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Meeresbiodiversität laut Experten gefährdet

Ostsee, Bild: PixabayCC0

Die Meeresbiodiversität in Nord- und Ostsee ist in den vergangenen Jahren verstärkt unter Druck geraten. Es brauche daher eine gemeinsame Strategie, die Naturschutz, Klimawandel und soziale Folgen gleichzeitig betrachte. Darin waren sich die geladenen Sachverständigen in einem öffentlichen Fachgespräch des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit am 04.03.2020 einig.

"Die Folgen der Klimakrise, die Plastikvermüllung und die Zerstörung durch Fischerei haben die Meere in eine nie dagewesene Situation geführt", sagte der Sachverständige Thilo Maack (Greenpeace Deutschland). Er verwies darauf, dass das Jahr 2020 ein entscheidendes für den Meeresschutz sein sollte. Die für 2020 definierten Ziele, mindestens zehn Prozent der Meere unter Schutz zu stellen und einen "Guten Umweltzustand" zu erreichen, würden jedoch nicht erreicht. 96 Prozent der Gewässer befänden sich nicht in einem guten Zustand und auch von 32 untersuchten Fischarten in der Nordsee seien nur neun in einem guten Zustand. Es sei daher wichtig, die negativen Faktoren so zu regulieren, dass sich der aktuelle Zustand nicht weiter verschlechtere. Eine besondere Bedeutung bei der Umsetzung komme der Fischerei zu.

Auf die ökologischen Risiken durch versenkte Kriegsmunition verwies Edmund Maser vom Institut für Toxikologie und Pharmakologie für Naturwissenschaft in Kiel: "Es handelt sich um ein weltweites Problem, aber durch den Ersten und Zweiten Weltkrieg sind die deutschen Küsten besonders betroffen", sagte Maser. Rund 70 Jahre nach Kriegsende beginne ein Teil der 1,6 Millionen Tonnen Kriegsmunition durchzurosten. Durch unnötige Sprengungen der Munition entständen "fußball- bis basketballgroße Brocken", durch die sich Schadstoffe auf dem Meeresgrund weiter verteilten und ein vielfach höherer Eintrag in marine Nahrungsnetze stattfinden könnte, sagte Maser. Punktuell seien bereits Stoffe in Dorschen und den Gallen von Plattfischen nachgewiesen worden, es fehle aber noch an Daten für eine belastbare toxikologische Risikobewertung, so der Sachverständige.

Anne Böhnke-Henrichs (Naturschutzbund Deutschland e.V.) betonte in ihrem Statement, dass die Biodiversität der Meere und die Klimakrise zusammen gehörten. Eins der großen Probleme für die Biodiversität sei die Grundschleppnetz-Fischerei, durch die Lebewesen und maritime Lebensgemeinschaften zerstört würden. "Wir sehen, dass auch innerhalb von Schutzgebieten intensiver gefischt wird, und geschützte Arten in den Gebieten viel seltener vorkommen", sagte die Sachverständige. Damit haben Schutzgebiete nicht die Wirkung, die sie entfalten müssten. Ein Mittel der Wahl dagegen seien Nullnutzungszonen im Meer. Ein weiteres Problem stelle der Sauerstoffmangel in den Tiefen des Ostseebeckens dar, was zu einem Artensterben führe und Auswirkungen auf die Laichgebiete von Fischen habe.

Auch Antje Boetius (Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung) betonte, dass es immer mehr Drucksituationen für den maritimen Lebensraum gebe. Insbesondere die Erwärmung der Nordsee, aber auch Einträge von Kleinst- und Großpartikeln durch Müll stellten eine erhebliche Belastung dar. Zusätzlich sei eine schnelle Veränderung in den Nahrungsnetzen, auch durch invasive Arten, zu beobachten. Boetius wies darauf hin, dass die Blockaden durch unterschiedliche Interessen dafür sorgten, dass weit hinter den politischen Zielen geblieben werde. "Es braucht stattdessen einen ehrgeizigen Plan, damit nicht Klima-, Naturschutz und soziale Gerechtigkeit gegeneinander ausgespielt werden", sagte die Sachverständige.

Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit , hib