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Ozeanwirbel als „Foodtrucks“ der Meere

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Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Lipidsignatur innerhalb des Wirbels deutlich vom Umgebungswasser unterscheidet, also eine spezifische Mikrobengemeinschaft beherbergt. Illustration: Kevin Becker, GEOMAR

Wie gelangt organische Materie von den produktiven Küstengebieten aufs offene Meer? Eine wichtige Rolle dabei spielen Ozeanwirbel, wie Forschende des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel und des MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen jetzt zeigen konnten. Die wirbelförmigen Strömungen enthalten große Mengen energiereicher und lebensnotwendiger Fettmoleküle (essenzielle Lipide) und spielen damit eine zentrale Rolle für die Nahrungsketten im Meer und den Kohlenstoffkreislauf.

Kleinräumige Wirbelbewegungen im Ozean mit einem Durchmesser von etwa 100 Kilometern werden als „mesoskalige Wirbel“ bezeichnet. Sie sind allgegenwärtig im globalen Ozean und spielen eine entscheidende Rolle für die Meeresökosysteme. 

Insbesondere Wirbel, die sich in den biologisch produktiven küstennahen Auftriebsgebieten bilden, stellen ein wichtiges Transportmittel für Kohlenstoff und Nährstoffe dar: Sie schließen Wassermassen ein und wandern in den offenen Ozean, wo die Produktivität vergleichsweise gering ist. Somit haben sie einen erheblichen Einfluss auf den Nährstoff- und Kohlenstoffkreislauf im Ozean. 

Es ist ein langjähriges Ziel von Meeresforscher:innen im Detail zu verstehen, wie das Küstenwasser transportiert wird und die Produktivität im offenen Ozean beeinflusst, vor allem da sich die Wirbelaktivität durch den Klimawandel vermutlich stark verändern wird.

Bisher war zwar bekannt, dass Ozeanwirbel große Mengen an organischem Kohlenstoff und Nährstoffen transportieren, doch deren genaue Zusammensetzung und Nahrungsqualität für Zooplankton und Fische blieben weitgehend unerforscht. Mithilfe hochauflösender Massenspektrometrie konnte nun ein Forschungsteam vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und vom MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen das Lipidom – die Gesamtheit der Fettmoleküle – in und um einen rotierenden Wirbel bestimmen. Ihre Ergebnisse sind jetzt in der Fachzeitschrift Communications Earth and Environment veröffentlicht worden.

Hochmoderne Analytik enthüllt Lipidvielfalt in Wirbeln

„Diese Wirbel sind quasi die Foodtrucks des Ozeans“, sagt Dr. Kevin Becker, Geochemiker am GEOMAR und Erstautor der Studie, „sie transportieren Nährstoffe von den hochproduktiven Auftriebsgebieten vor der Küste in den offenen Ozean, geben sie dort ab und beeinflussen mutmaßlich die biologische Produktivität.“

Für ihre Studie untersuchten die Wissenschaftler:innen Proben, die für das am GEOMAR koordinierte Projektes REEBUS (Role of Eddies in the Carbon Pump of Eastern Boundary Upwelling Systems) während der METEOR Expedition M156 vor der Küste Mauretaniens (Westafrika) genommen wurden. Dabei konnten fast 1000 verschiedene Lipide identifiziert werden. Lipide können bis zu 20 Prozent des Kohlenstoffs in Phytoplankton ausmachen. Sie sind essenzielle Bestandteile von Zellen und erfüllen als Energiespeicher, Membranbausteine, Signalmoleküle und Elektronentransporter zentrale biologische Funktionen. 

Kevin Becker: „Lipide enthalten auch so genannte chemotaxonomische Informationen, die Rückschlüsse auf die Zusammensetzung mikrobieller Gemeinschaften erlauben. Sie verraten uns also über die Chemie, ob sie von Phytoplankton-, Bakterien- und Archaeenarten stammen.“

Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Lipidsignatur innerhalb des Wirbels deutlich vom Umgebungswasser unterscheidet, also eine spezifische Mikrobengemeinschaft beherbergt. Besonders angereichert waren energiereiche Speicherlipide sowie lebensnotwendige Fettmoleküle (essenzielle Fettsäuren) – Nährstoffe, die von höheren Meeresorganismen wie Zooplankton und Fischen nicht selbst hergestellt werden können und daher über die Nahrung aufgenommen werden müssen. 

Hochrechnungen zeigen, dass Küstenwirbel in der Auftriebsregion vor Mauretanien jährlich bis zu 9,7 ± 2,0 Gigagramm (rund 10.000 Tonnen) leicht abbaubaren organischen Kohlenstoffs (labiler Kohlenstoff) in den offenen Ozean transportieren. „Unsere Studie verdeutlicht die zentrale Rolle mesoskaliger Wirbel für den Kohlenstoffkreislauf auf lokaler Ebene und schafft eine Basis für zukünftige Untersuchungen ihrer Bedeutung im globalen Kontext“, sagt Prof. Dr. Anja Engel, Leiterin der Studie und des Forschungsbereichs Marine Biogeochemie am GEOMAR.

GEOMAR


Originalpublikation:

Becker, K.W., Devresse, Q., Prieto-Mollar, X. Hinrichs, K. U., & Engel, A. Mixed-layer lipidomes suggest offshore transport of energy-rich and essential lipids by cyclonic eddies. Commun Earth Environ 6, 179 (2025). https://doi.org/10.1038/s43247-025-02152-0