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Pinocchio-Chamäleon führt Forschende an der Nase herum

neue Chamäleonart Calumma pinocchio
Die Männchen der neuen Chamäleonart Calumma pinocchio zeichnen sich durch einen glattrandigen Schnauzenfortsatz aus. Quelle: Frank Glaw, SNSB

Genetische und morphologische Untersuchungen bringen zwei neue Chamäleon-Arten ans Licht. So erhält ein kleines Chamäleon mit einer sehr langen Nase schließlich den wissenschaftlichen Namen, der zu ihm passt - Calumma pinocchio.

Madagaskar ist das Land der Chamäleons. Mehr als 40% aller bekannten Chamäleonarten leben auf der Insel vor der ostafrikanischen Küste, darunter auch das kleine, bereits seit fast 150 Jahren bekannte Pinocchio-Chamäleon. Es gehört zum Artenkomplex Calumma gallus, deren Männchen lange charakteristische Nasenfortsätze tragen. Wer dazu gehört, zeigte bisher vor allem die Form dieser verlängerten Schnauze.

Genetische und morphologische Analysen belegen nun, dass das als Pinocchio-Chamäleon bekannte Tier tatsächlich zu einer ganz eigenen, neuen Art gehört. Die Autoren der neuen Studie gaben ihm den wissenschaftlichen Namen Calumma pinocchio, so dass sein deutscher Name und sein wissenschaftlicher Name nun übereinstimmen.

Weitere neue Verwandtschaftsverhältnisse bei den Nasenchamäleons konnten die Forschenden durch den Blick in die Gene ihrer Sammlungsexemplare aufdecken: Sie identifizierten eine zweite neue Art: Calumma hofreiteri, die aufgrund der Form ihres Nasenfortsatzes und anderer Merkmale bisher der Art Calumma nasutum zugeordnet wurde.

„Die Genanalysen sind eindeutig: Die Nasenfortsätze dieser Chamäleons haben die bisherige Forschung quasi an der Nase herumgeführt", sagt Erstautor Dr. Frank Glaw von der zu den Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns gehörenden Zoologischen Staatssammlung. „Unsere Untersuchungen ergaben außerdem, dass sich die Nasenfortsätze in ihrer Länge, Form und Farbe vergleichsweise schnell verändern können. Sie unterliegen offenbar einer schnellen Evolution, eventuell angetrieben von den jeweiligen Vorlieben der Weibchen bei der Partnerwahl.“ 

Für die Neuzuordnung der Nasenchamäleons nutzte das internationale Forschungsteam neben klassischen Bestimmungsmethoden den sogenannten Museomics-Ansatz: also die Anwendung moderner, genetischer Methoden, mit denen man DNA-Sequenzen aus jahrhundertealten Museumsexemplaren gewinnen kann. Das älteste untersuchte Exemplar in dieser Studie war ein Chamäleon, das im Jahr 1836 gesammelt wurde. „Die Arbeit zeigt das große Potenzial der neuen Museomics-Methoden, um historische Museumsexemplare korrekt zuzuordnen“, ergänzt Prof. Miguel Vences von der Technischen Universität Braunschweig.

Mit den beiden Neubeschreibungen sind nun genau 100 Chamäleonarten aus Madagaskar bekannt, insgesamt gibt es derzeit 236 Arten dieser einzigartigen Echsengruppe.

SNSB – Zoologische Staatssammlung München


Originalpublikation:

Glaw, F., S. Agne, D. Prötzel, P.-S. Gehring, J. Köhler, M. Preick, F. M. Ratsoavina, N. Straube, K. Wollenberg-Valero, A. Crottini & M. Vences (2025): Towards a revision of the Malagasy chameleons of the Calumma gallus complex: Redefinition of Calumma nasutum based on a museomics approach, and descriptions of two new species. – Salamandra 61 (4): 442-466.

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