaten veröffentlichten Forscherinnen des Alfred-Wegener-Instituts bereits im Oktober 2025 eine Studie in JASA Express Letters. 
Darin zeigen sie, dass es regionale Unterschiede in den Songs antarktischer Finnwale gibt. Diese Unterschiede können als akustische Marker benutzt werden - also dazu, verschiedene Populationen derselben Art akustisch voneinander zu unterscheiden. Ihre Ergebnisse können dazu beitragen, akustische Finnwalpopulationen im Südlichen Ozean langfristig besser zu beobachten und ihre Verbreitung genauer zu verstehen – eine wichtige Grundlage für internationale Managementpläne, um Finnwale in einem sich verändernden Ozean gezielter zu schützen.

Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung 


Originalpublikation: 

Svenja Wöhle, Laura Paker, Elke Burkhardt, Ilse Van Opzeeland, Elena Schall; Shifts in acoustic signature of Southern Hemisphere fin whales: Declining peak frequency of high-frequency components. JASA Express Lett. (2025): 101201.DOI: https://doi.org/10.1121/10.0039500

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Wissenschaft Bremen
news-35127 Wed, 10 Dec 2025 12:10:06 +0100 Neue Bestandsaufnahme zeigt: Deutschlands Gentechnikforschung steht unter Druck - bietet aber enormes Potenzial https://www.vbio.de/aktuelles/details/neue-bestandsaufnahme-zeigt-deutschlands-gentechnikforschung-steht-unter-druck-bietet-aber-enormes-potenzial Die neue Broschüre „Im Fokus: Forschungshemmnisse und -chancen in Deutschland“ der Arbeitsgruppe Gentechnologiebericht am Berlin Institute of Health in der Charité (BIH) zeigt, dass zahlreiche gesetzliche und administrative Hürden die Entwicklung moderner Gentechnik und Biotechnologie in Deutschland bremsen. Gleichzeitig wird deutlich, dass die Forschung hierzulande über enorme wissenschaftliche Stärken verfügt, die durch gezielte politische Reformen erheblich besser genutzt werden könnten.  Deutschland zählt international weiterhin zu den Ländern mit besonders strengen Vorgaben für gentechnologische Forschung. Lange Genehmigungsverfahren, komplexe Verwaltungsabläufe und teilweise veraltete gesetzliche Regelungen führen dazu, dass innovative Projekte nur langsam realisiert oder gar nicht erst gestartet werden. Dies betrifft die Arbeit mit gentechnisch veränderten Organismen ebenso wie Freilandversuche, die Nutzung sensibler Daten oder die Forschung an embryonalen Stammzellen. Auch die Translation von der Grundlagenwissenschaft in praktische Anwendungen wird durch rechtliche Unsicherheiten erschwert – mit negativen Folgen für den Forschungs- und Biotech-Standort.  

Gleichzeitig zeigt die Broschüre, dass Deutschland über eine leistungsfähige Forschungslandschaft verfügt, die international stark positioniert ist. Besonders dynamisch entwickeln sich Alternativmethoden zu Tierversuchen wie die Organoidforschung (Organoide sind organähnliche Strukturen, die durch Zellkulturtechniken gewonnen werden), ebenso wie die synthetische Biologie und datengetriebene biomedizinische Ansätze. Auch die industrielle Biotechnologie als zentrales Feld der deutschen Bioökonomie bietet große Chancen für nachhaltige Produktionsprozesse und klimafreundliche Innovationen. Die Autor*innen betonen, dass diese Potenziale nur dann vollständig ausgeschöpft werden können, wenn die bestehenden gesetzlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen modernisiert werden.  

Die Broschüre zeigt zudem auf, in welchen Bereichen gentechnologische Forschung entscheidende Beiträge leisten kann: von Gen- und Zelltherapien und personalisierter Diagnostik in der Medizin über klimaresistente Pflanzen in der Landwirtschaft bis hin zu biobasierten Materialien für Klimaschutz und Kreislaufwirtschaft. Viele dieser Entwicklungen stehen kurz vor der Anwendung, können sich in Deutschland jedoch nur eingeschränkt entfalten.  

Um diese Hemmnisse abzubauen, empfiehlt die Arbeitsgruppe Gentechnologiebericht eine umfassende Aktualisierung der Rechtsgrundlagen sowie Deregulierung der gentechnologischen Forschung. Dazu zählen die Reform des Stammzellgesetzes, die Modernisierung des Gentechnikrechts und eine Vereinheitlichung von Verwaltungsprozessen. Bürokratische Abläufe sollten insbesondere im niedrigen Risikobereich deutlich vereinfacht werden, um Effizienz und Planungssicherheit für Forschende zu erhöhen. Ein evidenzbasierter, innovationsfreundlicher Rechtsrahmen sei entscheidend, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands langfristig zu sichern.  

Die Bestandsaufnahme kommt zu dem Fazit, dass Deutschland zwar vor strukturellen Herausforderungen steht, gleichzeitig aber über starke Forschungseinrichtungen und enormes Innovationspotenzial verfügt. Werden die politischen Weichen richtig gestellt, könnte das Land eine führende Rolle in der globalen Biotechnologie einnehmen.

Berlin Institute of Health in der Charité 


Im Fokus: Forschungshemmnisse und -chancen in Deutschland. Eine aktuelle Bestandsaufnahme der Arbeitsgruppe Gentechnologiebericht, http://dx.doi.org/10.17169/refubium-48464

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Wissenschaft Politik & Gesellschaft Berlin
news-35126 Wed, 10 Dec 2025 12:05:47 +0100 Nadelbäume zwischen Adventsglanz und Asphalt https://www.vbio.de/aktuelles/details/nadelbaeume-zwischen-adventsglanz-und-asphalt Was der Klimawandel für unseren Weihnachtsbaum bedeutet und weshalb Nadelbäume Chancen für die Straßenbepflanzung bieten. Pflanzenforscher Norbert Kühn im Interview  Wie geht es der Nordmanntanne in Zeiten des Klimawandels und warum könnten Nadelbäume bald wieder das Stadtbild prägen? Diese Fragen beantwortet Pflanzenforscher Prof. Dr. Norbert Kühn von der TU Berlin im Interview. Kühn beschreibt die Nordmanntanne als traditionellen, aber zunehmend anspruchsvollen Weihnachtsbaum: Sie brauche viel Wasser, reagiere empfindlich auf Trockenheit und werde daher schwieriger anzubauen. Dennoch bleibe sie beliebt – dank ihres makellosen Wuchses und ihrer dichten, tiefgrünen Nadeln. Nachhaltigere Alternativen nennt Kühn ebenfalls: etwa Zweige von Douglasie oder Weymouth-Kiefer, die ohne Baumfällung mit ihrem angenehmen Duft festliche Atmosphäre schaffen. Von Weihnachtsbäumen in Töpfen rät er hingegen ab. 

Libanon- oder Atlas-Zedern als Straßenbäume
Im zweiten Teil des Gesprächs richtet Kühn den Blick auf die Städte. Klassische Straßenbäume litten unter Hitze und Trockenheit; mediterrane Nadelgehölze hingegen könnten laut seiner Studie die Lücken schließen. Arten wie Libanon- oder Atlas-Zedern sowie robuste Kiefern und Tannen aus mediterranen Gebirgen eigneten sich für breite Straßenräume und brächten Struktur und Wintergrün in die Stadt. Voraussetzung sei jedoch mehr Platz und damit weniger Verkehr.

Lesen Sie das vollständige Interview mit Prof. Dr. Norbert Kühn: https://www.tu.berlin/go302131/

TU Berlin

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Wissenschaft Berlin
news-35125 Wed, 10 Dec 2025 11:58:24 +0100 Wie sich Mikrotubuli an der zellulären Signalverarbeitung beteiligen https://www.vbio.de/aktuelles/details/wie-sich-mikrotubuli-an-der-zellulaeren-signalverarbeitung-beteiligen Mikrotubuli sind an der Kommunikation in der Zelle aktiv beteiligt, indem sie empfangene Signale an die Funktionseinheiten der Zelle weiterleiten. Forschende des Paul Scherrer Instituts PSI und des Departements Biomedizin der Universität Basel haben nun erstmals strukturell aufgeklärt, wie diese Proteinstränge des Zellskeletts dies genau bewerkstelligen. Das könnte helfen, in diese Kommunikation einzugreifen und zum Beispiel Tumorwachstum zu verhindern. Ob Zellteilung, -differenzierung, -beweglichkeit oder programmierter Zelltod – verschiedenste Funktionen einer Körperzelle im menschlichen Organismus werden über Signalproteine innerhalb der Zelle gesteuert. Auch die Immunabwehr und das Auslesen von Erbinformationen. Ursprünglich gelangen die Befehle von aussen etwa in Form von Hormonen, Zytokinen oder Wachstumsfaktoren an die Zellmembran, binden dort an entsprechende Rezeptoren und werden dann in Signalproteine übersetzt, die den Befehl ins Zellinnere weitergeben. Über mehrere Stufen gelangt das Signal so auch zu den Mikrotubuli. 

Mikrotubuli sind zentrale Proteinstränge des Zellskeletts. Ähnlich wie das Knochenskelett des Menschen den Körper stützt, stützt das Zellskelett die Zelle. Allerdings übernimmt es auch weitere Funktionen. Versteht man die Zelle als eine Stadt, so bilden Mikrotubuli darin sozusagen die Hauptstrassen, die die wichtigen Gebäude (entsprechend den Organellen wie Zellkern, Mitochondrien und Ribosomen) miteinander verbinden und den Transport von Waren (Biomolekülen) zwischen ihnen ermöglichen. 

Mit dem Unterschied, dass Mikrotubuli dynamisch sind: Ständig bauen sie neue Verbindungen auf und alte wieder ab, wodurch sie sich neu anordnen. Bisher wurde angenommen, dass Mikrotubuli lediglich Empfänger innerhalb der Zellkommunikation sind, die auf solche Befehle reagieren, indem sie ihre Dynamik und ihre Organisation verändern. Doch tatsächlich erfüllen sie auch die Funktion der Weiterleitung von Signalen an andere Empfänger. So aktivieren sie bei Andocken eines solchen Proteins Signalwege für bestimmte Zellfunktionen wie Immunabwehr und Zellteilung, die von elementarer Bedeutung für den Organismus sind. Täten sie dies nicht, kämen gewisse Befehle nicht an ihrem Ziel an und die Zellen würden nicht funktionieren. Das haben Studien schon vor einigen Jahrzehnten gezeigt.

Bis zuletzt unklar blieb jedoch, wie diese Weiterleitung der Signale durch die Mikrotubuli auf molekularer Ebene abläuft. Und dies konnte ein Team vom Zentrum für Life Sciences des PSI um Erstautor Sung Choi und Projektleiter Michel Steinmetz nun am Beispiel eines Signalproteins namens GEFH1 aufklären – in enger Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von Alfred Zippelius vom Departement Biomedizin der Universität Basel.

Wie der Prozess funktioniert 

GEFH1 steht für Guanine Nucleotide Exchange Factor H1 und ist ein schon recht gut untersuchtes Signalprotein, das den sogenannten RhoA-Signalweg aktiviert. Allein schon dieser Signalweg – und er ist nur einer von vielen – löst eine ganze Kaskade zellulärer Prozesse aus, die unter anderem die Zellteilung steuern oder die Beweglichkeit der Zelle, sodass sie etwa an der Wundheilung teilnehmen kann.

Sobald GEFH1 an die Mikrotubuli erreicht, dockt es an und wird inaktiviert. Mithilfe von Kryo-Elektronenmikroskopie, biochemischen und zellbiologischen Untersuchungen konnte das PSI-Team nun nachweisen, dass diese Bindung nur durch einen ganz bestimmten molekularen Teil des aus vielen Aminosäuren bestehenden Proteins erfolgt, die sogenannte „C1-Domäne“. «Wir haben biotechnologisch Fragmente von GEFH1 hergestellt und getestet, welche in der Lage sind, an Mikrotubuli zu binden», berichtet Sung Choi. «Und wir haben Varianten von GEFH1 mit mutierten Andockstellen gebaut und diese in Zellen eingebracht, um zu sehen, ob sie sich verbinden. So konnten wir eindeutig klären, dass allein die C1-Domäne für die Bindung sorgt.» Und zwar an genau vier Tubulinen – den speziellen Proteinen, aus denen die Stränge des Mikrotubulus bestehen. GEFH1 setzt sich mit der C1-Domäne zwischen diesen in eine Aussparung wie ein Stopfen in ein passendes Loch. Dies offenbarte das Kryo-Elektronenmikroskop.

Freigesetzt wird das Signalprotein, wenn der Mikrotubulus sich im Rahmen der üblichen Dynamik wieder auflöst und der Tubulinstrang an der Stelle, wo es sitzt, auseinanderfällt. Dadurch wird der RhoA-Signalweg aktiviert, um weitere zelluläre Prozesse einzuleiten.

Neues Werkzeug für die Medizin

Die Ergebnisse der Studie dienen vor allem dem grundlegenden Verständnis zellulärer Prozesse. «Sie vervollständigen unser Bild von den Signalkaskaden, die durch Botenstoffe wie Hormone und Zytokine in der Zelle ausgelöst werden», sagt Michel Steinmetz. «Als aktives Element in diesem Mechanismus bekommen Mikrotubuli da nochmal einen höheren Stellenwert.» Darüber hinaus biete uns die genauere Kenntnis der Vorgänge neue Möglichkeiten in der Medizin. Schon heute gibt es Wege, Rezeptoren für gewisse Signalproteine an der Zellmembran zu blockieren, um zum Beispiel das wuchernde Zellwachstum bei Krebs zu verhindern oder in anderen Fällen auch die Bindung zu fördern und so etwa die Immunabwehr zu stärken. Solche Eingriffsmöglichkeiten könnte man nun womöglich auch auf der Ebene der C1-Domäne und der Mikrotubuli entwickeln. «Wir hätten dann ein zusätzliches Werkzeug, um bei Fehlfunktionen einzugreifen», sagt Sung Choi.

Diese Erkenntnis lässt sich wahrscheinlich auf viele andere Signalproteine und -wege übertragen: «Andere Signalproteine, von denen es neben GEFH1 unzählige weitere gibt, sind zwar anders aufgebaut», erklärt Michel Steinmetz. «Aber viele von ihnen verfügen ebenfalls über eine C1-Domäne und binden damit an die Mikrotubuli.» Entsprechend gross wären die medizinischen Eingriffsmöglichkeiten, indem man die C1-Domäne-Bindung blockiert oder fördert. Ein besonders relevantes Beispiel dafür ist das tumorsuppressive Protein RASSF1A, dessen Interaktion mit den Mikrotubuli über die C1-Domäne ebenfalls im Rahmen der Studie nachgewiesen wurde. RASSF1A zählt zu den bekanntesten Tumorsuppressorgenen und ist bei mehr als 40 Krebsarten des Menschen häufig inaktiviert – darunter Lungen-, Brust-, Prostata-, Gliom-, Neuroblastom-, multiples Myelom- sowie Nierenkrebs. Dies verdeutlicht die therapeutische Relevanz des C1-Domänen-Mechanismus.

Allerdings gibt es auch Signalproteine, die an Mikrotubuli binden, ohne dass sie über eine C1-Domäne verfügen. «Wie sie das machen, wollen wir in weiteren Studien herausfinden», sagt Michel Steinmetz. «Dazu haben wir ja jetzt eine Pipeline an Tests und Verfahren entwickelt, die sich übertragen lässt, um weiteren Mechanismen auf die Spur zu kommen.»
 

Paul Scherrer Institut PSI


Originalpublikation:

Choi et al., Structural basis of microtubule-mediated signal transduction, Cell (2026), www.cell.com/cell/pdf/S0092-8674(25)01307-8.pdf

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Wissenschaft International
news-35124 Wed, 10 Dec 2025 11:05:46 +0100 AK Tierversuche im VBIO kommentiert Versuchstierzahlen https://www.vbio.de/aktuelles/details/ak-tierversuch-eim-vbio-kommentiert-versuchstierzahlen Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat jüngst die Versuchstierzahlen für das Jahr 2024 veröffentlicht. Demnach ist die Zahl der Versuchstiere in Deutschland 2024 weiter zurückgegangen. Die Anzahl der in Tierversuchen eingesetzten Tiere sank erneut deutlich um rund 9 % auf 1.327.931 Tiere. Dies ist erfreulich, kann aber nicht direkt auf den verstärkten Einsatz von Alternativmethoden zurückgeführt werden, stellt der Sprecher des AK Tierversuche im VBIO, Prof. Dr. Thomas Korff, klar. Der fortgesetzte Rückgang von Versuchstierzahlen in Deutschland wird politisch als Erfolg von Alternativmethoden dargestellt, ist jedoch vermutlich eher Ausdruck regulatorischer Unsicherheiten, bürokratischer Hürden und gesellschaftlicher Ablehnung. Aus unserer Sicht besteht Anlass zur Sorge, dass der Rückgang im Wesentlichen auf strukturelle Standortprobleme für die Forschung hinweist, und nur bedingt auf Fortschritte der Wissenschaft im Bereich der Alternativmethoden zurückgeführt werden kann. Die tatsächlichen Ursachen des Rückgangs sind unklar und vielfältig und ob Versuchstiere global dadurch profitieren, bleibt fraglich. 

Seit 2022 sinkt die Zahl der verwendeten Versuchstiere in Deutschland von Jahr zu Jahr (GER 2022/23 -11%; 2023/24 –9%). An anderen bedeutenden biowissenschaftlichen Forschungsstandorten (z.B. UK: 2022/23 -1,6%; 2023/24 -3%) geschieht dies deutlich moderater. Während die Politik dies v.a. als Erfolg der Förderung von „Alternativmethoden“ verbucht, schaut die biowissenschaftliche Forschungsgemeinschaft in Deutschland mit Sorge auf die weiterhin bestehenden (EU-weit einzigartigen) rechtlichen Unsicherheiten und den föderal uneinheitlichen, aber in jedem Fall erheblichen, bürokratischen Aufwand für die Durchführung von Tierversuchen, die ebenso Gründe für sinkende Versuchstierzahlen sein können wie Furcht vor gesellschaftlicher Ablehnung (siehe auch hier)

Mit Blick auf die angeblich breite Verfügbarkeit von „Alternativmodellen“, ist anzumerken, dass solche nur dann diese Bezeichnung verdienen, wenn sie tatsächlich als Alternative für definierte Tierversuche fungieren, diese also ersetzen können und damit zur Erhebung gleich(wertig)er Parameter genutzt werden können. Eine bloße Koexistenz von Alternativmodellen und Tierversuchen hat per se keinen Einfluss auf Versuchstierzahlen. Auch wird sich die wissenschaftliche Beweisführung und die Beurteilung der Relevanz biowissenschaftlicher Erkenntnisse auf internationaler Ebene nicht über Nacht ändern, nur, weil hierzulande eine andere Methodik bevorzugt wird.

Würde die Minderung der Versuchstierzahlen tatsächlich auf einem wissenschaftlich belegten Wandel in der Methodik beruhen und nicht aus einer Einschränkung der grundgesetzlich garantierten Freiheit der Wissenschaft resultieren, wäre das neue Zahlenwerk ein vortrefflicher Beleg von Innovationskraft. Zweifel daran sind jedoch begründet. Im Lichte dieser Betrachtung sollte sehr kritisch geprüft werden, ob in Deutschland wirklich Ersatzmethodik die Versuchstierzahlen mindert, oder dies Ausdruck größerer Standortprobleme ist

(VBIO)

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VBIO Wissenschaft Bundesweit
news-35123 Wed, 10 Dec 2025 10:57:56 +0100 Anhaltender Rückgang: Erstmals seit Jahrtausendwende weniger als 2 Millionen Versuchstiere in Deutschland https://www.vbio.de/aktuelles/details/anhaltender-rueckgang-erstmals-seit-jahrtausendwende-weniger-als-2-millionen-versuchstiere-in-deutschland Die Zahl der Versuchstiere in Deutschland ist im Jahr 2024 weiter zurückgegangen. Die Anzahl der in Tierversuchen eingesetzten Tiere sank erneut deutlich um rund 9 % auf 1.327.931 Tiere. Das geht aus den Versuchstierzahlen hervor, die das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) aktuell veröffentlicht hat. Die Initiative Tierversuche verstehen hat die Daten analysiert.  Auch die Zahl der zusätzlich für wissenschaftliche Zwecke getöteten Tiere, die nicht in Tierversuchen eingesetzt waren, sank um rund 7 % auf 626.538. Diese Tiere werden eingesetzt zum Beispiel zur Entnahme von Organen, Gewebeteilen und Zellen zur Herstellung von Zellkulturen und anderen tierversuchsfreien Forschungsmethoden. Zusammen ergibt sich eine Versuchstierzahl von 1.954.469 Tieren, die für wissenschaftliche Zwecke genutzt wurden. 

Damit liegt die Zahl der Versuchstiere in Deutschland so niedrig wie seit dem Jahr 2000 nicht mehr; sie befindet sich erstmals seit der Jahrtausendwende unter der Marke von 2 Millionen Tieren.

„Die Bemühungen der Wissenschaft, Tierversuche konsequent zu reduzieren, wirken. Das ist gut! Doch der anhaltende, drastische Rückgang verstärkt unsere Sorge, dass der Forschungsstandort Deutschland geschwächt/bedroht wird: Handelt es sich um eine echte, wünschenswerte Reduktion - oder sind hier Faktoren am Werk, die einen sinnvollen und unerlässlichen Einsatz von Tieren in der Forschung strukturell behindern?", gibt Prof. Stefan Treue, Sprecher der Initiative Tierversuche verstehen, zu bedenken. Zwar gebe es keine eindeutige Statistik hinsichtlich einer möglichen Abwanderung tierversuchsbasierter Forschung in andere Länder. Doch die Berichte von Forschenden, die den Aufwand einer überbordenden Bürokratie in Deutschland scheuen, würden sich immer weiter mehren. „Das Problem, das wir im vergangenen Jahr erstmals benannt haben, verschärft sich ganz offensichtlich”, so Treue. Eine Verlagerung von Tierversuchen in andere Länder wie etwa China, Indien oder Südkorea sei kein Gewinn für den Tierschutz. „Es ist vielmehr ein wachsendes Problem für den Forschungsstandort Deutschland", betont Treue.

Tatsächlich stellte jüngst die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) in einer Stellungnahme fest: Ausufernde Bürokratie, massive Verzögerungen und rechtliche Unsicherheiten behindern die Forschung – ohne einen Zugewinn an Tierschutz. Eine begleitende Pilotstudie belegt dies erstmals mit Zahlen.

 

Auch der Verband der Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland e.V. (VBIO) sieht den Rückgang skeptisch: „Aus unserer Sicht besteht Anlass zur Sorge, dass der Rückgang im Wesentlichen auf strukturelle Standortprobleme für die Forschung hinweist, und nur bedingt auf Fortschritte der Wissenschaft im Bereich der Alternativmethoden zurückgeführt werden kann. Die tatsächlichen Ursachen des Rückgangs sind unklar und vielfältig und ob Versuchstiere global dadurch profitieren, bleibt fraglich“, so Prof. Thomas Korff, Vorsitzender des Arbeitskreises für wissenschaftliche Tierversuche beim VBIO. (siehe auch hier)


Weitere Befunde
Auch Zahl der nicht verwendbaren Tiere geht weiter zurück
Die Statistik enthält seit 2021 auch Angaben über Tiere, die gezüchtet und getötet, aber nicht für wissenschaftliche Zwecke verwendet wurden. Die Zahl dieser nicht verwendbaren Tiere sank ebenfalls – im Vergleich zum Vorjahr um 19 % auf 1.109.100 Tiere (2023: 1.373.173).

„Für bestimmte Fragestellungen müssen Versuchstiere gezüchtet werden, die neue genetische Eigenschaften besitzen. Dabei entstehen unvermeidbar infolge der Mendelschen Regeln auch Tiere, die nicht diese gewünschten Eigenschaften haben – aber eben immer weniger“, erläutert Treue. Gründe seien neben dem Rückgang bei den Versuchstieren unter anderem verbesserte Zuchtstrategien sowie präzisere Versuchsplanung, aber auch die Verlagerung von Zuchten ins Ausland.

Ungebrochener Trend: Immer weniger Tests an Tieren
Auch der Umfang der gesetzlich vorgeschriebenen Versuche – etwa zur Prüfung von Medikamenten oder Chemikalien – ist von einem weiter anhaltenden Rückgang geprägt. Hier ging die Zahl der Tiere erneut um rund 10 % zurück. Dazu trugen laut der Initiative Tierversuche verstehen auch der stetig zunehmende Einsatz von tierversuchsfreien Technologien bei.

Anhaltende Reduktion 
Während die Versuchstierzahlen nun das fünfte Jahr in Folge sinken, blieb die Forschungsförderung weiter auf hohem Niveau. So erhöhte die Bundesregierung etwa die Ausgaben im Bereich Gesundheitsforschung in den vergangenen zehn Jahren von 1,96 Milliarden Euro im Jahr 2014 auf nun 3,18 Milliarden Euro – ein Plus von 60 %. Treue erläutert: „Trotz steigender Forschungsinvestitionen und wachsendem wissenschaftlichem Output nimmt die Zahl der Versuchstiere seit Jahren ab. Die Reduktion ist nun seit fünf Jahren so deutlich, dass sie nicht nur im Verhältnis zum Forschungswachstum, sondern auch absolut an den sinkenden Tierzahlen klar erkennbar ist.” 

Häufigstes Versuchstier bleibt die Maus
Wie in Vorjahren sind Mäuse, Ratten und Fische mit einem Anteil von insgesamt 94 % weiterhin die mit Abstand am häufigsten eingesetzten Versuchstiere. Etwa die Hälfte aller eingesetzten Versuchstieren ist genetisch verändert. Die ohnehin niedrige Zahl von Primaten in Tierversuchen ging 2024 noch einmal deutlich zurück (-34 %). 
Bei der Verteilung der Belastung von Versuchstieren gab es keine nennenswerten Veränderungen. So sank auch die Zahl der schwer belasteten Versuchstiere erneut und lag erstmals unter 50.000 Tieren.

Reduktion weiter erklärtes Ziel
Die Reduktion von Tierversuchen ist ein erklärtes Ziel der Forschung. Sie bleibt jedoch zugleich eine komplexe Herausforderung, solange für bestimmte wissenschaftliche Fragestellungen noch keine gleichwertigen Alternativen zur Verfügung stehen. Welche Abwägungen Forschende dabei treffen und warum sie sich in konkreten Fällen für Tierversuche entscheiden, zeigt eine Sammlung von mehr als 200 Zitaten von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auf der Website von Tierversuche verstehen 

(Informationsinitiative "Tierversuche verstehen“, VBIO)

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VBIO Wissenschaft Bundesweit
news-35072 Tue, 09 Dec 2025 16:56:58 +0100 Wie sich Bakterien feindlichen Angriffen widersetzen https://www.vbio.de/aktuelles/details/wie-sich-bakterien-feindlichen-angriffen-widersetzen Mit einer molekularen Harpune räumen einige Bakterien ihre Rivalen aus dem Weg. Sie injizieren ihnen damit einen tödlichen Cocktail. Forschende haben nun herausgefunden, dass sich manche Bakterien vor dem Giftcocktail der Angreifer schützen können. Dies macht sie jedoch anfälliger für Antibiotika.  Bakterien unterschiedlichster Arten leben meist zu Abermillionen auf kleinstem Raum zusammen. Da bleibt ein Kampf um Platz und Ressourcen nicht aus. Um sich zu behaupten, setzen einige Bakterien auf eine molekulare Harpune, mit der sie ihre Widersacher wortwörtlich ausstechen. Eines dieser Bakterien ist Pseudomonas aeruginosa. Es ist in der Umwelt weit verbreitet, gilt aber auch als Problemkeim in Spitälern. 

Pseudomonas kann in friedlicher Coexistenz mit anderen Mikroben leben. Wird es jedoch von artfremden Bakterien mit einer Nano-Harpune angegriffen, baut es in Sekundenschnelle seine eigene zusammen. Mit diesem sogenannten Typ VI Sekretionssystem (T6SS) injiziert es dem Angreifer seinen eigenen tödlichen Giftcocktail. 

Wie aber kann Pseudomonas überhaupt zurückschlagen, wenn es zuvor schon selbst eine Giftspritze vom Gegner abbekommen hat? Eine Antwort hat das Team von Prof. Dr. Marek Basler am Biozentrum der Universität Basel gefunden und nun im Fachjournal «Nature Communications» veröffentlicht. 

Angriff aktiviert Notfallprogramm

Der tödliche Cocktail besteht aus einem Gemisch aus toxischen Proteinen, die verschiedene Stellen in den Bakterien angreifen. Dazu gehören Enzyme, die die Zellmembran beschädigen oder die schützende Zellwand zerstören. Wieder andere bauen die Erbsubstanz ab. «Diese toxischen Proteine richten sich in der Regel gegen viele lebenswichtige Prozesse und Zellstrukturen», sagt Alejandro Tejada-Arranz, Erstautor der Studie. «Pseudomonas verfügt jedoch über Gegenmittel, die das Giftgemisch unschädlich machen.» Nach einem Angriff kann sich Pseudomonas deshalb der Wirkung des Gifts entziehen und aktiv zum Gegenangriff ausholen. 

Gegenüber Toxinen von nahen Verwandten sind Bakterien generell immun. Bei T6SS-Attacken von artfremden Bakterien hingegen aktiviert Pseudomonas ein Notfallprogramm, das innert kürzester Zeit vielfältige Schutzmassnahmen einleitet. «Es kommt zu konzertierten Aktionen, die alle darauf abzielen, dass entstandene Schäden repariert und toxische Proteine abgefangen werden», so Tejada-Arranz. «So greifen die Bakterien auf ein Membranprotein zurück, welches die beschädigte äussere Zellhülle stabilisiert.» 

Die Bandbreite an Massnahmen macht Pseudomonas widerstandsfähig gegenüber den verschiedenen Toxinen seiner Angreifer. Seine Fähigkeit sich in Bakteriengemeinschaften durchzusetzen, könnte möglicherweise auch eine Rolle bei problematischen Infektionen spielen.

Widerstandsfähigkeit geht zu Lasten von Antibiotikaresistenz

Diese Widerstandsfähigkeit hat jedoch ihren Preis. «Wir dachten anfangs, dass die Bakterien, die sich so gut selbst verteidigen können, auch gegenüber Antibiotika weniger empfindlich sind», erklärt Marek Basler. «Überraschenderweise geht die Widerstandsfähigkeit zu Lasten ihrer Antibiotikaresistenz. Die Bakterien müssen offensichtlich Abstriche machen und können sich nicht gegen alle Gefahren gleichzeitig schützen.» 

In Gemeinschaft sind Pseudomonas-Bakterien vermutlich breit aufgestellt: die einen sind besser gegen T6SS-Angriffe geschützt, die anderen gegenüber Antibiotika. So überleben immer einige Bakterien. «Unsere Arbeit zeigt, dass Pseudomonas über eine ganze Reihe unterschiedlicher Schutzmechanismen verfügt», sagt Basler. «Ob sie auch bei Infektionen im Menschen eine Rolle spielen, wissen wir noch nicht. Helfen die Strategien Pseudomonas dabei in bakteriellen Gemeinschaften, wie sie bei Infektionen vorkommen? Und was bedeutet das für Antibiotika-Therapien? Das sind weiterhin offene Fragen.» 

Die Studie unter der Leitung von Marek Basler entstand im Rahmen des Nationalen Forschungsschwerpunkts NCCR «AntiResist», der sich die Entwicklung alternativer Strategien zur Bekämpfung antibiotikaresistenter Keime zum Ziel gesetzt hat.

Universität Basel


Originalpublikation:

Tejada-Arranz, A., Plack, A., Antelo-Varela, M. et al. Mechanisms of Pseudomonas aeruginosa resistance to type VI secretion system attacks. Nat Commun 16, 10744 (2025). doi.org/10.1038/s41467-025-65777-x

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Wissenschaft International
news-35071 Tue, 09 Dec 2025 16:47:09 +0100 Eulen und Lerchen unter den Fischen https://www.vbio.de/aktuelles/details/eulen-und-lerchen-unter-den-fischen Innere Uhren können sehr unterschiedlich ticken. Während manche Menschen morgens am produktivsten sind, sind andere erst später am Tag oder gar abends aktiv. Dieses Phänomen ist in Wissenschaft und Medizin als Chronotyp bekannt. In einer umfassenden Analyse der Aktivitätsmuster von Wildfischen hat ein Forschungsteam mit Beteiligung des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) nachgewiesen, dass es auch bei Fischen – Karpfen, Forellen, Zandern und Co. – „Frühaufsteher“ und „Spätaufsteher“ gibt. Bei Menschen sowie verschiedenen Säugetieren und Vögeln ist bekannt, dass manche Individuen eher früh, andere eher spät aktiv werden. Dies wird als individueller Chronotyp bezeichnet. Studien haben gezeigt, dass diese Tendenzen teilweise genetisch bedingt sind. Bislang gab es jedoch kaum Untersuchungen dazu, ob solche Chronotypen auch bei Fischen in freier Wildbahn existieren. 

Die Forschungsgruppe, an der auch Prof. Dr. Robert Arlinghaus vom IGB und der Humboldt-Universität zu Berlin beteiligt war, analysierte mit biotelemetrischen und biologgenden Methoden im Freiland erhobene, hochaufgelöste Aktivitätsdaten aus 44 Datensätzen zu 34 verschiedenen Meeres- und Süßwasserfischarten. Bei diesen Methoden tragen die Fische Sender, die Signale aussenden und die Bestimmung der Aufenthaltsorte erlauben, oder Biologger, die Aktivitätsdaten eines Fisches speichern, wie die Anzahl der Schwimmstöße. Die Forschenden werteten nur Datensätze aus, bei denen die Aktivitätsmuster der Tiere über den gesamten Tagesverlauf und über mehrere Tage hinweg analysiert werden konnten. Anhand dieser Daten bestimmten sie, ob es konsistente individuelle Unterschiede in Bezug auf Beginn und Ende der täglichen Aktivitätsmuster der Tiere gab. Ob Fische im menschlichen Sinne schlafen, ist übrigens wissenschaftlich umstritten. Was aber ohne Zweifel bestimmbar ist, sind Ruhephasen und Phasen erhöhter Schwimmaktivität. Schwimmende Fische sind außerhalb der Laichzeit in der Regel auf der Nahrungssuche oder versuchen, Räubern auszuweichen.

Chronotypen bei vielen Fischarten gefunden:

Dem Forschungsteam gelang es, Chronotypen bei 17 Fischarten zu identifizieren. Dabei geht es nicht darum, dass einzelne Fischarten tagsüber oder nachts aktiver sind, sondern um systematische individuelle Unterschiede in Bezug auf Start und Ende der Aktivität innerhalb einer Fischart im Laufe des Tages. 

1. Die Forelle: extreme Frühaufsteher und Morgenmuffel
Bei den Forellen war die Ausprägung der Chronotypen besonders deutlich. Vor allem die Spannweite der Zeiten, in denen einzelne Tiere aktiv wurden beziehungsweise die Aktivität einstellten, schwankte erheblich und systematisch zwischen einzelnen Tieren: Einige Individuen waren bereits fünf Stunden vor Sonnenaufgang aktiv, andere erst fünf Stunden danach. 

2. Der Karpfen: Jedes Individuum hat vor allem feste „Schlafenszeiten“
Karpfen zeigten vor allem in Bezug auf ihr Aktivitätsende deutliche individuelle Muster. Die ersten kamen rund drei Stunden nach Sonnenuntergang zur Ruhe, wohingegen die Nachtschwärmer unter den Karpfen neun Stunden später in den Ruhemodus schalteten. 

3. Zander: große Zander ruhen früher
Auch bei den grundsätzlich eher nachtaktiven Zandern wurden Chronotypen festgestellt. Bemerkenswert war, dass größere und ältere Zander tendenziell früher in der Nacht zur Ruhe kamen als ihre kleineren, jüngeren Artgenossen.

4. Roter Zackenbarsch: strenge Tagesroutine 
Der rote Zackenbarsch, ein Meeresfisch, hatte insgesamt den rigidesten Tageszeitplan. Die verschiedenen Tiere hat sehr strikte Wach- und Ruhephasen. Sowohl das „Aufstehen" als auch das „Schlafengehen" variierten individuell und systematisch, ganz im Sinne der Chronotypen.

„Die Ergebnisse stützen die Einteilung in ‚Morgen-‘ und ‚Abendtypen‘, was der klassischen Klassifizierung von Chronotypen beim Menschen entspricht“, sagt Robert Arlinghaus. „In unserer Studie zeigten fast alle untersuchten Fischarten Chronotypen. Bei den Arten, bei denen wir keine Hinweise darauf gefunden haben, gehe ich davon aus, dass der Grund methodischer Natur ist. Um die Existenz von Chronotypen bei Fischen zweifelsfrei nachzuweisen, sind hochauflösende Daten über viele Tage erforderlich, die jedoch selten sind“, ergänzt der Fischereiökologe.

Hochauflösende Fischortung und Aktivitätssensoren ermöglichen ungestörte Verhaltensstudien:

Einige der Studien, auf denen diese Analyse basiert, wurden mit akustischer Telemetrie durchgeführt, darunter auch Arbeiten des IGB zu einheimischen Fischen in einem See in Brandenburg. Hier trägt eine Stichprobe von Fischen kleine Sender, die mehrmals pro Minute Signale aussenden. Anhand dieser Signale lassen sich die Schwimmtiefe, die Schwimmgeschwindigkeit und der Standort der Tiere bestimmen. Im See installierte Empfänger zeichnen die Daten auf, ohne die Fische zu stören. 

„Hochauflösende Telemetrie- und Biologging-Methoden sind besonders gut geeignet, um Aktivitätsmuster von Fischen in freier Wildbahn zu untersuchen. Mit diesen Methoden lassen sich kurze Übergänge zwischen Ruhe und Aktivität besonders gut erfassen", sagt der Fischereibiologe Dr. Christopher Monk vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, der ebenfalls an der Studie beteiligt war. Christopher Monk hat in seiner Zeit als Doktorand und Postdoc in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Robert Arlinghaus die fischtelemetrischen Arbeiten am IGB, die in die nun publizierte Studie eingeflossen sind, maßgeblich begleitet.

Neben der grundlagenwissenschaftlichen Erkenntnis helfen die Ergebnisse dabei, das Phänomen zu erklären, dass Anglerinnen und Angler nur bestimmte Individuen fangen, wie frühere Studien von Robert Arlinghaus und Christopher Monk bereits zeigen konnten. Angelt man beispielsweise am Morgen, können die Tiere, die früh aktiv werden, einfacher gefangen werden als die, die noch ruhen, wenn der Angelköder ins Wasser fällt. So könnten sich durch Auslese die Aktivitätsmuster von befischten Fischen über Generationen hinweg systematisch verschieben.

Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB)


Originalpublikation:

Martorell-Barceló, M. et al.: (2025), Revealing Chronotypes Across Aquatic Species Using Acoustic Telemetry. Fish Fish, 26: 1134-1145. https://doi.org/10.1111/faf.70022

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Wissenschaft Berlin