VBIO

Forschungsansätze

Der Chemiker Emil Fischer formulierte bereits Ende des 19. Jahrhunderts das Programm einer gezielten chemischen Veränderung von Organismen für technische Zwecke und prägte  1915 den Ausdruck „chemisch-synthetische Biologie“. 2000 bezeichnete Eric Kool die Integration künstlicher chemischer Systeme in Lebewesen als „Synthetische Biologie“ und etablierte damit das heutige Verständnis dieses Begriffs. Man unterscheidet vor allem zwei Forschungsansätze "Bottom-up" und "Top-down".

Verschiedene Ansätze: "Bottom-up" und "Top-down"

Die Synthetische Biologie verwendet zwei typische Konstruktionsprinzipien aus den Ingenieurswissenschaften: den Bottom-up- und den Top-down-Ansatz.

Top-down-Ansatz

Ansatzpunkt ist die Reduktion eines natürlichen Organismus auf das absolut erforderliche Minimum an Komponenten und Prozessen, die dem Organismus das Überleben zumindest unter Laborbedingungen ermöglichen. Gelingt die Herstellung einer solchen Minimalzelle, steht den Wissenschaftlern ein Labororganismus mit einem reduzierten Komplexitätsgrad zur Verfügung, an dem sich wichtige Prozesse leichter untersuchen lassen.

Ausgehend von einer solchen Minimalzelle werden schließlich definierte fremde Elemente oder Module hinzugefügt, z. B. auch ganze Gencluster. Der Methodenfundus des Top-down-Ansatzes ist jenem der Gentechnologie ähnlich, wenngleich komplexer und anspruchsvoller. Ein reales Beispiel des angewandten Top-down-Ansatzes ist die technische Einschleusung bestimmter Gene in Hefezellen, die es diesen erlauben, die Vorstufe eines Antimalariamittels herzu stellten.
 

Bottom-up-Ansatz

Ziel ist es, ausgehend von einfachen chemischen Bausteinen komplexe Biosysteme von Grund auf neu zu erstellen. Dies erfordert eine sehr gute Kenntnis der Komponenten biologischer Systeme (Kohlenhydrate, Fette, Proteine, Nukleinsäuren; aber auch Membranen und Organellen).

Auf dieser Basis entwerfen Wissenschaftler ein (neues) biologisches System mit den erwünschten Funktionen. Sie konstruieren dieses gemäß chemisch-physikalischer Grundprinzipien aus den Einzelmodulen. Als Bausteine kommen dabei nicht nur natürliche, sondern auch modifizierte natürliche und gänzlich synthetische Biomoleküle zum Einsatz.

Besonders deutlich wird das Baukastenprinzip beim studentischen iGEM-Wettbewerb. Die Teilnehmer versuchen, eine Fragestellung durch die Nutzung vereinheitlichter Methoden und standardisierter, frei kombinierbarer DNA-Bausteine, den BioBricks, zu lösen

Eines der Hauptziele des Bottom-up-Ansatzes ist die Entwicklung prototypischer Zellen (sogenannter Protozellen). Es handelt sich dabei nicht um lebende Zellen, sondern um künstliche replikationsfähige Einheiten, die viele Eigenschaften lebender Zellen aufweisen (z. B. einen mutierbaren Informationsspeicher, ein Stoffwechselsystem, eine umhüllende Membran). Protozellen gelten als wichtige hypothetische Entwicklungsstufe im Rahmen der chemischen Evolution des Lebens. Ihre künstliche Konstruktion soll helfen, die Grundprinzipien des Lebens besser zu verstehen.


Forschungsfelder der Synthetischen Biologie

Innerhalb der Synthetischen Biologie lassen sich unterschiedliche Forschungsfelder abgrenzen.:

Synthese von Genen und Genomen
Hier geht es um die Synthese neuer Gene und Genome, die durch neue biotechnologsiche Methoden sehr viel weniger Aufwand erfordern als bisher.

Design genetischer Schaltkreise
Im Mittelpunkt steht die Entwicklung neuartiger genetischer Schaltkreise und solcher mit einem neuen output. Erforscht werden auch die Kombinationen mehrerer Inputs sowie die Kombination von Schaltkreisen für die Regulation komplexer biologischer Systeme.

Design maßgeschneiderter Stoffwechselwege
Hier geht es um die Kombination von Genen aus verschiedenen Ursprungsorganismen und die Nutzung von Genen in neuen Kontexten. Im Fokus steht die gezielte Evolution von Genen für bestimmte Zwecke, insbesondere die Produktion bestimmter Biomoleküle auf neuartigem Wege.

Minimalzellen: Genomreduktion und Generierung von Protozellen
Ziel vieler Forschungsansätze ist eine einfachste Zelle, die nur die zum Überleben absolut notwendigen Komponenten enthält und als Protozelle gelten kann. Die Vertreter der Top-down-Ansatzes arbeiten auf dieses Ziel hin, in dem sie alle nicht essentielliellen Elemente entfernen. Beim Bottom-up-Ansatz geht es darum, aus unbelebter Materie eine Protozelle zu konstruieren.
Wenn es diese "Einfach-Zellen" sukzessive mit zusätzlichen Stoffwechselwegen auszustatten, do könnten diese geeignete biotechnologische Produktionsplattformen darstellen.

Xenobiologie
Die Xenobiologie erforscht neuartige biologische und biochemische Systeme, die sich von dem kanonischen („natürlichen“) Systemen unterscheiden. So werden die natürlichen DNA- und RNA-Moleküle durch synthetische Nukleinsäure-Analoga ersetzt und unter der Bezeichnung Xenonukleinsäuren (XNA) als Informationsträger verwendet. Dabei geht es letztlich um eine Erweiterung des genetischen Codes und den Einbau von Aminosäuren, die normalerweise nicht in Proteine eingebaut werden.
 

Weitere Methoden mit Einfluss auf die Synthetische Biologie
Eine Reihe unterschiedlichster Methoden – z. B. aus dem Feld der Informationstechnologie - hat Einfluss auf die Entwicklung der Synthetischen Biologie und wird im Rahmen des Monitorings von der ZKBS geprüft.


Risikoprävention

Es gibt verschiedene konzeptionelle Ansätze, um potentiellen Risiken vorzubeugen, die durch Organismen oder Produkte hervorgerufen werden können, die durch Methoden der Synthetischen Biologie entstanden sind.

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