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Tropenkrankheit Oroya-Fieber: Aufklärung des Krankheitsmechanismus eröffnet Möglichkeit neuartiger Therapie

Bartonella bacilliformis (blau) infiziert einen menschlichen Erythrozyten.
Bartonella bacilliformis (blau) infiziert einen menschlichen Erythrozyten. Quelle: Jürgen Berger, MPI für Biologie, Copyright: CC-BY 4.0: https://creativecommons.org/licenses/by/4.0

Der in Südamerika heimische Infektionserreger Bartonella bacilliformis verursacht eine der gefährlichsten Infektionserkrankungen überhaupt: das sogenannte „Oroya-Fieber“. Ohne antibiotische Behandlung führt es in mehr als 90 Prozent der Fälle zum Tod, denn der Erreger zerstört die roten Blutkörperchen. Forschende der Universitätsmedizin Frankfurt haben aufgeklärt, wie der Erreger die Krankheit auslöst. In Laborexperimenten gelang es ihnen zudem, die Zerstörung der roten Blutkörperchen zu hemmen. Die Ergebnisse eröffnen die Möglichkeit, eine neuartige Therapie gegen diese oft tödliche Infektionskrankheit zu entwickeln. 

Das Oroya-Fieber ist zwar eine äußerst schwere Infektionskrankheit, gehört aber zu den so genannten vernachlässigten Tropenkrankheiten (Neglected Tropical Diseases). Denn die Infektion tritt – bisher – ausschließlich in hochgelegenen Tälern der südamerikanischen Anden auf, vor allem in Peru, aber auch in Ecuador und Kolumbien. Von der Forschung und der Arzneimittelentwicklung wurde die Krankheit daher bislang kaum beachtet. Ausgelöst wird das Oroya-Fieber durch das Bakterium Bartonella bacilliformis, das durch den Stich infizierter Sandmücken der Gattung Lutzomyia übertragen wird. Die Erkrankung beginnt meist mit hohem Fieber und einer massiven Zerstörung roter Blutkörperchen (Erythrozyten) und resultiert in einer sogenannten hämolytischen Anämie. Ohne antibiotische Behandlung endet das Oroya-Fieber in bis zu 90 Prozent der Fälle tödlich. Bereits 26 Prozent der Erreger sind resistent gegen das Standardantibiotikum Ciprofloxacin, was eine antibiotische Behandlung deutlich erschwert.

Lutzomyia-Sandmücken kommen bisher nur in Südamerika vor. Als Folge der Klimaerwärmung sowie der zunehmenden Reisefrequenz erwarten Experten jedoch, dass sich das Verbreitungsgebiet dieser Sandfliegen künftig auch auf andere Kontinente und bis nach Europa ausdehnen könnte. 

Ein internationales Forschungsteam um Prof. Volkhard Kempf von der Universitätsmedizin Frankfurt und der Goethe-Universität hat jetzt mehr als 1.700 genetische Varianten des Erregers hergestellt und analysiert und so zwei Proteine identifiziert, die Bartonella für die Zerstörung der roten Blutkörperchen benötigt: Ein sogenanntes Porin, das den Austausch zum Beispiel von Ionen mit der Umgebung ermöglicht, sowie ein Enzym namens α/β-Hydrolase, die beide zusammen für die Hämolyse verantwortlich sind. Strukturanalysen und gezielte Punktmutationen zeigten, dass die hämolytische Aktivität von Bartonella bacilliformis strikt von der enzymatischen Intaktheit der α/β-Hydrolase abhängt. „Beide Proteine sind im Zusammenspiel für die Zerstörung humaner Erythrozyten entscheidend und liefern damit eine Erklärung für das charakteristische Krankheitsbild des Oroya-Fiebers“, erklärt Dr. Alexander Dichter, Erstautor der Studie. „Das macht die α/β-Hydrolase zu einem geeigneten Zielprotein für medikamentöse Wirkstoffe.“

In Laborexperimenten konnten die Forschenden denn auch einen Hemmstoff identifizieren, einen Phospholipase-Inhibitor, der die Aktivität der α/β-Hydrolase blockiert und auch die Hämolyse von Erythrozyten verhindern kann. „Wenn es gelänge, auf eine solche Weise auch im menschlichen Körper gezielt die krankmachende Wirkung des Bakteriums auszuschalten, hätte man womöglich eine Therapie, gegen die sich kaum Resistenzen bilden können“, ist Dichter überzeugt.

„Das Oroya-Fieber ist ein ernstes Gesundheitsproblem in Peru und Südamerika, an dem jedes Jahr hunderte Menschen sterben, ohne dass dieses von der restlichen Welt zur Kenntnis genommen wird. Die Krankheit ist armutsbedingt und zählt zu den vernachlässigten Tropenkrankheiten, die viel zu wenig Beachtung in der Öffentlichkeit erhalten“, erklärt Prof. Volkhard Kempf, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene der Universitätsmedizin Frankfurt, an dem auch das vom Robert Koch-Institut benannte Konsiliarlabor für Bartonella-Infektionen angesiedelt ist. „Umso mehr freuen wir uns, dass wir das Fundament für die Entwicklung neuartiger Therapiemöglichkeiten gegen das Oroya-Fieber gelegt und damit einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen diese vernachlässigte Tropenerkrankung geleistet haben.“

Nach dem Auslaufen der Förderung für das Projekt bemühe man sich jetzt um Finanzierungsmöglichkeiten, um die Forschung fortzusetzen, so Kempf. „Nachdem wir die Hämolyse aufgeklärt haben, wollen wir als nächstes wissen, wie der Erreger an die Erythrozyten bindet, da ja die Adhärenz von Erregern an Wirtszellen immer den ersten Schritt einer Infektion darstellt. Die Adhärenzmechanismen eines verwandten Erregers, des Bakteriums Bartonella henselae, konnten wir vor einigen Jahren bereits aufklären.“

Goethe-Universität Frankfurt


Originalpublikation:

Alexander A. Dichter, Florian Winklmeier, Diana Munteh, Wibke Ballhorn, Sabrina A. Becker, Beate Averhoff, Halvard Bonig, Adrian Goldman, Meritxell García-Quintanilla, Luis Solis Cayo, Pablo Tsukayama, Volkhard A. J. Kempf: Porin A and α/β-hydrolase are necessary and sufficient for hemolysis induced by Bartonella bacilliformis. Nature Communications (2025). DOI: https://doi.org/10.1038/s41467-025-66781-x

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