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Klimaveränderungen über Millionen von Jahren

Algen Klima
Für die Studie verwendete Algenkulturen Algenkultursammlung der Universität Göttingen (SAG)/Sebastiaan Rampen

Eine bislang unbekannte Gruppe von frühen Algen wurde jetzt im Mittelmeer von einem Forschungsteam der Universität Göttingen entdeckt, deren Überreste Aufschluss über die Wassertemperatur und damit die Klimaveränderungen über Millionen von Jahren hinweg geben können. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchten eine Gruppe von Lipiden, die weltweit häufig in Meeressedimenten beobachtet wird. Diese Verbindungen konnten sie bisher unbekannten Algen aus der Gruppe der Eustigmatophyten zuordnen.

Ein Verhältnis dieser charakteristischen Lipide, der so genannte „Long chain Diol Index“, lässt sich wiederum verwenden, um die sommerlichen Meeresoberflächentemperaturen in der Vergangenheit zu rekonstruieren. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) erschienen.

Organismen passen ihre Zellwände an Umweltbedingungen wie beispielsweise die Temperatur an. Manche Anpassungen beinhalten Veränderungen in den Lipiden, die noch lange nach dem Abbau des restlichen Organismus erhalten bleiben können. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nahmen von April bis Oktober 2019 jeden Monat Proben von Meerwasser aus dem Mittelmeer und analysierten den Lipid- und DNA-Gehalt. Die DNA-Daten enthüllten das Vorkommen einer früh entstandenen Gruppe von marinen Eustigmatophyten-Algen, die bisher noch nicht identifiziert worden war. Ähnlichkeiten in den Mustern der Eustigmatophyten-DNA und den spezifischen Lipidkonzentrationen in Verbindung mit eingehenden Analysen von zuvor veröffentlichten DNA- und Lipiddatensätzen zeigten, dass diese Meeresalgen die Hauptproduzenten der langkettigen Diole sind.

„Diese Entdeckung verändert unser Verständnis von der Diversität und Entwicklung dieser Algen, da man bisher davon ausging, dass sie aus einer relativ kleinen Gruppe von Arten bestehen, die hauptsächlich im Boden und im Süßwasser vorkommen“, sagt Erstautor Dr. Sebastiaan Rampen, der die Forschung an der Universität Göttingen durchgeführt hat. „Diese Lipide wurden in Sedimenten aus der ganzen Welt gefunden, und zwar von vor Millionen von Jahren bis heute. Aber bis jetzt konnte niemand die einzigartige Lipidsignatur diesen speziellen Algen zuordnen.“

Es gibt eine Vielzahl von Techniken, mit denen man Rückschlüsse auf das Klima in der Erdgeschichte ziehen kann. „Das Spannende an unserer Entdeckung ist, dass wir gezeigt haben, dass das Verhältnis dieser einzigartigen Lipide die Wassertemperaturen in den wärmsten Monaten verrät“, so Rampen. „Dies erklärt, warum die mit dieser Methode gewonnenen Messwerte von anderen Temperaturrekonstruktionen abweichen, die die Jahresdurchschnittstemperaturen angeben. Die Kombination verschiedener Methoden liefert nun ergänzende Informationen, die uns helfen, das Klima der Erde über Millionen von Jahren hinweg besser zu verstehen.“

Universität Göttingen


Originalpublikation:

Rampen S. W., Friedl T., Rybalka N., Thiel V. The long chain diol index: A marine palaeotemperature proxy based on eustigmatophyte lipids that records the warmest seasons. PNAS 2022. http://www.pnas.org/doi/full/10.1073/pnas.2116812119