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Genomgrößenvariation bei neuseeländischen Süßwasserschnecken nachgewiesen

neuseeländische Süßwasserschnecke
Potamopyrgus antipodarum, Copyright: Bart Zjilstra

Neue Erkenntnisse zur genetischen Vielfalt der neuseeländischen Süßwasserschnecke Potamopyrgus antipodarum wurden jetzt in einer neuen Studie von einem internationalen Forschungsteam unter Leitung von Maurine Neiman von der University of Iowa, USA, und Dunja Lamatsch von der Universität Innsbruck veröffentlicht. Die Studie, erschienen in Royal Society Open Science, liefert die bisher umfassendste Analyse der Kern-Genomgröße bei dieser weit verbreiteten und invasiven Art. 

Die Neuseeländische Zwergdeckelschnecke (Potamopyrgus antipodarum) ist eine in Süßwasser und Brackwasser verbreitete, kleine Gehäuseschneckenart. Ursprünglich in Neuseeland beheimatet, ist sie heute als Neozoon fast weltweit verschleppt worden und auch in Mitteleuropa eine der häufigsten Wasserschneckenarten. Um das Genom dieser invasiven Art zu untersuchen, setze das Team um Maurine Neimann und Dunja Lamatsch erstmals die Methode der Propidiumiodid-gestützten Durchflusszytometrie ein, um die Größe der gesamten Erbsubstanz im Zellkern zu bestimmen und in einer großen und vielfältigen Stichprobe dieser Schneckenart zu messen. 

Propidiumiodid ist ein membranundurchlässiger Farbstoff, der in lebenden Zellen im Allgemeinen nicht vorkommt. Mit der Methode konnten Genomgrößen in nahezu 100 Exemplaren von P. antipodarum aus verschiedenen Populationen und Laborlinien präzise gemessen werden. Überraschend zeigte sich eine enorme Variation in der Genomgröße sowohl zwischen als auch innerhalb von Ploidie-Leveln (diploid, triploid und tetraploid). Zudem ergaben Vergleiche mit der eng verwandten Art Potamopyrgus estuarinus, dass P. antipodarum eine deutlich größere Genomgröße aufweist – ein weiteres Indiz für eine kürzlich erfolgte Verdopplung des gesamten Genoms (Whole-Genome Duplication, WGD).

Besseres Verständnis evolutionärer Prozesse

„Diese Ergebnisse liefern uns nicht nur ein genaueres Bild über die enorme genetische Vielfalt innerhalb von P. antipodarum, sondern auch über die evolutionären Prozesse, die durch eine Genomverdopplung ausgelöst werden“, erklärt Maurine Neiman. „Unser Modellorganismus eröffnet damit faszinierende Möglichkeiten, um den Einfluss von Genomverdopplungen auf Biodiversität und Anpassungsfähigkeit zu erforschen.“
Besonders bemerkenswert war, dass eine Population von P. antipodarum auf der Coromandel-Halbinsel in Neuseeland eine ungewöhnlich kleine Genomgröße aufwies, ohne sich morphologisch von anderen Populationen zu unterscheiden. Diese Entdeckung wirft neue Fragen zur Entstehung und Bedeutung solcher Genomgrößenunterschiede innerhalb derselben Art auf.

„Genomgrößenvariation ist eine oft übersehene, aber entscheidende Grundlage für das Verständnis von Anpassungsfähigkeit und evolutionärer Dynamik“, betont Dunja Lamatsch vom Forschungsinstitut für Limnologie, Mondsee, der Universität Innsbruck die Bedeutung ihrer Arbeit für die Evolutions- und Umweltbiologie. „Unsere Ergebnisse zeigen: Genetische Vielfalt ist viel größer, als wir bisher dachten – und sie spielt eine zentrale Rolle in der Evolution“, so Lamatsch. Genomgrößen gelten als Schlüsselfaktor für Anpassung, Fortpflanzung und evolutionäre Entwicklung. „Die nun nachgewiesene Genomverdopplung (Whole-Genome Duplication, WGD) bei P. antipodarum könnte erklären, warum diese Schnecke so erfolgreich ist – auch als invasive Art außerhalb Neuseelands.“

Universität Innsbruck


Originalpublikation:

Neiman M., Pichler M., Haase M., Lamatsch D.K. (2025). Variation in nuclear genome size in a freshwater snail model system featuring a recent whole-genome duplication. R. Soc. Open Sci. 12: 250171. DOI: 10.1098/rsos.250171, https://doi.org/10.1098/rsos.250171