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So werden Modellexperimente zur Atlantischen Umwälzbewegung realistischer

Klimamodell erde
Salzgehalt im Nordatlantik (von gelb zu blau zunehmend), simuliert mit dem Klimamodell ICON. Quelle: EERIE/ICON-Team/MPI-M

Durch das Abschmelzen von arktischem Eis gelangt immer mehr Süßwasser in den Nordatlantik, was die Atlantische Umwälzbewegung voraussichtlich abschwächen wird. Doch viele Modellierungsstudien machen unrealistische Annahmen darüber, wie das Wasser in den Ozean gelangt. Eine neue Untersuchung zeigt: Zeitpunkt, Ort und Quelle des Süßwassereintrags können einen wichtigen Unterschied für dessen Verbleib machen und sollten daher in Modellexperimenten berücksichtigt werden. 

Sie gilt als die Heizung Nordwesteuropas: Die Atlantische Meridionale Umwälzbewegung (AMOC) führt warmes Wasser aus den Tropen nach Norden und kaltes Wasser in der Tiefe zurück nach Süden. Angetrieben wird sie durch Unterschiede in der Temperatur und im Salzgehalt des Wassers. Doch mit Blick auf die globale Erwärmung ist das Absinken kalter, salzhaltiger Wassermassen in hohen Breiten ein verwundbarer Punkt: Durch das Abschmelzen des arktischen Eises gelangt immer mehr Süßwasser in den Nordatlantik, verdünnt die Wassermassen und erschwert so ihr Absinken in die Tiefe. Erwartet wird, dass die AMOC sich hierdurch abschwächt, was weitreichende Folgen für Europa und für das globale Klima hätte. 

Viele Studien, die diese Abschwächung untersuchen, basieren auf sogenannten „Hosing-Experimenten“: In Modellsimulationen wird dem gesamten Nordatlantik Süßwasser hinzugegeben, um die Eisschmelze zu simulieren und deren Auswirkung auf die AMOC zu untersuchen. Eine neue Studie von Fraser Goldsworth vom Max-Planck-Institut für Meteorologie zeigt nun die Defizite solcher Experimente auf und macht einen Vorschlag, wie sie sich zukünftig realistischer gestalten lassen.

Neuartiger Untersuchungsrahmen zeigt Schwachstellen bisheriger Hosing-Experimente

„Viele Hosing-Experimente kippen einfach Süßwasser in den Nordatlantik, ohne zu berücksichtigen, wo und wann genau die Süßwassereinträge erfolgen und aus welcher Quelle sie stammen“, sagt Goldsworth. Dies könne aber einen großen Unterschied machen, denn nicht jede in den Nordatlantik eingetragene Süßwassermasse werde automatisch Teil der AMOC. Um hier ein realistischeres Bild zu bekommen, hat Goldsworth ein Konzept der Verfolgung von Süßwassermassen, welches eigentlich für die Untersuchung von Flussmündungen entwickelt wurde, auf die gesamte grönländische Küste übertragen. Anders als herkömmliche Ansätze, die Süßwassertransporte anhand eines willkürlich festgelegten Referenzwertes für den Salzgehalt bilanzieren, vollzieht der neue Untersuchungsrahmen die Transformation von Süßwassermassen nach, indem er die Erhaltung ihres gesamten Salzgehalts zur Grundlage macht.

Goldsworth wandte den Untersuchungsrahmen auf eine Simulation des gekoppelten ICON-Klimamodells an, welches im Ozean eine horizontale Auflösung von fünf Kilometern hat und 72 Level in der Tiefe unterscheidet. Der Ozeanograf betrachtete dabei vier unterschiedliche Regionen rund um Grönland. „Die große Überraschung war, wie sehr die Vorgänge mit der Jahreszeit und je nach Region variieren“, so Goldsworth. So wird eingetragenes Süßwasser im Sommer – wenn die arktische Eisschmelze stark ist – eher Teil oberflächennaher Küstenströmungen. Im Winter interagiert es eher mit der AMOC. Hosing-Experimente, die dies nicht berücksichtigen, überschätzen daher den Anteil des Süßwassers, das in die AMOC eintritt, und damit auch die Sensitivität der AMOC auf den Süßwassereintrag.

Die Analyse zeigt, dass die Vermischung vor allem südlich von Grönland stark ist. „Das liegt vermutlich daran, dass es dort kein isolierendes Meereis gibt. Das Oberflächenwasser kann dadurch sehr kalt werden, absinken und sich dann mit salzhaltigem Wasser mischen“, sagt Goldsworth. Die Studie liefert damit Hinweise auf physikalische Mechanismen, die es zu untersuchen gilt, sowie auf Möglichkeiten, zukünftige Hosing-Experiment realistischer zu gestalten.

Max-Planck-Institut für Meteorologie


Originalpublikation:

Goldsworth, F. (2026). A novel framework for studying oceanic freshwater transports, and its application in discerning the modelled fate of freshwater around the coast of Greenland. Ocean Modelling, 199: 102599. DOI: 10.1016/j.ocemod.2025.102599, https://doi.org/10.1016/j.ocemod.2025.102599

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