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Wie Immunzellen ihre tödliche Fracht abliefern

Bilder von Immunsynapsen, die von NK-92-Zellen gebildet werden.
Bilder von Immunsynapsen, die von NK-92-Zellen gebildet werden. Rot: zytotoxische/lytische Granula; Grün: Sphingolipide, GM1 oder GB3; Cyan: Actin-Färbung Copyright: Kalinichenko

Präzision ist für Immunzellen entscheidend: Natürliche Killerzellen und T-Zellen eliminieren infizierte oder entartete Zellen, indem sie gezielt hochgiftige Partikel freisetzen. Einen tieferen Einblick, wie diese sogenannten zytotoxischen Granula freigesetzt werden, gibt nun eine neue Studie. Das Forschungsteam beschreibt eine unerwartete Verbindung zwischen dem Fettstoffwechsel und der Fähigkeit des Immunsystems auf, seine „tödliche Fracht“ zielgenau abzugeben – und liefert neue Einblicke in Erkrankungen, die durch genetische Defekte verursacht werden.

Unser Immunsystem ist auf spezialisierte Zellen wie natürliche Killerzellen (NK-Zellen) und T-Zellen angewiesen, um gefährliche Eindringlinge wie Viren oder Krebszellen aufzuspüren und zu zerstören. Dazu setzen sie mikroskopisch kleine „Pakete“ frei, die mit hochgiftigen Molekülen gefüllt sind – sogenannte zytotoxische Granula –, welche infizierte oder entartete Zellen abtöten. Zwar konnten durch die Untersuchung von Immunerkrankungen bereits einige Schlüsselmoleküle identifiziert werden, doch weitere Moleküle, die für diesen Freisetzungsmechanismus wichtig sein könnten, sind noch unbekannt.

In ihrer aktuellen Arbeit, präsentiert ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Kaan Boztug, Professor an der MedUni Wien, Forschungsgruppenleiter an der St. Anna Kinderkrebsforschung, Adjunct Principal Investigator am CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin sowie Direktor der Klinik für Pädiatrische Immunologie und Rheumatologie am UKB und Mitglied vom Exzellenzcluster ImmunoSensation2 der Universität Bonn, gemeinsam mit Artem Kalinichenko, Assistenzprofessor an der Medizinischen Universität Graz und ehemaliger Senior Postdoc an der St. Anna Kinderkrebsforschung und am CeMM, sowie Jakob Huemer, ehemaliger PhD-Student am CeMM (beide ehemalige Mitglieder von Kaan Boztugs Forschungsgruppe) eine Entdeckung, die unser Verständnis der Immunabwehr grundlegend erweitert.

Mithilfe von Analysemethoden, die auf der „Genschere“ CRISPR basieren, stellten die Forscher:innen fest, dass eine unerwartete Gruppe an Gene eine zentrale Rolle bei der Freisetzung zytotoxischer Granula in menschlichen NK- und T-Zellen spielen. Überraschenderweise stehen viele dieser Gene in Zusammenhang mit dem zellulären Lipidstoffwechsel. Das Team konnte zeigen, dass bestimmte Lipide dabei helfen, dass wichtige Proteine für die kontrollierte Freisetzung der Granula an ihren korrekten Zielort innerhalb der Immunzellen gelangen – und somit das präzise Ausschalten infizierter oder entarteter Zellen sicherstellen.

Dieser Durchbruch trägt nicht nur zum besseren Verständnis der Funktionsweise von Immunzellen bei, sondern liefert auch neue Erkenntnisse über Krankheiten, die durch genetische Defekte verursacht werden – etwa seltene neurologische Störungen oder angeborene Immundefekte.

„Durch die systematische Erforschung genetischer Signalwege und die Kombination von funktioneller Genomik mit mechanistischen Folgeuntersuchungen haben wir eine neue Gruppe von Genen entdeckt, die die Funktionsweise von T- und NK-Zellen steuern und sowohl virusinfizierte Zellen als auch Tumorzellen abtöten“, sagt Ko-Erstautor Artem Kalinichenko. „Diese Erkenntnisse können helfen, genetische Erkrankungen besser zu diagnostizieren – und langfristig den Weg zu neuen Therapien eröffnen.“

„Es ist faszinierend zu sehen, dass Moleküle, die ursprünglich aus der Neurobiologie bekannt sind und mit dem Fettstoffwechsel und der Fettmodifikation in Verbindung stehen, auch für einen bestimmten Mechanismus der Immunabwehr von entscheidender Bedeutung sind“, ergänzt Jakob Huemer, ebenfalls Ko-Erstautor der Studie. „Unsere Ergebnisse werfen neue Fragen darüber auf, wie gemeinsame zelluläre Signalwege sehr unterschiedliche biologische Systeme beeinflussen.“

„Diese Arbeit zeigt, welches Potential in gemeinschaftlicher, von Neugier getriebener Forschung steckt“, fasst der leitende Autor Kaan Boztug zusammen. „Wir konnten einen völlig unerwarteten Zusammenhang zwischen der Lipidbiologie und der Funktion von Immunzellen aufdecken und damit scheinbar unabhängige biologische Prozesse miteinander verknüpfen. Diese Erkenntnisse werden uns dabei helfen, die Diagnose von Patient:innen mit seltenen Immundefekten zu verbessern, und sind auch für die zukünftige Entwicklung von Ansätzen zur Krebsimmuntherapie relevant.“

Die Studie entstand in enger internationaler Zusammenarbeit mit Forschungsteams aus Österreich, Frankreich, Schweden und Finnland und stellt einen wichtigen Schritt dar, um besser zu verstehen, wie der menschliche Körper Infektionen und Krebs bekämpft.

Universitätsklinikum Bonn


Originalpublikation:

Artem Kalinichenko et al.: Protein palmitoylation and sphingolipid metabolism control regulated exocytosis in cytotoxic lymphocytes. Sci. Immunol.10, eado3825(2025). DOI:10.1126/sciimmunol.ado3825

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