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Weizen: Extremer Zwergwuchs verschlechtert Gluten-Zusammensetzung und Backqualität

Versuchsfelder mit verschiedenen Weizenarten
Feldversuch am IPK Gatersleben. Zu sehen sind die Versuchsfelder, auf denen vier Weizenlinien mit Halbzwerg-, Zwerg- und Extremzwerg-Varianten sowie hochwüchsiger Wildtypweizen zum Vergleich angebaut wurden. Copyright: IPK Leibniz-Institut/ M. Schierenbeck

Weizen zählt weltweit zu den wichtigsten Grundnahrungsmitteln, insbesondere in Form von Brot. Extrem zwergwüchsiger Weizen weist eine ungünstigere Gluten-Zusammensetzung auf als halbzwerg-, zwerg- oder hochwüchsiger Weizen und liefert damit Mehle mit schlechteren Backeigenschaften. Dies zeigt eine gemeinsame Studie des Leibniz-Instituts für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München (LSB) und des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK)

Die Einführung sogenannter Zwergwuchs-Gene (Reduced height-Rht-Gene) während der „Grünen Revolution“ in den 1960er-Jahren gilt als Meilenstein der Landwirtschaft. Die Gene sorgen dafür, dass Weizenpflanzen kürzer und hierdurch weniger anfällig für Windbruch sind. Sie können so auch mehr Energie in die Ausbildung der Körner investieren, was die Erträge deutlich gesteigert hat. „Heute tragen mehr als 70 Prozent aller weltweit angebauten Weizensorten mindestens eines dieser Gene in sich“, sagt Co-Autor Andreas Börner, Wissenschaftler aus der Abteilung Genbank am IPK.

Unklarer Einfluss auf Gluten

Bislang war jedoch unklar, ob die Rht-Gene nicht nur die Halmlänge, sondern auch die Gluten-Zusammensetzung im Korn verändern. Weizengluten besteht aus zwei Speicherproteingruppen: den Gliadinen und Gluteninen. Gliadine machen Teige dehnbar und viskos und wirken wie ein Weichmacher. Glutenine verleihen Teigen Elastizität und Festigkeit. Ein ausgewogenes Gliadin-Glutenin-Verhältnis ist dabei für eine gute Backqualität entscheidend. Überwiegen die Gliadine zu sehr, werden die Teige zu weich, das Brotvolumen sinkt und das Backergebnis ist schlecht.

Um den Einfluss der Rht-Gene auf die Gluten-Zusammensetzung zu klären, verglich das Forschungsteam hochwüchsigen Wildtyp-Weizen mit fünf nahezu identischen Varianten in vier Weizenlinien, die sich lediglich in den Rht-Genen unterschieden. Alle Linien wurden über drei Vegetationsperioden am IPK in Gatersleben angebaut, um vergleichbares Probenmaterial zu gewinnen. Die klimatischen Bedingungen der Erntejahre 2021, 2022 und 2023 waren dabei sehr unterschiedlich.

Das Team kam zu folgenden Ergebnissen:

Die in modernen Weizensorten vorkommenden Zwergwuchs-Gene (Rht1, Rht2 sowie ihre Kombination) beeinflussten die Gluten-Zusammensetzung kaum. Gene, die extremen Zwergwuchs verursachen (Rht3 sowie die Kombination Rht2+3), senkten jedoch den Gluteningehalt und verschoben das Gliadin-Glutenin-Verhältnis, mit potentiell negativen Folgen für die Backeigenschaften. Noch deutlicher als die Gene beeinflussten jedoch die Umweltbedingungen die Gluten-Zusammensetzung: So führten warme und feuchte Bedingungen im Jahr 2021 während der Kornfüllungsphase zu einem besonders hohen und ungünstigen Gliadin-Glutenin-Verhältnis.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Einführung von Halbzwerg- und Zwerg-Genen während der Grünen Revolution die Gluten-Zusammensetzung moderner Weizensorten nicht negativ beeinflusst hat“, erklärt Erstautorin und Studienleiterin Sabrina Geißlitz vom LSB. Sie fügt hinzu: „Allerdings sollte man in Zukunft überlegen, ob man bei Neuzüchtungen Gene einbringt, die einen extremen Zwergwuchs verursachen. Solche Gene könnten die Backqualität verschlechtern und auch das immunreaktive Potenzial vergrößern, da beides mit einem hohen Gliadinanteil assoziiert ist.“

„Die Studie macht deutlich, wie komplex die Weizenzüchtung ist“, ergänzt Katharina Scherf, Leiterin der Arbeitsgruppe Food Biopolymer Chemistry am LSB. „Denn wie wir nachweisen konnten, entscheiden nicht nur die Gene, sondern auch die Umweltbedingungen über die Gluten-Zusammensetzung im Weizen. Angesichts des Klimawandels ergeben sich somit weitere Herausforderungen, Züchtungen hinsichtlich ihrer Gluten-Zusammensetzung zu optimieren.“

Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie


Originalpublikation:

Geisslitz, S., Schierenbeck, M., Börner, A., and Scherf, K.A. (2025). Semi-Dwarfing Reduced Height Genes Hardly Influenced Gluten Protein Composition While Extreme Dwarfing Genes Decreased Glutenins in Wheat. Food Sci Nutr 13, e70649. 10.1002/fsn3.70649.
https://doi.org/10.1002/fsn3.70649

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