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600 Millionen Jahre Stress

Die Sternalge „Zygnema circumcarinatum“ (Lichtmikroskopische Aufnahme)
Die Sternalge „Zygnema circumcarinatum“ zeigt ähnliche Stressreaktionen wie das Moos (Lichtmikroskopische Aufnahme) Tatyana Darienko

Wie haben frühe Landpflanzen die Herausforderungen ihrer neuen Umgebung gemeistert? Und wie haben Pflanzen es geschafft, trotz der Stressoren an Land eine immense Artenvielfalt zu entwickeln? Dazu haben Forschende unter Leitung der Universität Göttingen neue Erkenntnisse gewonnen: Sie verglichen Algen und Landpflanzen, die 600 Millionen Jahre unabhängiger Evolution durchlaufen haben, und entdeckten genetisch ähnliche Stressreaktionen. Die Ergebnisse hat das Team in einem umfassenden Datensatz festgehalten. Sie wurden in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht. 

Von Moosen über Farne und Gräser bis hin zu Bäumen – Pflanzen sind essenziell für die Menschheit. Sie sind unsere Nahrung, dienen als Tierfutter und liefern Holz. All diese Vielfalt ist aus einem gemeinsamen Algenvorfahren hervorgegangen, der vor langer Zeit das Land erobert hat. Der Erfolg der Landpflanzen ist überraschend, weil es sich um einen anspruchsvollen Lebensraum handelt. An Land führen rasche Veränderungen der Umweltbedingungen zu Stress, und Pflanzen haben einen komplexen molekularen Mechanismus, um darauf zu reagieren.

Um diesen Mechanismus weiter zu entschlüsseln, konzentrierte sich das Forschungsteam auf eine besondere Algengruppe: Die sogenannten Zygnematophyten sind einzellige und fadenförmige Algen und die engsten Verwandten der Landpflanzen. Die Forschenden nutzten Hunderte Proben von Moos- und Algenkulturen, die Umweltstressoren ausgesetzt waren. Mit Hilfe fortschrittlicher bioinformatischer Methoden erhielten sie ein umfassendes Bild davon, wie die Organismen über einen Zeitraum von mehreren Stunden auf die Herausforderungen dynamisch reagierten. Weitere Analysen offenbarten ein gemeinsames Netzwerk der Genregulation, also ähnliche genetische Mechanismen zur Steuerung der Genaktivität.

Forschungsleiter Prof. Dr. Jan de Vries von der Abteilung für Angewandte Bioinformatik der Universität Göttingen erklärt: „Eine große Überraschung war, dass wir mehrere stark miteinander verbundene Gene – sogenannte ‚Hubs‘ – in dem Netzwerk gefunden haben. Und dass sich solch unterschiedliche Organismen, die sich evolutionär gesehen vor etwa 600 Millionen Jahren voneinander getrennt haben, diese Hubs teilen. Diese Knotenpunkte scheinen Informationen zu bündeln und die Reaktion des gesamten Netzwerks zu formen.“

„Jetzt haben wir einen umfassenden Datensatz von Stressreaktionen, der genetische und biochemische Informationen kombiniert. Die Reaktionen können weiter auf ihre physiologischen Auswirkungen in der gesamten Pflanzenvielfalt untersucht werden“, ergänzt Erstautor Dr. Tim Rieseberg von derselben Abteilung.

Universität Göttingen


Originalpublikation:

Tim P. Rieseberg et al. Time-resolved oxidative signal convergence across the algae–embryophyte divide. Nature Communications (2025). DOI: https://doi.org/10.1038/s41467-025-56939-y

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