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Wissenschaftsjahr 2020|21 – Bioökonomie: Lob auf die Algen

Eis aus Spirulina-Algen für die Gäste der Saaleexpedition an Bord des Bürgerforschungsschiffes Make Science Halle © science2public

 Vom Sushi-Teller zum aufstrebenden Bioökonomie-Multitalent des 21. Jahrhunderts: Die Alge hat in den vergangenen Jahren eine beispiellose Karriere hingelegt. Sie kann Plastik in Verpackungen und das Kerosin im Tank ersetzen. In der Kosmetikindustrie sorgt sie dank ihres hohen Gehalts an Antioxidantien für gesunde Haut und kommt auch in der Medizin zum Einsatz. Ein vielfältig nutzbarer Rohstoff, dessen Einsatz sich in der „blauen“ Bioökonomie verorten lässt und der auch einen Beitrag zum14. Sustainable Development Goal (SDG) leisten kann: „Ozeane, Meere und Meeresressourcen im Sinne nachhaltiger Entwicklung erhalten und nachhaltig nutzen“.

Hier stellen wir am Beispiel von Förderprojekten des Wissenschaftsjahres vor, wie Expertinnen und Experten das Potenzial der Alge im Sinne bioökonomischer Innovationen ausschöpfen. Eine Spurensuche führt ins Labor, auf eine Geo-Caching Tour, in die Kombüse eines Bürgerforschungsschiffes und an Bauzäune in neun deutschen Städten. Was es mit der Faszination um das grüne Wasserlebewesen auf sich hat, erklären die Forscherinnen und Experten Ihnen gerne in persönlichen Gesprächen.

Thema 1: Die (kulinarische) Vielfalt der Alge – Bioökonomie zum „Probieren“ auf der Make Science Halle
Zahlreiche Facetten der blauen Bioökonomie beleuchtet die Make Science Halle, die von der science2public – Gesellschaft für Wissenschaftskommunikation e.V. betrieben wird. Deutschlands erstes Bürgerforschungsschiff stellt die Alge u.a. als Welternährerin vor. Daher findet man den grünen Allrounder an Bord nicht nur in Algenreaktoren im Schiffslabor, sondern ebenso in der Kombüse: „In verschiedenen Workshops probieren wir leckere Algenrezepte aus, backen grün-marmorierte Algenkekse, stellen blaue Algen-Getränke her und zeigen, wie Algen eine vegane Ernährung unterstützen, aber auch, wie man Biotreibstoffe aus ihnen gewinnen kann“, berichtet Prof. Dr. Carola Griehl, die das Kompetenzzentrum Algenbiotechnologie der Hochschule Anhalt leitet und der Crew der Make Science Halle mit wissenschaftlicher Expertise zur Seite steht. „Das Meer und die Algen faszinieren mich schon seit meiner Kindheit, vermutlich weil sie unser Leben erschaffen haben“, verrät die Expertin und ergänzt: „Da die meisten Arten noch nicht erforscht sind, ist das Potenzial für neue Produkte und Anwendungen riesig.“ (Lesen Sie das gesamte Interview mit Prof. Dr. Griehl auf www.ms-halle.science). Zu den weiteren wissenschaftlichen Partnerinstituten der Make Science Halle gehören das Fraunhofer-Entwicklungszentrum für Marine und Zelluläre Biotechnologie (EMB) sowie das Institut für Medizinische und Marine Biotechnologie (IMMB) der Lübecker Universität. Hier entwickeln Forschende umweltschonende Zucht- und Produktionsmethoden von Algen und Fischen, um Voraussetzungen für eine innovative und nachhaltige Nahrungsmittelbranche zu schaffen. So dienen Zellkulturen von Fischen zusammen mit Geschmacksstoffen aus Algen der Herstellung von sogenannten Clean-Meat-Produkten, also Fleischersatzprodukten. „Diese Entwicklung hat weltweit enorm an Fahrt aufgenommen, hofft man doch, damit die Versorgung mit tierischem Eiweiß zu verbessern. Es wird angenommen, dass in 20 Jahren ein Drittel des Fleischbedarfs über diese Produkte abgedeckt wird“, erklärt Prof. Dr. Charli Kruse, Leiter des Fraunhofer EMB.
Die Make Science Halle öffnet donnerstags von 16-19 Uhr ihre Bordtür. An jedem ersten Sonntag im Monat findet eine Expeditionsfahrt statt. Weitere Informationen finden Sie unter www.ms-halle.science.

Thema 2: Die Alge am Bauzaun: Bundesweite Freiluft-Ausstellung zur Bioökonomie
Vom Süßwasser über heiße Quellen bis hin zum arktischen Eis – die widerstandsfähige Alge ist an den verschiedensten Orten zu Hause. Mit ihrer Open-Air-Informationsausstellung „Bioökonomie findet Stadt“ holen proWissen Potsdam e.V. und science2public – Gesellschaft für Wissenschaftskommunikation e.V. die Alge nun auch in Deutschlands Städte. Zwei der insgesamt neun beteiligten Städte widmen ihr ein Exponat in Form eines Bauzaunbanners: Das Bremer Banner stellt die Projekte „Mak-Pak“ und „Mak-Pak Scale-Up“ vor, die aus Seetang bzw. sogenannten Makroalgen eine Alternative zur Snackschale aus Plastik entwickelt haben. „Makroalgen eignen sich gut als Verpackungsmaterial, weil sie ein schnell wachsender, breit verfügbarer Rohstoff sind, dessen Inhaltstoffe für das gewünschte Produkt optimiert werden können. Zusätzlich enthalten viele Algen Polymere, die dem Verpackungsmaterial Stabilität und Wasserbeständigkeit verleihen“, erklärt Dr. Laurie C. Hofmann vom Alfred-Wegener-Institut, das im Rahmen des Projekts u.a. mit der Hochschule Bremerhaven zusammengearbeitet hat. Das Ergebnis der Kooperation: Eine Verpackungslösung, die nachhaltig, kompostierbar und sogar essbar ist.
Die mikroskopisch kleine Grünalge steht im Mittelpunkt des Bielefelder Bauzaunbanners. Der Einzeller spielt in der nachhaltigen Algenzellfabrik des Centrums für Biotechnologie (CeBiTec) an der Universität Bielefeld eine tragende Rolle, weil er dort Photosynthese betreibt, also Kohlenstoffdioxid in verwertbare Biomasse umwandelt. Daraus entstehen wichtige Zwischenprodukte, die u.a. dafür notwendig sind, den antibakteriellen und blutdrucksenkenden Wirkstoff Forskolin zu entwickeln.

Informationen zur Bauzaun-Ausstellung und deren Standorten finden Sie unter www.wissenschaft-in-der-stadt.de/biooekonomie. Übrigens steht die Ausstellung für konsequente Nachhaltigkeit auf allen Ebenen: Die Banner bestehen zu 100 Prozent aus recycelten PET-Flaschen und werden u.a. für Kunst-Projekte und Rucksäcke wiederverwertet.

Thema 3: Der Alge auf der Spur: Geocaching-Touren zur blauen Bioökonomie in Bremerhaven
Die blaue Bioökonomie im Freien kennenlernen und erleben – dazu lädt die „ZukunftsSchatzsuche“ der Erlebnis Bremerhaven GmbH in Kooperation mit dem Netzwerk „Pier der Wissenschaft“ ein. In dem Geocaching-Format sind Neugierige gefordert, selbst aktiv zu werden und knifflige Aufgaben zu bearbeiten, deren Lösungen bestimmte Koordinaten ergeben. Diese führen die Teilnehmenden über ein GPS-Gerät oder eine entsprechende Handy-App zur nächsten Rätselstation. Tour 1 „Tauche ab zu den Meeresbewohnern“ ist für Familien mit Kindern im Grundschulalter geeignet und bereits jetzt verfügbar. Am 9. August erscheint Tour 2 „Der Alge als Rohstoffquelle auf der Spur“, die sich an Interessierte ab 14 Jahren richtet. Entwickelt wurden die Inhalte der Rätselaufgaben vom Alfred-Wegener-Institut und der Hochschule Bremerhaven. Letztere kommt zudem als Station in der Tour vor. „Die für Bremerhaven konzipierte Geocaching-Tour führt vom zentral gelegenen, maritimen Stadtviertel ‚Havenwelten‘ am Wasser entlang in den historischen Teil des Bremerhavener Fischereihafens, das Schaufenster Fischereihafen, eine Erlebnismeile rund um den Fisch und das Meer. Durch die maritime Umgebung und die Einbindung einer der wissenschaftlichen Einrichtungen als aufzuspürende Orte können die Spieler:innen in die faszinierende Welt der Algen abtauchen“, so Corinna Brand, die Wissenschaftskoordinatorin der Stadt. Mehr Informationen zu beiden Touren finden Sie unter www.bremerhaven.de/de/tourismus/touren-ausfluege/zukunftsschatzsuche.116397.html.

(Wissenschaftsjahr 2020 | 21 - Bioökonomie)



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