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Mit der Genschere einzelne Zelltypen gezielt eliminieren

CRISPR-Kill  Pflanzen
Mit CRISPR-Kill verhindern die Forschenden an der Modellpflanze Ackerschmalwand das Ausbilden von Seitenwurzeln. (Abbildung: Angelina Schindele, KIT)

Mit der molekularen Schere CRISPR/Cas lassen sich genetische Informationen in Pflanzen verändern, um sie etwa robuster gegen Schädlinge, Krankheiten oder extreme klimatische Bedingungen zu machen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) haben diese Methode nun so weiterentwickelt, dass sie erstmals in der Lage sind, die komplette DNA spezifischer Zelltypen zu eliminieren und so deren Entstehung während der Pflanzenentwicklung zu verhindern. Dies soll dabei helfen, die Entwicklungsvorgänge bei Pflanzen besser zu verstehen.

Molekulare Scheren ermöglichen es, die DNA – also den Träger der Erbinformationen – in Pflanzen zu verändern. Die von Professor Holger Puchta, Molekularbiologe am Botanischen Institut des KIT, für Pflanzen mitentwickelte CRISPR/Cas-Methode ermöglichte es bisher bereits, gezielt Gene einzufügen, auszutauschen oder zu kombinieren, um Kulturarten widerstandsfähiger etwa gegen Krankheiten und Umwelteinflüsse zu machen. Bei CRISPR (steht für Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats)/Cas handelt es sich um eine molekulare Schere, die DNA-Sequenzen hochspezifisch erkennt und schneidet. „Bereits seit 30 Jahren forschen wir an molekularen Scheren für Pflanzen. Am Anfang haben wir sie eingesetzt, um einzelne Gene zu verändern. Vor zwei Jahren ist es uns zum ersten Mal weltweit gelungen, ganze Chromosomen umzuformen“, sagt Puchta, der als Pionier des Genome Editing mit molekularen Scheren gilt und für seine Forschung bereits zweimal den renommierten Advanced Grant vom Europäischen Forschungsrat (European Research Council, ERC) erhalten hat. „Jetzt haben wir die bisherige Methode optimiert und mit CRISPR-Kill eine komplett neue Ebene bei der Entwicklung erreicht: Wir können nun einzelne Pflanzenzelltypen ausschalten und so das Ausbilden von ganz spezifischen Pflanzenmerkmalen verhindern.“

Mit CRISPR-Kill Seitenwurzeln und Blütenblätter eliminieren

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konzentrierten sich bei ihren Versuchen auf die Seitenwurzeln und Blütenblätter der Modellpflanze Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana). „Das sind klassische Beispiele in der Biologie. Hier kennen wir das genetische Programm und wissen, welche Zelltypen wichtig für das Ausbilden dieser Pflanzenteile sind“, so der Molekularbiologe. Nach dem Ausschalten der spezifischen Zelltypen, bildeten die CRISPR-Kill-Pflanzen keine Blütenblätter oder Seitenwurzeln, während die Kontrollpflanzen normales Wachstum zeigten.

Die Methode CRISPR-Kill zielt im Gegensatz zu anderen Methoden, bei denen Zellen durch Zellgifte oder dem Einsatz von Laserstrahlung eliminiert werden, auf das Schneiden spezifischer Stellen im Genom ab. Ein Genom besteht aus einer bestimmten Zahl von Chromosomen, auf denen in festgelegter Reihenfolge die einzelnen Gene angeordnet sind. „Bisher haben wir bei CRISPR/Cas genau eine Stelle angesteuert und ein- oder zweimal geschnitten, um ein Gen oder Chromosom zu verändern“, so Puchta. „Jetzt haben wir die molekulare Schere so umprogrammiert, dass sie in dem jeweiligen Zelltyp nicht nur einmal schneidet, sondern eine Sequenz ansteuert, die häufig im Genom vorkommt und für das Überleben der Zelle essenziell ist. So kommt es gleichzeitig zu vielen Schnitten – zu so vielen, dass die Zelle diese nicht mehr reparieren kann und abstirbt.“

Entwicklungsvorgänge bei Pflanzen besser verstehen

Mit ihrer Arbeit tragen die Forschenden des KIT zur Grundlagenforschung bei. „Indem wir untersuchen, was passiert, wenn man den einen oder den anderen Zelltyp ausschaltet, können wir mehr über die Entwicklungsvorgänge bei Pflanzen lernen. Wie reagiert die Pflanze? Wie flexibel ist sie in ihrer Entwicklung? Können wir Teile von Pflanzen entfernen, die beispielsweise in der Landwirtschaft nicht benötigt werden?“, blickt Puchta in die Zukunft. Langfristig könnten sowohl die Lebensmittelproduktion als auch pharmazeutische Anwendungen von dieser Technologie profitieren, indem beispielsweise das Entstehen von Zellen, die Giftstoffe produzieren, bei der Entwicklung der Pflanze gezielt verhindert wird. Auch könnte die Technik bei anderen Vielzellern für die gezielte Veränderung von Geweben Anwendung finden.

KIT


Originalpublikation:
Angelina Schindele, Fabienne Gehrke, Carla Schmidt, Sarah Röhrig, Annika Dorn & Holger Puchta: Using CRISPR-Kill for organ specific cell elimination by cleavage of tandem repeats. Nature Communications, 2022. DOI: 10.1038/s41467-022-29130-w.
https://doi.org/10.1038/s41467-022-29130-w

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