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Wie Kieselalgen mit Uran interagieren

Künstlerische Darstellung der Wechselwirkung von Uran mit der Süßwasser-Kieselalge Achnanthidium saprophilum.
Künstlerische Darstellung der Wechselwirkung von Uran mit der Süßwasser-Kieselalge Achnanthidium saprophilum. Solche Kieselalgen können der Ausgangspunkt für die Anreicherung von Schadstoffen – beispielsweise Radionukliden – in der Nahrungskette sein. Copyright: B. Schröder/HZDR

Uran kommt in Mineralen im Boden vor, löst sich in Bergbauwässern, gelangt zusammen mit Phospatdünger auf die Felder: In Deutschland ist das Schwermetall Uran vor allem in Sachsen und Thüringen verbreitet, weitere Vorkommen gibt es in Süddeutschland. In Kooperation mit französischen Forschenden haben Fachleute des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) nun aufgeklärt, wie Uran chemisch mit Kieselalgen wechselwirkt. Da Algen Ausgangspunkt der Anreicherung gesundheitsschädlicher Stoffe in der Nahrungskette sein können, helfen die Ergebnisse, die Auswirkung von Uraneinträgen in natürliche Kreisläufe besser zu verstehen. 

„Natürlich vorkommendes Uran hat eine lange Halbwertszeit und wirkt deshalb nicht nur radiotoxisch, sondern auch chemotoxisch“, sagt die Chemikerin Dr. Susanne Sachs vom Institut für Ressourcenökologie am HZDR. „Inwieweit Uran von Organismen aufgenommen werden kann, hängt dabei von seiner chemischen Form ab: In gelöster Form können es Bakterien, Pflanzen, Tiere und Menschen einfacher aufnehmen, als in ungelöster Form.“ 

Dass Uran über die Nahrungskette weitergegeben werden kann, ist schon länger bekannt. Bislang jedoch fehlen grundlegende Erkenntnisse, wie diese Prozesse im Einzelnen ablaufen und wie kritisch die Folgen für Mensch und Umwelt sind. „Gibt es zum Beispiel Nutzpflanzen, die Uran besonders stark akkumulieren und geht von ihnen dann auch ein besonders hohes Risiko aus“, fragt der Mikrobiologe Dr. Johannes Raff. „Dazu gibt es noch erhebliche Wissenslücken. Entsprechend versuchen wir am HZDR zu verstehen, wie sich das Uran in der Umwelt und im Zusammenwirken mit verschiedenen Organismen verhält.“

Nähere Erkenntnisse hierzu förderte nun eine Doktorarbeit zutage, die die Wissenschaftler*innen gemeinsam mit Forschenden des Labors Subatech des Centre national de la recherche scientifique (CNRS) aus Frankreich umgesetzt haben. Um zu untersuchen, wie sechswertiges Uran chemisch mit der Süßwasserkieselalge Achnanthidium saprophilum interagiert, führte ein französischer Doktorand eine Reihe von Experimenten am HZDR durch. Eine besondere Herausforderung dabei: Die untersuchte Algenart ist in der Natur mit verschiedenen Bakterienarten vergemeinschaftet. Potentiell treten so beide Lebensformen zugleich mit Uran in Wechselwirkung, wenn es in ein Gewässer gelangt.

Uran wird sowohl auf der Oberfläche als auch im Inneren der Algen gebunden

„Die Frage war zunächst, ob Uran nur außen an die Algen gebunden wird oder auch ins Innere der Alge gelangt. Ferner wollten wir herausfinden, welche chemischen Bindungsformen hierbei entstehen und die dahinterliegenden Prozesse auf molekularer Basis verstehen“, erklärt Sachs. Zunächst ließen die Forschenden die Algen in einem Kulturmedium heranwachsen und überführten sie anschließend in eine mit Uran angereicherte Lösung. „Unser Doktorand hat die Algen nach Ablauf bestimmter Zeitintervalle – von einigen Stunden bis Wochen – wieder aus der Lösung entfernt und jeweils gemessen, wie viel Uran noch in der Lösung verblieben war“, sagt Sachs. „So konnten wir sehen, wie viel Schwermetall die Algen insgesamt aufgenommen haben und ob sich die Aufnahmemenge über die Zeit verändert hat.“ Im Anschluss präparierte das Team Proben der Kieselalgen, um sie mit Elektronenmikroskopie und Röntgenspektroskopie zu untersuchen. Sie wollten herausfinden, an welchen Stellen genau sich Uran angelagert hatte.

Neben phosphathaltigen Gruppen sind auch Carboxylgruppen ein wichtiger Bindungspartner

„Hierbei konnten wir sehen, dass Uran tatsächlich mit den Algen in Wechselwirkung tritt. Es kommt sowohl auf der Oberfläche als auch im Inneren der Algen vor – und zwar dort, wo phosphorhaltige Verbindungen vorhanden sind“, berichtet Sachs. Mit Blick auf die Interaktion von Uran mit phosphorhaltigen funktionellen Gruppen auf der Oberfläche der Algen blieb dabei zunächst unklar, an welche Substrukturen genau das Uran angedockt war. Raff erläutert: „Die Phosphateinheiten, an die das Uran dort bindet, könnten Teil eines Zuckers, eines Proteins oder auch einer anorganischen Substanz auf der Oberfläche der Algen sein. Wie stabil diese Verbindungen sind, können wir entsprechend nicht sicher sagen.“

Mittels Fluoreszenzspektroskopie überprüften die Forschenden, ob im Zeitverlauf unterschiedliche chemische Bindungen entstanden waren. Und tatsächlich: Die Analysen lieferten Hinweise auf die Anwesenheit zweier unterschiedlicher Uran-Spezies in den Proben, deren Mengenverhältnis sich im Laufe der Zeit veränderte. Die Vermutung des Teams: Zunächst bindet Uran vorrangig an der Oberfläche der Algen. Mit der Zeit wird es dann zunehmend auch ins Innere der Alge eingeschleust, wo ein zweiter Bindungstyp entsteht. Infrarotspektroskopische Untersuchungen zeigten, dass das Uran zum einen über sogenannte carboxylische funktionelle Gruppen, also sauerstoffhaltige Molekülteile, die leicht an Metalle binden können, und zum anderen über phosphathaltige Gruppen gebunden wird.

Langzeitblick auf die Gefährdung von Ökosystemen

„Mit unserer Studie konnten wir nachweisen, dass Kieselalgen Uran nicht nur binden können, sondern auch ins Zellinnere aufnehmen“, resümiert Sachs. „Zudem konnten wir erste Erkenntnisse zu den hierbei entstehenden chemischen Bindungsformen gewinnen.“ Unsicher sei jedoch, wie stark mit den Algen vergesellschaftete Bakterien zu den Bindungen beigetragen haben könnten – und ob sich die chemischen Bindungen mit der Zeit womöglich stark veränderten. Um das herauszufinden, müssten Proben von Algen, die mit Uran in Kontakt waren, über längere Zeiträume immer wieder untersucht werden – zum Beispiel über sechs Monate oder auch ein ganzes Jahr. „Hier differenzieren zu können wäre wichtig, um Effekte nicht über- oder unterzubewerten.“

Kieselalgen bilden neben anderem Phytoplankton als erstes Glied in der Nahrungskette die Futterbasis für höhere Organismen, wie etwa Ruderfußkrebse, die wiederum die Nahrung für Fische sind. Die Algen werden an dieser Stelle zum Einfallstor für Uran: Gelangt es in Gewässer, stellt sich deshalb die Frage, in welchem Ausmaß das Schwermetall über Kieselalgen an andere Spezies weitergegeben wird und sich in der Nahrungskette anreichert – etwa in Fischen, Vögeln und Amphibien. In Folgeprojekten hoffen die Forschenden, nähere Erkenntnisse darüber zu gewinnen. Relevant wäre Wissen dieser Art dabei durchaus nicht nur im Kontext der Hinterlassenschaften des Uranbergbaus oder der Langzeitsicherheit von Endlagern. „Jedes Jahr werden laut Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft zusammen mit Phosphatdüngern rund 167 Tonnen Uran auf deutsche Felder ausgebracht“, sagt Raff. „Und auch seltene Erden und andere Nutzmetalle sind häufig mit Radionukliden vergesellschaftet. Es besteht das Risiko, dass diese Gefahrstoffe ins Ökosystem gelangen und dort Schaden anrichten. Es kann durch umsichtiges Handeln, geeignete Risikoabschätzungen und Schutzmaßnahmen verringert werden.“

Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf


Originalpublikation:

He, Y., Sushko, V., Hübner, R. et al. A multiscale investigation of uranium(VI) interaction with a freshwater diatom species. Sci Rep15, 19110 (2025). doi.org/10.1038/s41598-025-93350-5