VBIO News http://example.com VBIO News de Copyright Thu, 04 Dec 2025 13:00:36 +0100 Thu, 04 Dec 2025 13:00:36 +0100 TYPO3 news-35001 Thu, 04 Dec 2025 12:50:33 +0100 Kiefervielfalt war Schlüssel zur Eroberung des Landes https://www.vbio.de/aktuelles/details/kiefervielfalt-war-schluessel-zur-eroberung-des-landes Die frühen Amnioten – die Vorfahren aller heutigen Reptilien, Vögel und Säugetiere – entwickelten deutlich vielfältigere Kieferformen als Amphibien. Diese anatomische Vielfalt ermöglichte ihnen, neue Nahrungsquellen zu erschließen und sich erfolgreich an das Leben an Land anzupassen. Dies zeigt eine Studie eines internationalen Forschungsteams unter Leitung des Museums für Naturkunde Berlin und der Humboldt-Universität zu Berlin. Der Übergang von wasserlebenden Fischen zu landlebenden Wirbeltieren zählt zu den bedeutendsten Veränderungen in der Geschichte des Lebens. Im Devon vor rund 370 Millionen Jahren wagten die ersten Tetrapoden – vierfüßige Wirbeltiere – den Schritt an Land. Damit waren sie neuen Anforderungen ausgesetzt: Ihre Körper mussten stabil genug sein, um ohne Auftrieb stehen und gehen zu können. Gleichzeitig veränderte sich die Art und Weise, wie sie Nahrung aufnehmen konnten.

„Viele Fische saugen ihre Beute ein, indem sie ihren Kiefer blitzschnell öffnen. An Land funktioniert diese Methode nicht mehr“, erklärt Dr. Jasper Ponstein, Erstautor der Studie und ehemaliger Doktorand am Berliner Naturkundemuseum. „Dort müssen Tiere aktiv zupacken. Das machte Veränderungen am Kiefer besonders wichtig.“

Ein Blick in die Erdgeschichte

In den nachfolgenden Perioden des Karbons und Perm vor 360–250 Millionen Jahren, breiteten sich die frühen Landwirbeltiere in den neuen Lebensräumen aus. Sie passten sich an verschiedene Ernährungsweisen an: Manche jagten die zahlreichen Insekten, andere begannen, Pflanzen zu fressen – eine Ernährungsweise, die zusätzliche Anpassungen an den Kiefer und die Kaumuskulatur erforderte. „Diese Zeit ist besonders spannend, weil sich Wirbeltiere erstmals in großem Maßstab an das Leben außerhalb des Wassers anpassten“, so Ponstein.

Um herauszufinden, wie die frühen Tetrapoden gefressen haben könnten, konzentrierte sich das Team auf den Unterkiefer – ein Element aus mehreren Knochen, dessen Form viel über die Ernährungsweise eines Tieres verrät. Die Forschenden stellten dazu den bisher größten Datensatz fossiler Tetrapodenkiefer aus dem Karbon und Perm zusammen, der mehr als 200 Arten umfasst. Dabei wurde auch Material aus der Sammlung des Berliner Naturkundemuseums mit einbezogen, inklusive im 3D-Visualisierungslabor generierte CT-Daten. Beteiligt waren neben dem Team des Berliner Forschungsmuseums auch Wissenschaftler:innen des Staatlichen Museums für Naturkunde Stuttgart und des Naturwissenschaftlichen Museums in Raleigh, North Carolina (USA).

Zwei zentrale Erkenntnisse

Die Analyse führte zu zwei wichtigen Ergebnissen:

Direkt nach dem Übergang an Land blieb die Kieferform erstaunlich konstant.
Viele frühe Tetrapoden besaßen weiterhin lange, schlanke Kiefer – vermutlich ideal, um Beutetiere wie Fische oder Insekten zu packen. Trotz der neuen Lebensumgebung änderte sich die Grundform des Kiefers zunächst kaum.

Mit dem Auftreten der Amnioten setzte eine deutliche Veränderung ein.
Ab dem frühen Perm vor etwa 300 Millionen Jahren entwickelten die Amnioten eine viel größere Bandbreite an Kieferformen als die Amphibien. Ihre Kiefer wurden robuster, und die Muskelansatzstellen vielfältiger. Dadurch konnten sie härtere und abwechslungsreichere Nahrung wie Pflanzenmaterial oder größere Beutetiere verarbeiten. Amphibien hingegen blieben bis heute weitgehend auf einfache Kieferformen und eine eher einseitige Ernährung – meist Insekten – beschränkt.

„Die frühe Vielfalt der Kieferformen hat den Amnioten wahrscheinlich ermöglicht, ökologische Nischen zu nutzen, die Amphibien verschlossen blieben“, sagt Ponstein. „Damit legten sie den Grundstein für die beeindruckende Vielfalt der Reptilien, Vögeln und Säugetieren, die wir heute auf der ganzen Welt sehen.“

Grundlage für moderne Vielfalt

Heute umfasst die Gruppe der Amnioten alles von Schildkröten über Vögel bis zu Raubkatzen – eine enorme Bandbreite an Lebensweisen. Die Studie zeigt, dass dieser Erfolg tief in der Erdgeschichte verwurzelt ist: in der Fähigkeit, sich früh und flexibel an neue Ernährungsweisen anzupassen.

Museum für Naturkunde - Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung


Originalpublikation:

Ponstein J, MacDougall MJ, Schaeffer J, Kammerer CF, Fröbisch J. 2025. Mandibulare Form und Funktion sind bei Amniioten unterschiedlicher als bei nicht-amniotischen Tetrapoden aus dem späten Paläozoikum. PeerJ 13:e20243, DOI 10.7717/peerJ.20243, peerj.com/articles/20243/

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Wissenschaft Berlin
news-35000 Thu, 04 Dec 2025 12:34:42 +0100 Studie zu systemischen Umweltrisiken von KI veröffentlicht https://www.vbio.de/aktuelles/details/studie-zu-systemischen-umweltrisiken-von-ki-veroeffentlicht Künstliche Intelligenz erzeugt systemische Umweltrisiken. Eine neue Studie der Gesellschaft für Informatik e.V. erfasst und analysiert diese umfassend. Zentrales Ergebnis: Die Risiken sind struktureller Natur, können ökologische Schäden beschleunigen und Verantwortlichkeiten verwischen. Zudem tragen die ökologischen und sozialen Kosten oft nicht diejenigen, die durch KI an Profit und Produktivität gewinnen.  Künstliche Intelligenz (KI) wird häufig als Schlüsseltechnologie zur Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen wie dem Klimawandel bezeichnet. Gleichzeitig wächst ihr ökologischer Fußabdruck rasant. Eine neue vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) geförderte Studie der Gesellschaft für Informatik (GI) zeigt: Neben direktem Energie- und Ressourcenverbrauch entstehen durch KI auch systemische Umweltrisiken, die weitreichende sozioökologische Folgen haben können.

Julian Schön, Referent bei der GI und Autor der Studie: „Wir sehen KI oft als Werkzeug zur Lösung ökologischer Probleme – doch parallel entstehen Risiken, die tief in unsere sozioökonomischen Systeme hineinreichen. Diese systemischen Effekte sind viel weniger sichtbar als Strom- oder Wasserverbräuche, aber im Zweifel deutlich folgenreicher.“

Die Studie definiert systemische Umweltrisiken von KI als weitreichende, sektorübergreifende Schäden an Klima, Biodiversität, Süßwasser und anderen Erdsystemprozessen, die aus systemischen Wechselwirkungen resultieren und entstehen, wenn KI in soziale, ökonomische und physische Infrastrukturen eingebettet wird. Aufgrund ihrer Komplexität sind diese Risiken nur schwer quantifizierbar. 

Vorteile und Belastungen sind ungleich verteilt

Ein zentraler Befund der Studie ist, dass systemische Umweltrisiken durch Machtkonzentration, begrenzte Governance, ökonomische Rahmenbedingungen und durch die Komplexität und Unvorhersehbarkeit vieler KI-Systeme begünstigt werden. Durch diese Bedingungen können etwa sogenannte Rebound-Effekte und Pfadabhängigkeiten entstehen. Diese können zu materiellen Schäden wie Ressourcenerschöpfung und Toxizität führen, aber auch den Verlust lokalen und indigenen Wissens bedeuten. Zudem zeigt die Studie eine ungleiche Verteilung von Vorteilen und Belastungen durch KI: Während Produktivitätsgewinne und Profite vor allem bei wenigen ressourcenstarken Akteuren konzentriert sind, tragen marginalisierte Gruppen überproportional die ökologischen und sozialen Kosten – etwa in Regionen, in denen Rohstoffe abgebaut, Abfälle entsorgt oder besonders verletzliche Ökosysteme belastet werden.

Lena Hoffmann, Co-Autorin der Studie: „Zwar bergen viele Technologien systemische Umweltrisiken, doch KI ist besonders prädestiniert, solche Risiken zu erzeugen und zu verstärken – aufgrund ihrer großen Verbreitung, der hohen Geschwindigkeit und Skalierung ihrer Einführung, aber auch, weil sie technisch oft schwer zu durchschauen ist.“

Das Fazit der Autor*innen: Isolierte Maßnahmen wie algorithmische Effizienzsteigerungen oder freiwillige Transparenzinitiativen reichen alleine nicht aus, um systemische Umweltrisiken zu adressieren. Stattdessen brauche es einen ganzheitlichen Ansatz, der KI als globale Infrastruktur begreift und ihre Entwicklung mit den endlichen Erdsystemen in Einklang bringt. 

Gesellschaft für Informatik e.V


Die Studie ist in der digitalen Bibliothek der GI verfügbar: https://dl.gi.de/items/eb1b3ac4-a1ac-4957-9a34-4f1fd0126874

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Künstliche Intelligenz Berlin
news-34999 Thu, 04 Dec 2025 12:01:36 +0100 Wie Grippeviren in unsere Körperzellen eindringen https://www.vbio.de/aktuelles/details/wie-grippeviren-in-unsere-koerperzellen-eindringen Mit einer neuen hochauflösenden Mikroskopie-Methode haben Forschende erstmals live beobachtet, wie Grippeviren Zellen befallen. Dabei konnte das internationale Team unter Leitung der ETH Zürich feststellen, dass die Zellen die Virusaufnahme aktiv begünstigen. Die Methode könnte nun helfen, gezielter antivirale Therapien zu entwickeln.  Fieber, Gliederschmerzen, laufende Nase – mit dem Winter kehrt die Grippe zurück. Ausgelöst wird sie durch Influenzaviren, die über Tröpfchen in unseren Körper gelangen und Zellen befallen. 

Forschende aus der Schweiz und Japan haben dieses Virus nun sehr genau untersucht. Mit einer von ihnen entwickelten Mikroskopie-Methode können sie auf die Oberfläche menschlicher Zellen zoomen, die sich in einer Petrischale befinden. So konnten die Wissenschaftler zum ersten Mal hochauflösend und live beobachten, wie Influenzaviren in eine lebende Zelle eindringen. 

Etwas überraschte die Forschenden unter der Leitung von Yohei Yamauchi, Professor für Molekulare Medizin an der ETH Zürich, besonders: Die Zellen sind nicht etwa passiv und lassen sich vom Grippevirus einfach so überfallen. Vielmehr versuchen sie aktiv das Virus einzufangen. «Die Infektion unserer Körperzellen kommt einem Tanz gleich, den Virus und Zelle miteinander führen», sagt Yamauchi. 

Viren surfen auf der Zelloberfläche

Natürlich ziehen die Körperzellen keinen Vorteil aus einer Virusinfektion. Sie haben nichts davon, dass sie sich aktiv am Vorgang beteiligen. Zum dynamischen Wechselspiel kommt es, weil die Viren einen alltäglichen zellulären Aufnahmemechanismus kapern, der für die Zellen essenziell ist. Über diesen Mechanismus werden nämlich lebenswichtige Stoffe wie zum Beispiel Hormone, Cholesterin oder Eisen in die Zellen geschleust. 

Wie bei diesen Stoffen müssen sich auch Influenzaviren an Moleküle an der Zelloberfläche heften. Die Dynamik gleicht einem Surfen auf der Zelloberfläche: Das Virus scannt die Oberfläche ab, heftet sich mal da, mal dort an ein Oberflächenmolekül, bis es eine ideale Eintrittsstelle gefunden hat: eine, an der viele solcher Rezeptormoleküle dicht beieinanderstehen und somit eine effiziente Aufnahme in die Zelle ermöglichen. 

Nachdem die Zelle über ihre Rezeptoren erkannt hat, dass sich ein Virus an ihrer Membran festgesetzt hat, bildet sie an der betreffenden Stelle eine Vertiefung oder Tasche. Diese wird durch spezielle Strukturproteine namens Clathrine geformt und stabilisiert. Nach und nach wächst die Einstülpung und schliesst das Virus ein. So formt sich ein Bläschen. Die Zelle transportiert dieses in ihr Inneres, wo sich die Vesikelhülle auflöst und das Virus freigibt. 

Frühere Studien, die diesen wichtigen Prozess untersuchten, arbeiteten mit anderen Mikroskopiemethoden, darunter der Elektronenmikroskopie. Für diese müssen die Zellen zerstört werden, wodurch immer nur Momentaufnahmen möglich waren. Eine andere verwendete Methode, die Fluoreszenzmikroskopie, ermöglicht hingegen nur eine geringe räumliche Auflösung. 

Kombinierte Methoden, auch für andere Viren 

Die neue Methode ist eine Kombination aus Rasterkraft- und Fluoreszenzmikroskopie. Vivid-Rasterkraftmikroskopie nennen sie die Methode. Vivid steht für «Virus View». Diese Technologie machte es nun möglich, den Eintritt des Virus in die Zelle in allen Details seiner Dynamik zu verfolgen. 

Damit konnten die Forschenden zeigen, dass die Zelle die Aufnahme des Virus auf verschiedenen Stufen aktiv begünstigt. So rekrutiert die Zelle aktiv die funktionell wichtigen Clathrin-Proteine an die Stelle, an der sich das Virus befindet. Ausserdem wellt sich die Zelloberfläche an dieser Stelle, um mit den Aufwölbungen das Virus aktiv einfangen zu können. Diese wellenartigen Membranbewegungen werden stärker, wenn sich das Virus wieder von der Zelloberfläche wegbewegt. 

Die neue Methode liefert damit wichtige Erkenntnisse für die Entwicklung antiviraler Medikamente. So eignet sie sich etwa, um die Wirkung potenzieller Medikamente in Zellkultur in Echtzeit zu testen. Wie die Studienautoren betonen, kann die Methode auch verwendet werden, um das Verhalten von anderen Viren oder auch Impfstoffen zu untersuchen. 

Link zum YouTube-Video: https://youtu.be/zySUz2kbbnA

ETH Zürich


Originalpublikation:

Yoshida A, Uekusa Y, Suzuki T, Bauer M, Sakai N, Yamauchi Y: Enhanced visualization of influenza A virus entry into living cells using virus-view atomic force microscopy. PNAS, 122: e2500660122, https://doi.org/10.1073/pnas.2500660122

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Wissenschaft International
news-34998 Thu, 04 Dec 2025 11:57:08 +0100 Das Fundament der Fruchtbarkeit https://www.vbio.de/aktuelles/details/das-fundament-der-fruchtbarkeit Ein funktionsfähiger Spermienschwanz ist für eine erfolgreiche Fortpflanzung unerlässlich. Fehler bei dessen Entwicklung führen oft zu Unfruchtbarkeit. Das zeigt auch eine aktuelle internationale Studie mit Würzburger Beteiligung.  Die Entwicklung funktionsfähiger Spermien ist ein hochkomplexer Prozess und eine Grundvoraussetzung für die männliche Fruchtbarkeit. Störungen in diesem Prozess sind eine häufige Ursache für Unfruchtbarkeit. Doch die molekularen Mechanismen, die den präzisen Aufbau eines Spermiums steuern, sind noch immer in weiten Teilen unbekannt. Eine besondere Herausforderung für die Forschung liegt in der extrem geringen Größe der beteiligten Zellstrukturen, die mit herkömmlichen Mikroskopen kaum zu erkennen sind.

Einem internationalen Forschungsteam ist es nun gelungen, mithilfe einer speziell weiterentwickelten Methode, der Ultrastruktur-Expansionsmikroskopie (U-ExM), die zelluläre Architektur von Keimzellen in höchster optischer Detailtiefe sichtbar zu machen und so die zentrale Rolle eines Proteinkomplexes bei der Bildung des Spermienschwanzes aufzuklären.
Erstmals wandte das Team diese Technik auf spezielle Substrukturen der männlichen Keimzellen an und konnte so zelluläre Bauteile physikalisch ausdehnen, ähnlich einem aufgeblasenen Ballon, um winzigste Details für die Analyse zugänglich zu machen. Dieser technologische Fortschritt war der Schlüssel, um die Umbauprozesse während der Spermienreifung zu entschlüsseln und ein entscheidendes molekulares Stützgerüst zu identifizieren.

Untersuchungen auf ultrastruktureller Ebene

Die Ergebnisse ihrer Studie haben die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift Science Advances veröffentlicht. Verantwortlich dafür waren Hiroki Shibuya und Yutaka Takeda vom RIKEN Center for Biosystems Dynamics Research in Kobe (Japan). Daran beteiligt war Manfred Alsheimer, Professor am Lehrstuhl für Zell- und Entwicklungsbiologie (Zoologie I) der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU). 

Alsheimer brachte dabei seine Expertise in der Elektronenmikroskopie ein, um die strukturelle Rolle eines bestimmten Proteins in der Spermienentwicklung mit aufzuklären. „Der Kollege aus Japan hatte mich hinzugezogen, um die Funktion dieses Proteins auch auf ultrastruktureller Ebene mittels Elektronenmikroskopie zu untersuchen“, erklärt Alsheimer. Zusammen mit den Daten aus der hochauflösenden Ultra-Expansion-Mikroskopie, die in der Gruppe des Kollegen in Japan erhoben wurden, lieferten die am Biozentrum durchgeführten elektronenmikroskopischen Analysen neue Einblicke in den dynamischen Aufbau der Zentriolen und in die Rolle des Proteins bei der Entwicklung des Spermienschwanzes.

Ein molekulares Stützgerüst als Anker für den Antrieb

Im Zentrum dieser Erkenntnisse steht eine Struktur, der Basalkörper, der als mechanische Verankerung für den Spermienschwanz dient. Die Forschenden entdeckten, dass während der Reifung der Spermien ein spezielles inneres Gerüst aus den Proteinen Centrin und POC5 in einem winzigen Organisationszentrum der Zelle, dem sogenannten distalen Zentriol, massiv verstärkt wird. Dieses Zentriol fungiert als Basis, an der die lange, bewegliche Geißel – also der Spermienschwanz – verankert ist.

Das Besondere an dieser Entdeckung: Diese gezielte Verstärkung ist eine hochspezialisierte Anpassung, die ausschließlich in Spermien vorkommt. In anderen Körperzellen, die ebenfalls geißelähnliche Strukturen (Zilien) ausbilden, findet dieser Prozess nicht statt. Die Analyse zeigte zudem, dass die Verstärkung Teil eines komplexen Reifeprogramms ist, das eine komplette Neuausrichtung der Architektur des Basalkörpers umfasst. Dazu gehört ein unerwarteter Geometriewechsel, bei der sich die räumliche Anordnung der beiden Zentriolen zueinander umkehrt, sowie eine gezielte Entfernung von Proteinen an der Spitze der Zentriolen. Doch welche Folgen hätte es, wenn dieses entscheidende Stützgerüst fehlt?

Ohne das Protein-Gerüst: Männliche Unfruchtbarkeit als direkte Folge

Um die exakte Funktion des Centrin-POC5-Gerüsts nachzuweisen, untersuchte das Team Mäuse, bei denen das POC5-Protein gentechnisch entfernt worden war. Die Ergebnisse waren eindeutig:

• Die männlichen Mäuse waren körperlich vollkommen gesund und zeigten keinerlei andere Entwicklungsstörungen.

• Alle bisher analysierten Männchen waren allerdings zu 100 Prozent unfruchtbar.

• Die detaillierte Analyse zeigte, dass durch das Fehlen von POC5 die strukturelle Integrität des distalen Zentriols gestört war und es sich pathologisch in einzelne Fasern aufspaltete und zum Teil sogar komplett auseinanderfiel. Ohne diesen stabilen Anker konnte sich keine funktionsfähige Geißel ausbilden.

Diese Ergebnisse belegen, dass das Centrin-POC5-Gerüst eine unverzichtbare Rolle speziell für die männliche Fortpflanzung spielt, während es interessanterweise für die Bildung ähnlicher Strukturen in anderen Körperzellen entbehrlich ist. Die Studie liefert damit ein grundlegendes neues Verständnis für die molekularen Ursachen bestimmter Formen männlicher Unfruchtbarkeit. 

Aufbauend auf diesen Erkenntnissen wollen die Forschenden nun untersuchen, welche Faktoren diesen entscheidenden Umbauprozess in der Spermienentwicklung steuern. Obwohl es sich zunächst um Grundlagenforschung handelt, könnten diese Einblicke langfristig die Entwicklung neuer diagnostischer Ansätze für Unfruchtbarkeit ermöglichen. Die Studie entschlüsselt damit einen fundamentalen Mechanismus der Spermienbildung, der für den Erfolg der Fortpflanzung unerlässlich ist.

Universität Würzburg

Originalpublikation:


Yutaka Takeda, Eriko Kajikawa, Jingwen Wang, Morié Ishida, Manfred Alsheimer, Hiroki Shibuya: Centrin-POC5 inner scaffold provides distal centriole integrity for sperm flagellar Assembly.  Science Advances, 3. Dezember 2025. DOI: 10.1126/sciadv.aea4045

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Wissenschaft Bayern
news-34997 Thu, 04 Dec 2025 10:55:58 +0100 Der Pilzpartner des Werftkäfers: mehr als nur ein Nahrungslieferant https://www.vbio.de/aktuelles/details/der-pilzpartner-des-werftkaefers-mehr-als-nur-ein-nahrungslieferant Wie ein Symbiose-Pilz dem Sägehörnigen Werftkäfer dabei hilft, in totem Holz zu überleben, hat jetzt ein Team des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie hat in Zusammenarbeit mit Forschenden der Universität Würzburg untersucht. Der Symbiosepilz speichert deutlich mehr Nährstoffe als andere Pilzarten. Zudem reichert der Pilz zahlreiche phenolische Substanzen aus dem Holz in seinem Myzel an. Er produziert unter anderem Monoterpen-Alkohole und Essigsäure, die eine hemmende Wirkung auf andere Pilze haben. Der Ambrosiapilz hingegen gedeiht in saurem Milieu besonders gut.  Der Sägehörnige Werftkäfer Elateroides dermestoides ist ein besonderer Vertreter der Ambrosiakäfer. Im Gegensatz zu vielen seiner Verwandten, die als soziale Insekten Lebensgemeinschaften bilden, ist er eine solitäre Art und verbringt sein Leben nicht zusammen mit seinen Artgenossen. Obwohl Ambrosiakäfer in der Regel recht kurze Generationszeiten von weniger als einem Jahr haben, vergehen beim Werftkäfer, der mit einer Länge von bis zu 18 Millimetern zu den größten europäischen Ambrosiakäfern zählt, bis zu zwei Jahre, bis die nächste Generation schlüpft. Trotz seiner solitären Lebensweise lebt er nicht allein, sondern in einer Nahrungssymbiose mit dem Ambrosiapilz Alloascoidea hylecoeti. 

Erste Belege für die Nährstoff-Symbiose mit dem Ambrosiapilz

Ein Team um Maximilian Lehenberger vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena hat diese Käfer-Pilz-Symbiose genauer untersucht. Dafür analysierten die Forschenden zunächst die Nährstoffe, die der Pilz in seinem Mycel, also dem Geflecht seiner fadenförmigen Strukturen, anreichert. „Bisher wurde nur vermutet, dass Ambrosiapilze reich an Nährstoffen sind. Es gab jedoch kaum brauchbare Daten, die dies belegten. In unserer Studie konnten wir erstmals zeigen, dass insbesondere Alloascoidea hylecoeti aus dem Werftkäfer-System tatsächlich sehr nährstoffreich ist. Dieser Pilz akkumuliert eine Vielzahl von Nährstoffen, deutlich mehr als andere Pilze, sowohl symbiotische als auch nicht-symbiotische, darunter Zucker, Aminosäuren, Ergosterol, Fettsäuren sowie die essenziellen Elemente Phosphor und Stickstoff,“ sagt Maximilian Lehenberger, der in der Abteilung Biochemie die Projektgruppe Chemische Ökologie von Waldpathogenen leitet. Die Nährstoffdichte und -vielfalt erklären vermutlich auch, dass es dem Werftkäfer gelingt, so lange allein im nährstoffarmen Holz zu leben und dabei so groß zu werden. 

Überleben in einer wettbewerbsintensiven Umgebung

Die Larven des Werftkäfers leben vergleichsweise lange im Holz von Bäumen, die erst seit Kurzem tot sind. Für den bis zu zwei Zentimeter langen Käfernachwuchs stellt diese Umgebung eine Herausforderung dar, denn Totholz ist einerseits sehr nährstoffarm und andererseits ein Lebensraum, in dem es von Konkurrenz nur so wimmelt. In sozialen Ambrosiakäfer-Systemen können sich die einzelnen Individuen dabei unterstützen, schädliche Pilze in Schach zu halten. Bei einem solitären Käfer ist dies nicht der Fall. Das Forschungsteam stellte daher die Hypothese auf, dass der Symbiosepilz eigene Strategien entwickelt hat, um sich vor konkurrierenden Arten zu schützen. Es zeigte sich, dass Alloascoidea hylecoeti verschiedene phenolische Substanzen verwendet, die er aus dem umliegenden Holz bezieht. Damit reichert er die Umgebung so stark an, dass dies eine hemmende Wirkung auf viele andere Pilze hat. Der Pilz nutzt dabei seine Fähigkeit, ins Holz einzuwachsen und weitere Ressourcen aus dem Holz zu mobilisieren. „Im Gegensatz zu vielen anderen Pilzen wird der Symbiosepilz von diesen Substanzen, die als pflanzliche Abwehrstoffe bekannt sind, nicht gehemmt und baut sie auch nicht ab. Zudem produziert dieser Pilz selbst viele Substanzen, die andere Pilze hemmen,“ erläutert Maximilian Lehenberger.

Ein Pilz, der den pH-Wert senkt und in übersäuerten Umgebungen noch besser wächst

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler waren besonders erstaunt über die Produktion von Essigsäure, die sie mittels nuklearmagnetischer Resonanzanalyse (NMR) in Pilzkulturen sowie in Proben von Nestern der Käfer im Feld nachweisen konnten. Experimente mit Pilzkulturen zeigten, dass der Ambrosiapilz konkurrierende Pilze verdrängt, indem er seine Umgebung „übersäuert“ und den pH-Wert auf bis zu 3,5 senkt. Verblüffend ist dabei, dass Alloascoidea hylecoeti nicht nur mit einer sehr hohen Essigsäurekonzentration zurechtkommt, sondern bei einem für Pilze sehr niedrigen pH-Wert sogar noch besser wächst. „Bisher wurde Essigsäure in keinem anderen Ambrosiakäfer-System nachgewiesen. Da wir Essigsäure auch in den Nestern identifizieren konnten, ist dies ein eindeutiger Beleg dafür, dass diese Substanz auch in der Natur eine Rolle spielen muss. Der Pilz nutzt nicht nur Essigsäure, sondern auch eine Vielzahl weiterer Substanzen mit hemmender Wirkung auf konkurrierende Pilze. Dazu gehören unter anderem Monoterpene wie Linalool, Terpineol und Citronellol,“ sagt Jonathan Gershenzon, der Leiter der Abteilung Biochemie. Citronellol ist für den zitronenartigen Geruch dieses Pilzes verantwortlich. 

Noch ist nicht geklärt, welchen Effekt ein sehr saurer Lebensraum auf die Larven des Werftkäfers hat und wie sich die in der Biomasse des Pilzes angereicherten Abwehrstoffe in deren Nahrung auswirken. Werden sie damit weniger attraktiv für ihre Fressfeinde? Gibt es möglicherweise symbiotische Bakterien im Darm der Käfer, die dabei helfen, hohe phenolische Konzentrationen abzubauen? Diese und weitere Fragen plant das Forschungsteam in weiteren Experimenten zu beantworten.

Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie 


Originalpublikation:

Lehenberger, M., Pan, Y., Ungerer, S., Reichelt, M., Pemp, D., Paetz, C., Lehenberger, J., Gentsch, N., Feistel, F., Gros, P., Lehmann, L, Gershenzon, J. (2025). Fungal symbiont of an ambrosia beetle possesses high nutrient content and suppresses competing fungi with antimicrobial compounds. The ISME Journal, wraf258, doi: 10.1093/ismejo/wraf258, https://doi.org/10.1093/ismejo/wraf258

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Wissenschaft Thüringen
news-34996 Thu, 04 Dec 2025 10:42:30 +0100 EU einigt sich auf neue Regeln: Vereinfachte Verfahren für NGT-Pflanzen https://www.vbio.de/aktuelles/details/eu-einigt-sich-auf-neue-regeln-vereinfachte-verfahren-fuer-ngt-pflanzen Der EU-Rat hat mit dem Europäischen Parlament eine vorläufige Einigung über eine Reihe von Vorschriften erzielt, mit denen ein Rechtsrahmen für neue Genomtechniken (NGT) geschaffen wird. Die Verordnung zielt darauf ab, die Wettbewerbsfähigkeit des Agrar- und Lebensmittelsektors zu verbessern und gleiche Wettbewerbsbedingungen für europäische Marktteilnehmer zu gewährleisten, während gleichzeitig die Ernährungssicherheit erhöht und die Abhängigkeit von externen Lieferanten verringert wird. Die Verordnung gewährleistet einen robusten Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier sowie der Umwelt und trägt gleichzeitig zu den Nachhaltigkeitszielen der EU bei.

Die vorläufige Einigung garantiert ein vereinfachtes Verfahren für NGT-Pflanzen, das dem für konventionelle Pflanzen entspricht, und geht auf Bedenken hinsichtlich des geistigen Eigentums und des Zugangs zu Saatgut ein.

Übersetzt mit DeepL.com

Hier geht es zur Pressemitteilung vom EU-Rat: New genomic techniques: Council and Parliament strike deal to boost the competitiveness and sustainability of our food systems


Lesen Sie dazu auch die Pressemitteilung unseres kooperierenden Mitglieds BIO Deutschland: 

Biotechnologie-Branchenverband begrüßt Einigung der EU zur Regulierung neuer Züchtungsmethoden

Der Biotechnologie-Branchenverband BIO Deutschland e. V. begrüßt die vorläufige Vereinbarung zwischen EU-Ministerrat und -Parlament, die gestern Nacht bezüglich der Regulierung von neuen Züchtungsmethoden erzielt wurde, ausdrücklich. Die EU-Gesetzgebungsorgane haben sich geeinigt, Nutzpflanzen nicht mehr als gentechnisch veränderte Organismen zu regulieren, die durch wenige Veränderungen in ihrem Erbgut entstanden sind, die auch auf natürliche Weise hätten vorkommen können. Die Kennzeichnung des entsprechenden Saatguts bleibt vorgeschrieben. Die Auswirkungen der Patentierung so gezüchteter Pflanzen wird evaluiert.

Viola Bronsema, Geschäftsführerin des BIO Deutschland, kommentiert: „Wir freuen uns sehr über diesen Kompromiss. Endlich können vielversprechende biotechnologische Methoden wie die Genschere CRISPR/Cas auch in der Praxis zur Verbesserung von Nutzpflanzen eingesetzt werden. Züchtern steht somit ein weiteres Werkzeug zur Verfügung, um Pflanzen resistenter gegen klimatische Veränderungen zu machen und zu bewirken, dass diese ertrag- und nährstoffreicher sowie wehrhafter gegen Schädlinge sind. Diese Entscheidung der EU war überfällig. Es gab keinen wissenschaftlichen Grund, die Regulierung für die so veränderten Pflanzen aufrechtzuerhalten, da sie auch auf natürlichem Weg, z. B. durch Sonneneinstrahlung, auf dem Acker entstehen könnten.  Wenn die Entscheidung final und umgesetzt ist, versprechen wir uns davon einen Anschub für die europäische Pflanzenzüchtung und somit viele Vorteile für unsere Landwirtschaft und natürlich unsere Ernährung. Im nächsten Schritt sollte nun auch die vergleichbare Regulierung für Mikroorganismen überarbeitet werden."

Die vorläufige Vereinbarung muss nun vom Rat und vom Parlament gebilligt werden, bevor sie formell angenommen werden kann. Das gilt normalerweise als Formsache.

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Politik & Gesellschaft Biobusiness International
news-34995 Thu, 04 Dec 2025 10:06:17 +0100 Dynamische Tore bewachen den Zellkern https://www.vbio.de/aktuelles/details/dynamische-tore-bewachen-den-zellkern Kernporenkomplexe – winzige Durchgänge in der Zellkernmembran – sind nicht starr oder gelartig, wie bisher angenommen. Ihr Inneres ist dynamisch organisiert, bewegt und verändert sich ständig. Diese Resultate einer internationalen Studie unter Leitung der Universität Basel verändern unser Verständnis eines wichtigen Transportprozesses in Zellen und haben Auswirkungen auf Krankheiten und mögliche Therapien.  Der Zellkern gleicht einem Banktresor, den die Kernporenkomplexe (NPC) wie ein hochentwickeltes Sicherheits-System schützen. Nur Proteine mit dem richtigen «Schlüssel» – spezielle Transportfaktoren – erhalten exklusiven Zugang. Auf diese Weise kontrolliert das System, welche Substanzen in den Zellkern gelangen oder ihn verlassen. Diese enge Kontrolle ist unerlässlich, um die reibungslose Kommunikation zwischen dem im Inneren geschützten Genom und den zellulären Maschinen im Aussenbereich zu gewährleisten.

Neue biologische Erkenntnisse dank Nanowissenschaft

Trotz ihrer Bedeutung sind die inneren Abläufe in Kernporenkomplexen nach wie vor ein Rätsel. Ihr Transportkanal ist mit hochflexiblen Proteinfäden ausgekleidet – den FG-Nukleoporinen (FG Nups). Sie bilden eine selektive Barriere, deren ultrafeine Struktur selbst den leistungsstärksten Elektronenmikroskopen verborgen bleibt. Da die FG Nups ausserhalb der Zellen gelartige Gebilde bilden können, haben ältere Modelle die Funktion der Kernporenkomplexe mit einem starren Sieb verglichen.

Nun hat ein Team unter der Leitung von Prof. Dr. Roderick Lim, Argovia-Professor für Nanobiologie am Biozentrum und Swiss Nanoscience Institute der Universität Basel, mit Hilfe der Hochgeschwindigkeits-Rasterkraftmikroskopie (HS-AFM) bisher nie gesehene Bewegungen im Nanometerbereich mit einer Millisekunden-Auflösung direkt im Inneren der Poren gefilmt. Die Forschenden haben die Entdeckung der aussergewöhnlichen Umstrukturierungen innerhalb der Kernporenkomplexe nun im Fachjournal «Nature Cell Biology» veröffentlicht.

«Die Kernporenkomplex-Barriere ist lose durch einen beweglichen zentralen Pfropfen organisiert, dessen Bestandteile lange Zeit rätselhaft waren. Es hat sich herausgestellt, dass er aus einer dynamischen Mischung aus Transportfaktoren, Frachtmolekülen und FG-Nups besteht, die sich entlang der zentralen Achse der Pore vermischen. Dadurch entsteht ein hochgradig anpassungsfähiges System, das die Barriere verstärkt und gleichzeitig einen schnellen selektiven Transport gewährleistet,» erklärt Lim.

Mit dem Strom schwimmen

Das Team entdeckte diese dynamische Organisation bei der Untersuchung von Kernporenkomplexen aus Hefezellen. Die resultierenden Hochgeschwindigkeits-AFM-Filme zeigten auch die fliessenden Bewegungen der FG-Nups, die zum zentralen Pfropfen in Inneren der Pore «ausstrahlen».

«Wenn wir isolierte Kernporenkomplexe über längere Zeit unter kontrollierten Bedingungen beobachteten, verschwand der zentrale Pfropfen der Kernporenkomplexe. Fügten wir wieder nukleare Transportfaktoren hinzu, bildete er sich wieder», berichtet Dr. Toshiya Kozai, Erstautor der Studie. Bemerkenswerterweise stellten Transportfaktoren auch in künstlichen Nanoporen eine den Kernporenkomplexen ähnliche Barrierefunktion wieder her – ein Hinweis auf die Allgemeingültigkeit dieses Mechanismus.

Hydrogele ähneln Schwämmen mit Löchern

Kernporenkomplexe werden oft mit Hydrogelen verglichen. «Das liegt daran, dass FG-Nups in vitro – also im Reagenzglas – Hydrogele bilden, die jedoch tausendmal grösser sind als die Kernporenkomplexe. Sie bestehen allerdings aus verwickelten faserartigen Strukturen, die einfach zu gross sind, um in einen Kernporenkomplex zu passen, geschweige denn der gesamte Hydrogelkörper selbst», erklärt Lim. 

«Als wir die Hydrogele genauer untersuchten, stellten wir fest, dass sie mit Löchern von unregelmässiger Form und Grösse übersät waren – wie ein Küchenschwamm. Viele dieser Löcher waren so gross wie Kernporenkomplexe oder sogar grösser. Sie konnten möglicherweise ein Verhalten imitieren, das dem der Kernporenkomplexe ähnelt.»

Herausforderungen für die Zukunft

Das in der Studie aufgezeigte selbstorganisierte, dynamische Verhalten bietet eine einheitliche Sichtweise auf Kernporenkomplexe, die mit langjährigen strukturellen und biochemischen Beobachtungen übereinstimmt – mit Auswirkungen, die von der grundlegenden Zellbiologie bis hin zum Design intelligenter Filter und Arzneimittelabgabesysteme reichen. 

Die Einschränkung des dynamischen Zustands der Poren beeinträchtigt den selektiven Transport in den Zellkern, was verdeutlicht, wie wichtig dieses Verhalten für die ordnungsgemässe Funktion der Zelle ist.

«Die nächste Herausforderung besteht darin, zu verstehen, wie Zellen diese bemerkenswerten Nanomaschinen als Reaktion auf sich verändernde Bedürfnisse feinabstimmen – wie sich die Poren an Stress anpassen, das Wachstum regulieren und, wenn sie verstopft sind, zu Krankheiten beitragen“, fügt Prof. Dr. Michael Rout von der Rockefeller University hinzu, der die Arbeit mitgeleitet hat.

Die Arbeit basiert auf einer internationalen Zusammenarbeit zwischen Forschenden des Biozentrums und des Swiss Nanoscience Institute der Universität Basel (Schweiz), der Rockefeller University (New York, USA), der Ikerbasque Foundation for Science (Bilbao, Spain), dem Biofisika Institute-CSIC-UPV/EHU-Fundacion Biofisika Bizkaia (Leioa, Spain), der University of Groningen (Niederland), der Hebrew University of Jerusalem (Israel), der University of California, San Francisco (USA), der Yale University (West Haven, USA), und der Yale School of Medicine (New Haven, CT, USA).

Universität Basel


Originalpublikation:

Kozai, T., Fernandez-Martinez, J., Kapinos, L.E. et al. Karyopherins remodel the dynamic organization of the nuclear pore complex transport barrier. Nat Cell Biol (2025). doi.org/10.1038/s41556-025-01812-9

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Wissenschaft International
news-34994 Thu, 04 Dec 2025 10:01:08 +0100 Männliche Listspinne „erschnuppert“ ihre Partnerinnen mit den Beinen https://www.vbio.de/aktuelles/details/maennliche-listspinne-erschnuppert-ihre-partnerinnen-mit-den-beinen Männliche Listspinnen (Pisaura mirabilis) nutzen bei der Partnerinnensuche den Geruchssinn ihrer Beine. Mit dem Elektronenmikroskop entdeckten Forschende der Universität Greifswald auf den Beinen erwachsener Männchen „Geruchshärchen“. Verhaltensstudien belegen: Sie helfen den Spinnen, den Duft potenzieller Partnerinnen wahrzunehmen. Wie Spinnen Gerüche aufnehmen und verarbeiten, ist entscheidend, um natürliche, ökologische Beziehungen besser zu verstehen.  „Sich gut riechen können“ ist maßgeblich bei der Partnerwahl – auch in der Tierwelt. Das Forschungsteam rund um Mohammad Belal Talukder machte an der Universität Greifswald eine bemerkenswerte Entdeckung: Männliche Listspinnen wittern den Duft von Weibchen mit ihren Beinen.

Dass Insekten ihre Umwelt über chemosensorische Sinneshärchen, sogenannte Sensillen, wahrnehmen, ist bekannt. Die chemosensorischen Werkzeuge von Spinnen sind hingegen kaum erforscht. In einer Studie https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.2415468121, die Anfang dieses Jahres erschien, wies die Greifswalder Arbeitsgruppe um die Professorin für Zoologie Gabriele Uhl erstmals nach, dass Radnetzspinnen über zwei Arten von Sensillen verfügen: Wie auch Insekten besitzen sie Sensillen zum Schmecken (Spitzenporus-Sensillen) und zum Riechen (Wandporen-Sensillen). Die „Geruchshärchen“ (Wandporen-Sensillen) fanden sich allerdings nur an den Beinen ausgewachsener Radnetzspinnen-Männchen.

Für die Listspinne, die zur Jagd durch die Gegend streift und keine Netze baut, zeigt sich in der aktuellen Untersuchung ein ähnliches Bild: Nur Männchen haben „Geruchshärchen“. 

Struktur und Position der Haare gibt Auskunft über die Funktion
Mithilfe hochauflösender Elektronenmikroskopie untersuchten die Forschenden Lage, Gestalt und zellulären Aufbau der Sinneshaare der Listspinne. Mohammad Belal Talukder, Erstautor der Studie, erklärt: „Mit dem Wissen, wo die Härchen sitzen, haben wir uns angeschaut, wie sich die Spinnen auf unterschiedlichem Terrain fortbewegen, etwa Blätter oder Gras, wie sie Beute fangen oder sich paaren. Dann haben wir abgeglichen, welche Teile ihrer Beine in Kontakt mit den Oberflächen oder dem Partnertier kommen.“ 

Das Ergebnis: Die Wandporen-Sensillen der Männchen sind so auf den Beinen verteilt, dass sie weder Oberflächen noch das Weibchen berühren. Das lässt den Schluss zu, dass sie zur Wahrnehmung von luftübertragenen Stoffen dienen – also zum Riechen. Die Spitzenporen-Sensillen, die bei beiden Geschlechtern der Listspinne vorkommen, treten hingegen mit Oberflächen in Kontakt. Hierdurch verarbeiten die Spinnen Geschmacksinformationen.

Männchen haben den „richtigen Riecher“
Ob die männliche Listspinne ihren ausgeprägten Geruchsapparat zur Aufspürung von Weibchen nutzt, untersuchte die Greifswalder Forschungsgruppe in einem Experiment: „Wir haben ein Weibchen in das eine Ende eines gegabelten Glasrohrsystems gesetzt. Das andere Ende blieb frei“, führt die Masterstudentin Vedanti Mahimkar aus. „Wir gaben dem Weibchen zwei Stunden Zeit, sich zu akklimatisieren und setzten dann ein Männchen bei der Gabelung ins Glasrohr.“

Das Team beobachtete, welchen Weg das Männchen wählte: Zur potenziellen Partnerin oder ins Leere? Die Männchen bewiesen den „richtigen Riecher“: 80 Prozent machten sich auf den Weg zur weiblichen Duftquelle – und das recht schnell.

Neue Erkenntnisse für Gliederfüßer
Dass Listspinnen-Männchen potenzielle Partnerinnen über Entfernung geruchlich wahrnehmen, war bisher unbekannt. „Die Studie sehe ich als ein wichtiges Puzzleteil in der Grundlagenforschung, um zu verstehen, welche Sinnesorgane Gliederfüßer besitzen, wie sie schmecken und riechen sowie Sexuallockstoffe wahrnehmen und einander zur Fortpflanzung finden“, ordnet die Leiterin der Studie Prof. Dr. Gabriele Uhl ein.

Universität Greifswald


Originalpublikation: Talukder, M.B., Müller, C.H.G., Fischer, A. et al. The chemosensory toolkit of the cursorial spider Pisaura mirabilis. Communications Biology (2025), https://doi.org/10.1038/s42003-025-09127-z.

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Wissenschaft Mecklenburg-Vorpommern
news-34993 Thu, 04 Dec 2025 09:55:18 +0100 Die Macht der Darm-Enzyme: Warum gesunde Ernährung bei jedem anders wirkt https://www.vbio.de/aktuelles/details/die-macht-der-darm-enzyme-warum-gesunde-ernaehrung-bei-jedem-anders-wirkt Der Mechanismus, der bestimmt, wie unser Darmmikrobiom gesunde Pflanzenstoffe verarbeitet, wurde jetzt entschlüsselt. Das „chemische Kochbuch“ der Darmbakterien ist bei jedem Menschen unterschiedlich – und bei chronischen Erkrankungen oft gestört. Die Ergebnisse von Forschenden des Exzellenzclusters „Balance of the Microverse“ an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und dem Leibniz-HKI ebnen den Weg für personalisierte Ernährungspläne, die gezielt die Balance im Mikrobiom fördern.  Das Mikrobiom: Unsere zweite, unsichtbare chemische Fabrik

Viele gesunde Pflanzenstoffe, etwa aus Beeren, Nüssen oder Gemüse, sind nicht sofort in der Form wirksam, wie wir sie essen. Sie müssen erst durch die unzähligen Mikroorganismen in unserem Darm chemisch umgewandelt werden – eine Art „zweite Verdauung“. Die internationale Forschungsgruppe konnte 775 verschiedene Phytonährstoffe und deren Umwandlung durch die Enzyme der Darmbakterien systematisch kartieren. Dabei zeigte sich, dass im Schnitt 70 Prozent aller Enzyme unseres Mikrobioms potenziell an dieser Verarbeitung beteiligt sind. Das ist viel mehr, als man bisher wusste.

Doch die Studie deckte auch eine entscheidende Herausforderung auf: Das „chemische Kochbuch“ der Darmbakterien ist extrem individuell. Ob eine bestimmte Person einen gesunden Pflanzenstoff optimal in seine wirksame Form umwandeln kann, hängt davon ab, welche spezifischen Enzyme ihre Darmflora besitzt. Diese Fähigkeit unterscheidet sich nicht nur von Mensch zu Mensch, sondern auch je nach geografischer Herkunft und Ernährungsgewohnheiten.

Prof. Dr. Gianni Panagiotou, Professor für „Microbiome Dynamics“ an der Friedrich-Schiller-Universität Jena am Leibniz-HKI, betont die Bedeutung der multidisziplinären Zusammenarbeit: „Unsere Ergebnisse zeigen, wie entscheidend die Funktion des Mikrobioms für die Wirkungen einer gesunden Ernährung ist. Nur durch die Zusammenarbeit zwischen Bioinformatikern, Chemikern, Spezialisten für Krankheitsmodelle und Mikrobiologen konnten wir die gesamte Vielfalt und Dynamik der Darmbakterien erfassen.“

Wenn das „Kochbuch“ bei Krankheit fehlerhaft ist

Die Forschenden nutzten Künstliche Intelligenz, um die Enzym-Profile von Gesunden und Kranken zu vergleichen, darunter Patienten mit entzündlichen Darmerkrankungen, Darmkrebs oder nicht-alkoholischer Fettleber. Das Ergebnis war eindeutig: Bei Patientinnen und Patienten mit diesen chronischen Erkrankungen war das Potenzial des Mikrobioms, gesunde Lebensmittel zu verarbeiten, deutlich reduziert.

Die KI-Modelle konnten anhand der Mengen bestimmter bakterieller Enzyme mit hoher Genauigkeit vorhersagen, ob ein Mensch gesund oder krank war. Beispielsweise zeigte sich bei Patienten mit Darmkrebs, dass ein wichtiges Enzym für die Verarbeitung eines gesunden Pflanzenstoffs fehlte, das bei Gesunden vermehrt vorhanden war. Diese verminderte Umwandlungsfähigkeit könnte erklären, warum allgemeine Diätempfehlungen bei chronisch Kranken oft nicht die erwartete Wirkung zeigen.

Der Weg zur maßgeschneiderten Ernährung

Um diese komplexen Zusammenhänge zu entschlüsseln, nutzte das Team eine Kombination aus Bioinformatik und dem Abgleich von über 5.500 menschlichen Darm-Mikrobiomen aus aller Welt. Anschließend wurden vielversprechende Bakterienstämme im Labor getestet, um die vorhergesagten Umwandlungsreaktionen experimentell zu bestätigen.

Diese bahnbrechenden Erkenntnisse bilden die Basis für die Ernährungsmedizin der Zukunft. Anstatt universeller Ratschläge könnte die Analyse des individuellen Mikrobioms es bald ermöglichen, präzise, personalisierte Ernährungspläne zu erstellen. Ziel ist es, dem Mikrobiom entweder die richtigen Nährstoffe zu liefern oder es gezielt mit Probiotika zu „impfen“, die genau die Enzyme besitzen, die zur optimalen Verarbeitung gesunder Pflanzenstoffe fehlen.

Exzellente Forschung im Verbund

Die Studie knüpft direkt an die zentralen Forschungsthemen des Exzellenzclusters „Balance of the Microverse“ in Jena an: der systematischen Erforschung von Mikroorganismen und ihrer Interaktion mit dem Wirt. Die Forschung unterstreicht, dass ein ausbalanciertes Mikrobiom nicht nur in seiner Zusammensetzung, sondern vor allem in seiner Funktion – also seiner Fähigkeit zur chemischen Verarbeitung von Nahrung – entscheidend für unsere Gesundheit ist. Die Wissenschaftler liefern damit einen wichtigen Baustein, um diese Balance durch gezielte, individuelle Interventionen zu fördern.

Universität Jena


Originalpublikation: Zhang Lu et al. Gut microbiome-mediated transformation of dietary phytonutrients is associated with health outcomes, Nature Microbiology 2025, https://www.nature.com/articles/s41564-025-02197-z

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Künstliche Intelligenz Wissenschaft Thüringen
news-15436 Thu, 04 Dec 2025 09:03:00 +0100 Weihnachten kommt schneller als man denkt! Verschenken Sie eine Mitgliedschaft im VBIO! https://www.vbio.de/aktuelles/details/weihnachten-kommt-schneller-als-man-denkt-verschenken-sie-eine-mitgliedschaft-im-vbio Sie suchen ein besonderes Geschenk? Wir hätten da eine Idee: Verschenken Sie doch mal eine Mitgliedschaft im VBIO. Damit tragen Sie zur Stärkung der biowissenschaftlichen Community bei und Ihr Weihnachtsgeschenk ist sinnvoll und nachhaltig. Die Geschenk-Mitgliedschaft im VBIO ist das ideale Geschenk für jeden biowissenschaftlich Engagierten - egal ob Schüler, Student, BTA, Lehrer, Forscher oder Biowissenschaftler im Beruf....

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