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Stellungnahme des Allgemeinen Fakultätentags zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz

Die Bundesregierung erarbeitet zur Zeit eine Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes. Unter anderem haben der Deutsche Hochschulverband (DHV) und die Junge Akademie Vorschläge unterbreitet, wie diese Novelle die Balance zwischen dem Anspruch der Beschäftigten nach einer möglichst planbaren wissenschaftlichen Laufbahn und dem Bedarf der Wissenschaft nach Flexibilität verbessern kann. Dazu nimmt der Allgemeine Fakultätentag wie folgt Stellung.

(1) Es ist noch völlig unklar, welche wissenschaftlichen Stellen befristete Postdoc-Stellen und Juniorprofessuren für die ersten Jahre nach der Promotion ersetzen könnten. Die derzeitige zeitliche Obergrenze für befristete Beschäftigungen in der Wissenschaft sollte erst gesenkt werden, nachdem sich eine neue Art von unbefristeten Stellen für diese Karrierephase bewährt hat.

Die Konkurrenz um Tenure-Track-Professuren wird auf absehbare Zeit so groß bleiben, dass Bewerber und Bewerberinnen kurz nach der Promotion kaum Erfolgschancen haben. Im Übrigen dauern Berufungsverfahren immer einige Monate, und es kann Jahre dauern, bis überhaupt eine geeignete Professur ausgeschrieben wird, insbesondere in kleineren Fächern. Für die ersten Jahre nach der Promotion sind daher Tenure-Track-Professuren keine vollständige Lösung.

Bei den derzeitigen Postdoc-Stellen und Juniorprofessuren begründet die „persönliche Weiterqualifikation“ im Arbeitsvertrag einerseits eine Befristung des Arbeitsverhältnisses, andererseits eine Halbierung der Lehrverpflichtung. Das gibt Postdocs mehr Zeit, um das eigene Forschungsprogramm weiterzuentwickeln. Einigen von ihnen gelingt es dabei, sich durch herausragende Forschungsergebnisse für Professuren zu empfehlen. Die derzeitigen Dauerstellen im akademischen Mittelbau bieten viel weniger Freiraum. Dort wird wertvolle wissenschaftliche Arbeit geleistet. Aber sie bieten kaum Aufstiegschancen zu einer Professur. Damit sind sie wie die Stellen im Wissenschaftsmanagement, die zuletzt als alternativer Karriereweg etabliert worden sind, Endstationen für wissenschaftliche Laufbahnen. Als Sprungbretter auf Professuren werden auch weiterhin Stellen benötigt, bei denen die persönliche Weiterqualifikation zum Aufgabenspektrum gehört. Zur Zeit fehlen für unbefristete Stellen dieser Art noch die rechtlichen und finanziellen Voraussetzungen.

(2) Die Befristungsfrage für wissenschaftlich Beschäftigte an Universitäten kann nur unter Berücksichtigung der Hochschulfinanzierungsstruktur beantwortet werden. Rechtspolitische Vorschläge zur Befristung wissenschaftlicher Beschäftigung müssen daher mit der Struktur der Universitätsfinanzierung abgestimmt sein.

Eine der Hauptursachen für befristete Beschäftigung an den Hochschulen liegt in der Struktur der Hochschulfinanzierung. Die Hochschulen wirtschaften zunehmend mit projektbezogenen, befristeten Mitteln, während der Anteil an verlässlichen und nicht projektgebundenen Mitteln sinkt. Die Grundfinanzierung erfolgt bisher ausschließlich durch die Bundesländer, während der Bund und andere Geldgeber nur befristete Projekte finanzieren. Eine vom DHV beauftragte Studie „Entwicklung der Finanzierung von Hochschulen und Außeruniversitären Forschungseinrichtungen seit 1995“ des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie vom März 2018 schätzt, dass der Anteil der Bundesländer an der Finanzierung der Hochschulen von 77% im Jahr 1995 auf nur noch 52% im Jahr 2015 gesunken ist. Dieser Trend besteht weiter fort. Der Anteil der projektgebundenen Finanzierung ist sogar noch stärker gewachsen, weil die Bundesländer ihre Mittel vermehrt für befristete Projekte vergeben, zum Beispiel als Kofinanzierung für Projekte des Bundes. Anders als Privatunternehmen können Hochschulen befristet verfügbare Personalmittel nicht für unbefristete Einstellungen verwenden. Die Schaffung zusätzlicher unbefristeter Stellen setzt daher eine Änderung in der Finanzstruktur der Hochschulen voraus.

(3) Eine Senkung der Gesamtdauer befristeter Beschäftigung zur wissenschaftlichen Weiterbildung, wie von verschiedener Seite vorgeschlagen, ist sowohl für die Universitäten als auch für junge Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen schädlich, solange es keine neuen wissenschaftlichen Dauerstellen gibt.

Würde die Obergrenze für befristete Beschäftigung jetzt gesenkt, so würde das viele junge Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen zwingen, den deutschen Hochschulen den Rücken zu kehren, weil sie sich auf befristete Stellen nicht mehr bewerben könnten und es weiterhin kaum unbefristete Stellen gibt. Sie könnten ihre wissenschaftliche Karriere mit einer vermutlich befristeten Stelle im Ausland fortsetzen oder eine nicht akademische Stelle annehmen. Die Hochschulen würden voraussichtlich so wie zur Zeit in Berlin einen Großteil der befristeten Stellen in Promotionsstellen umwandeln. Damit ersetzen sie hochqualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch weniger erfahrene, worunter die Qualität von Forschung und Lehre leiden wird.

Allgemeiner Fakultätentag