Das Enzym AMPD1 spielt eine zentrale Rolle bei der Energieversorgung der Muskeln und trägt zu deren normaler Muskelfunktion bei. Der Verlust der AMPD1-Aktivität aufgrund genetischer Mutationen ist mit einer Häufigkeit von neun bis 14 Prozent die häufigste Ursache für metabolische Myopathien bei Europäern.
In einer in Nature Communications veröffentlichten Studie verglichen die Forscher alte Neandertaler-DNA mit modernen menschlichen Genomen und fanden heraus, dass alle Neandertaler eine spezifische AMPD1-Variante trugen, die in anderen Arten nicht vorkommt. Im Labor hergestellte Enzyme mit dieser Variante zeigten eine um 25 Prozent verringerte AMPD1-Aktivität. Bei gentechnisch veränderten Mäusen sank die Enzymaktivität in der Muskulatur sogar um 80 Prozent, was die Funktion des Enzyms erheblich beeinträchtigte.
Die Studie belegt außerdem, dass moderne Menschen diese Variante durch Vermischung mit Neandertalern erbten, die vor rund 50.000 Jahren in Europa und Westasien lebten und dort auf moderne Menschen trafen. Heute tragen Menschen nicht-afrikanischer Herkunft etwa ein bis zwei Prozent Neandertaler-DNA in sich.
Die Kehrseite der reduzierten AMPD1-Funktion
Die Neandertaler-Variante von AMPD1 wird heute von zwei bis acht Prozent der Europäerinnen und Europäer getragen, was darauf hindeutet, dass sie im Allgemeinen toleriert wird. „Bemerkenswert ist, dass die meisten Personen, die diese Variante tragen, keine wesentlichen gesundheitlichen Probleme haben. Dennoch scheint das Enzym eine wichtige Rolle für sportliche Höchstleistungen zu spielen“, erklärt Dominik Macak, Erstautor der Studie. Eine Analyse von über tausend Spitzensportlern aus verschiedenen Disziplinen ergab, dass Personen mit nicht-funktionalem AMPD1 deutlich seltener sportliche Spitzenleistungen erreichen.„Wer ein defektes AMPD1-Enzym trägt, hat nur halb so hohe Chancen, Spitzensportlerin oder Spitzensportler zu werden“, so Macak weiter.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die AMPD1-Aktivität in der heutigen westlichen Gesellschaft zwar nur von mäßiger Bedeutung zu sein scheint, aber unter extremen körperlichen Bedingungen, wie sie im Leistungssport vorkommen, jedoch wichtig ist. Die Forscher betonen, wie wichtig es ist, genetische Varianten in ihrem physiologischen und evolutionären Kontext zu untersuchen, um ihre biologischen Auswirkungen zu verstehen. „Möglicherweise haben kulturelle und technologische Fortschritte sowohl bei modernen Menschen als auch bei Neandertalern die Notwendigkeit extremer Muskelkraft verringert“, sagt Seniorautor Hugo Zeberg.
Ein besseres Verständnis der Auswirkungen urzeitlicher Genvarianten auf die heutige menschliche Physiologie kann somit wertvolle Erkenntnisse über Gesundheit, Leistungsfähigkeit und genetische Vielfalt liefern.
Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie
Originalpublikation:
Macak, D., Lee, SY., Nyman, T. et al. Muscle AMP deaminase activity was lower in Neandertals than in modern humans. Nat Commun16, 6371 (2025). doi.org/10.1038/s41467-025-61605-4