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Wie gelingt die Kommunikation wissenschaftlichen Wissens?

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Kommunikative Herausforderungen im Verhältnis von Wissenschaft und Politik, Öffentlichkeit und Medien sind in der COVID-19-Pandemie besonders sichtbar geworden, entstanden aber nicht erst in der Ausnahmesituation. Die Wissenschaft ist mit vielen gesellschaftlichen Problemstellungen eng verflochten, so dass sich in der Wissenschaftskommunikation insgesamt neue Anforderungen stellen. In seinem jetzt vorgelegten Positionspapier nimmt der Wissenschaftsrat diesen Themenkomplex in den Blick und analysiert die Anforderungen an die individuelle und die institutionelle Wissenschaftskommunikation.

Der Wissenschaftsrat stellt fest, dass die Kommunikation wissenschaftlich fundierten Wissens vor allem in gesellschaftlich kontroversen Themenfeldern und in einem sich stark verändernden Medienumfeld an Grenzen stößt. „Wenn Spannungsverhältnisse zwischen wissenschaftlichem Wissen, gesellschaftlichen Interessen und politischem Handeln bestehen, dann sind sie nicht durch eine erweiterte oder verbesserte Wissenschaftskommunikation auflösbar“, betont Dorothea Wagner, die Vorsitzende des Wissenschaftsrats. „Solche Konflikte müssen gesamtgesellschaftlich reflektiert und austariert werden.“ Angesichts der Vielzahl und Vielfalt kommunikativer Aktivitäten aus der Wissenschaft sieht der Wissenschaftsrat keinen quantitativen, wohl aber einen qualitativen Entwicklungsbedarf. Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind auf anspruchsvolle Kommunikationsaufgaben nicht ausreichend vorbereitet oder finden dafür in ihrem Umfeld nicht die notwendige Unterstützung. Die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit wissenschaftlicher Einrichtungen hat oft institutionelle Ziele, stärkt damit aber nicht die Vertrauenswürdigkeit von Wissenschaft.

„Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben keine persönliche Kommunikationspflicht“, stellt Dorothea Wagner fest. „Sie sollten aber darauf vorbereitet sein, dass das eigene Forschungsthema in der gesellschaftlichen Diskussion relevant wird.“ Analog zu den wissenschaftlichen Karrierestufen unterscheidet der Wissenschaftsrat verschiedene Qualifikationsstufen für Wissenschaftskommunikation. Er spricht sich außerdem dafür aus, dem freiwilligen kommunikativen Engagement größere Anerkennung zu zollen. Professionelle Kommunikatorinnen und Kommunikatoren fordert er auf, die Ziele und Instrumente der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit kontinuierlich zu prüfen, Qualitätsstandards umzusetzen und kommunizierende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei Bedarf zu begleiten. Um die Kommunikationspraxis, die Weiterbildung wie auch die Reflexion des Verhältnisses von Wissenschaft und Öffentlichkeit evidenzbasiert zu unterstützen, sollten die Forschung zur Wissenschaftskommunikation ausgebaut und das disziplinübergreifende Forschungsfeld besser integriert werden.

Der Wissenschaftsrat nimmt auch zur Situation des Wissenschaftsjournalismus Stellung, der durch die ökonomische Krise vieler Presseverlage bedroht ist. „Um das noch immer große Vertrauen in die Wissenschaft zu erhalten, reicht es nicht aus, die Kommunikation aus der Wissenschaft zu verbessern“, erläutert Dorothea Wagner. „Wie andere gesellschaftliche Bereiche braucht auch die Wissenschaft eine unabhängige und kritische Beobachtung von außen.“ Bund und Länder sollten daher prüfen, wie Förderstrukturen für einen unabhängigen Wissenschaftsjournalismus verfassungskonform ausgestaltet werden können.

Eine Stärkung der qualitätsgesicherten Berichterstattung ist umso dringlicher, als Social-Media-Plattformen zunehmend zur Verbreitung von Desinformation genutzt werden. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken und eine erfolgreiche Kommunikation über wissenschaftlich fundiertes Wissen auf Dauer sicherzustellen, bedarf es aus Sicht des Wissenschaftsrats medienpolitischer Regulierungsmaßnahmen.

Wissenschaftsrat


Originalpublikation:

https://www.wissenschaftsrat.de/download/2021/9367-21.pdf - Zum Positionspapier