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Abwehrzellen aufrüsten: Neue CRISPR-Methode stärkt CAR-T-Zellen im Kampf gegen Krebs

AI-generierte Computervisualisierung einer CAR-T-Zelle beim Angrif auf eine Krebszelle
AI-generierte Computervisualisierung einer CAR-T-Zelle beim Angrif auf eine Krebszelle Copyright: © CeMM

CAR-T-Zellen haben die Behandlung bestimmter Blutkrebserkrankungen revolutioniert – doch allzu oft reicht ihre Wirkung nicht aus. Nun gibt es eine neue Strategie, um CAR-T-Zellen gezielt zu verbessern: Durch den Einsatz der „Genschere“ CRISPR gelang die Entdeckung unerwarteter genetischer Veränderungen, die CAR-T-Zellen zu deutlich wirksameren Krebstherapeutika machen. Entwickelt wurde diese Strartegie von einem Forschungsteam am CeMM und an der Medizinischen Universität Wien.

Sie gelten als Meilenstein der modernen Krebstherapie: CAR-T-Zellen sind körpereigene Immunzellen von Patient:innen, die im Labor scharf gemacht werden und dann als „lebende Medikamente“ im Körper nach Krebszellen jagen. Genauer: T-Zellen, die auch an der Abwehr von Infektionen beteiligt sind, werden gentechnisch mit einen sogenannten „Chimeric Antigen Receptor“ (abgekürzt: CAR) ausgestattet, mit dem sie Krebszellen erkennen.

Dieser Ansatz hat bereits vielen Menschen mit schwer behandelbaren Blutkrebserkrankungen das Leben gerettet. Doch bei einem Großteil der Patient:innen verlieren CAR-T-Zellen ihre Schlagkraft oder wirken nicht stark genug. Um diese Schwäche zu überwinden, haben Wissenschaftler:innen am CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der ÖAW und an der Medizinischen Universität Wien eine Methode entwickelt, mit der die Funktion der CAR-T-Zellen systematisch verstärkt werden kann.

Die im Fachjournal Nature veröffentlichte Studie beschreibt eine Plattform namens CELLFIE, die CAR-T-Zellen mit der CRISPR-Genschere systematisch verändert und dann ihre Durchschlagskraft untersucht. „Unsere Plattform testet tausende genetische Veränderungen parallel und zeigt auf, welche davon die CAR-T-Zellen fitter, effektiver oder weniger erschöpft machen“, erklärt Paul Datlinger, Co-Erstautor der Studie.

Weniger ist mehr: Immunfaktor hindert CAR-T-Zellen bei der Arbeit

Dabei stießen die Forscher:innen auf eine Überraschung: Das Ausschalten des Gens RHOG – eigentlich ein wichtiger Teil unseres Immunsystems – machte CAR-T-Zellen in präklinischen Modellen deutlich wirksamer gegen Leukämie. 

Im Gegensatz zu natürlichen T-Zellen, die von der Evolution über Millionen Jahre optimiert wurden, sind CAR-T-Zellen künstlich erzeugt, um Krebszellen ins Visier zu nehmen. Daher können sich Gene, die in der natürlichen Immunabwehr essenziell sind, in CAR-T-Zellen als hinderlich erweisen.
„RHOG ist ein perfektes Beispiel dafür“, so die Co-Erstautorin Eugenia Pankevich. „Es erfüllt eine zentrale Funktion in unserem Immunsystem, schwächt aber paradoxerweise die Wirksamkeit von CAR-T-Zellen. Indem wir dieses Gen mithilfe von CRISPR ausgeschaltet haben, konnten wir das therapeutische Potenzial der CAR-T-Zellen deutlich steigern.“

Mit der CELLFIE-Plattform testeten die Forscher:innen das Ausschalten von tausenden verschiedener Gene („Knockout“) in CAR-T-Zellen und validierten die vielversprechendsten Kandidaten mit einer neu entwickelten CRISPR-Screening-Methode in Mäusen. Das Ergebnis war eindeutig: CAR-T-Zellen mit ausgeschaltetem RHOG-Gen vermehrten sich besser, erschöpften sich später und kontrollierten Leukämie deutlich effektiver als herkömmliche CAR-T-Zellen.

Knockout-Kombination heilt Mäuse von Leukämie

„Wir haben zwei Gen-Knockouts mit sich ergänzenden Eigenschaften gefunden – und gemeinsam wirkten sie noch stärker“, beschreibt Cosmas Arnold, Co-Erstautor die Ergebnisse. „Durch gleichzeitiges Ausschalten von RHOG und FAS erzielten wir einen überraschend synergistischen Effekt: Die genetisch veränderten CAR-T-Zellen vermehrten sich schneller, blieben länger aktiv, zerstörten sich weniger gegenseitig – und konnten Mäuse von einer aggressiven Leukämie heilen.“

Mit CELLFIE steht nun eine vielseitige Plattform zur Verfügung, um CAR-T-Zellen und andere Zelltherapien systematisch weiterzuentwickeln. Neben klassischen Knockout-Experimenten lassen sich damit auch kombinatorische Genveränderungen und die präzise Editierung einzelner Positionen in der DNA-Sequenz testen. Diese Plattform eröffnet neue Möglichkeiten für die Entwicklung von maßgeschneiderten Immunzellen – mit Potenzial weit über die Behandlung von Blutkrebs hinaus, etwa bei soliden Tumoren, Autoimmunerkrankungen oder in der regenerativen Medizin.

„Unsere Studie liefert nicht nur einen hochinteressanten Kandidaten für künftige klinische Tests gegen bestimmte Formen von Blutkrebs“, betont Christoph Bock, Principal Investigator am CeMM und Professor an der Medizinischen Universität Wien. „Wir präsentieren auch eine neue Methode zur systematischen Verbesserung zellbasierter Immuntherapien und zur Programmierung von Zellen, um sie als wirksame Krebstherapeutika und als lebende Medikamente für eine Vielzahl von Krankheiten einzusetzen.“

CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften


Originalpublikation:

Datlinger, P., Pankevich, E.V., Arnold, C.D. et al. Systematic discovery of CRISPR-boosted CAR T cell immunotherapies. Nature (2025). doi.org/10.1038/s41586-025-09507-9

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