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Historischer Durchbruch für den Schutz der Weltmeere

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Die internationale Staatengemeinschaft hat in einer Regierungskonferenz am 4. März 2023 in New York die Verhandlungen für ein neues Abkommen zum Schutz der Weltmeere erfolgreich abgeschlossen. Mit einer 36-stündigen Marathonsitzung am Ende der Verhandlungen konnten die Delegierten den Abkommenstext, der seit fast 20 Jahren diskutiert wird, endlich finalisieren. Deutschland hat sich zusammen mit der EU für einen ambitionierten Vertrag eingesetzt. Erstmals werden damit verbindliche Regeln für die Hohe See möglich: Meeresschutzgebiete, Umweltverträglichkeitsprüfungen und andere Maßnahmen sollen bedrohte Arten und Lebensräume zukünftig besser schützen. Nach Übersetzung des Textes in die sechs Amtssprachen der UN soll die Regierungskonferenz in einer fortgesetzten Sitzung das Abkommen formell annehmen.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke: „Das ist ein historischer und überwältigender Erfolg für den internationalen Meeresschutz, der mich persönlich tief bewegt. Erstmals bekommen wir ein verbindliches Abkommen für die Hohe See, die bislang kaum geschützt war. Auf über 40 Prozent der Erdoberfläche wird nun endlich ein umfassender Schutz bedrohter Arten und Lebensräume möglich. Damit können wir auch an den erfolgreichen Weltnaturgipfel von Montreal anknüpfen, auf dem das Ziel beschlossen wurde, bis 2030 mindestens 30 Prozent der Land- und Meeresflächen unter Schutz zu stellen. Jetzt gilt es, rasch ins Handeln zu kommen. Deutschland wird die Umsetzung dieses wichtigen Abkommens vorantreiben. Denn der Ozean ist unser mächtiger Verbündeter in der Klima- und Biodiversitätskrise. Wenn wir ihn schützen, schützen wir auch uns Menschen.“

Die Hohe See, jene Meeresgebiete jenseits nationaler Zuständigkeit, macht rund zwei Drittel der Weltmeere aus. Ihr Schutz war bisher besonders lückenhaft. Verschmutzung und Übernutzung, beispielsweise durch Überfischung oder Schifffahrt, setzen die Weltmeere immer stärker unter Druck. Auch die Vermüllung durch Plastik und die Klimakrise belasten den Ozean zunehmend. Marine Schutzgebiete sind ein wichtiges Instrument, um Ruhezonen für bedrohte Arten zu schaffen und Lebensräume zu erhalten. Das neue Abkommen schafft die Möglichkeit, Meerschutzgebiete auf Hoher See einzurichten und leistet damit einen wesentlichen Anteil zum Erreichen des globalen Ziels 30 Prozent der Weltmeere bis 2030 unter Schutz zu stellen. Dieses Ziel hat die Weltnaturkonferenz im letzten Dezember in Montreal beschlossen.

„Nun muss das Abkommen schnell umgesetzt werden. Wir brauchen die Ozeane als Verbündete zur Bekämpfung der Klima- und Biodiversitätskrisen“, sagte der Meeresbeauftragte der Bundesregierung, Sebastian Unger, der zusammen mit der deutschen Delegation das Abkommen in New York verhandelt hat.

Neben den Möglichkeiten zur Einrichtung von Meeresschutzgebieten wird das neue Abkommen außerdem Regeln für Umweltverträglichkeitsprüfungen schaffen. Durch die Prüfung neue geplanter Meeresnutzungen sollen schädliche Auswirkungen vermieden werden. Der Zugang und die Nutzung zu marinen genetischen Ressourcen werden neu geregelt und ein Vorteilsausgleich für Entwicklungsländer eingeführt. Gleichzeitig werden Länder des globalen Südens durch neue Finanzierungsinstrumente und die Stärkung ihrer Kapazitäten unterstützt, die Ziele des Abkommens umzusetzen.

Neben Deutschland und der EU hatten sich besonders auch pazifische Inselstaaten und andere Staatengruppen im globalen Süden für ein hohes Ambitionsniveau eingesetzt. Zusammen mit anderen EU-Mitgliedstaaten und der EU-Kommission wird Deutschland Länder des globalen Südens bei der Umsetzung des Meeresschutzabkommens unterstützen.

Als Hohe See wird das Gebiet jenseits des Küstenmeeres und der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) bezeichnet, welches sich außerhalb nationaler Hoheitsbefugnisse befindet. Das neue UN-Hochseeschutzabkommen gestaltet erstmals einheitliche Umweltregelungen für die Hohe See unter dem UN-Seerechtsübereinkommen (SRÜ; englisch: UNCLOS) aus. Die offiziellen Regierungsverhandlungen unter dem Dach der Vereinten Nationen (UN) zum UN-Hochseeschutzabkommen liefen seit 2018. Das Abkommen enthält Regelungen zu gebietsbezogenen Schutzmaßnahmen, einschließlich Meeresschutzgebieten, zu Umweltverträglichkeitsprüfungen für bestimmte menschliche Aktivitäten auf Hoher See, zur Nutzung maringenetischer Ressourcen, also des marinen Erbguts z.B. für Medikamente, sowie zu Kapazitätsaufbau- und Technologietransfer. Der Erfolg der Verhandlungen war zu Beginn der Verhandlungsrunde ungewiss, da die Interessensgegensätze groß sind. Das UN-Hochseeschutzabkommen muss nun durch 60 Staaten ratifiziert werden, um in Kraft zu treten.

BMU


Lesen Sie dazu auch die Pressemitteilung des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenforschung (ZMT):

„Ein Durchbruch in schwierigen Zeiten!“ ZMT-Direktor Raimund Bleischwitz zum internationalen Meeresschutzabkommen

Am Wochenende einigten sich die Vereinten Nationen auf das erste internationale Abkommen zum Schutz der Hohen See. Seit mehr als 10 Jahren hatten die UN-Mitgliedstaaten über eine solche Vereinbarung zum Schutz der Biodiversität auf der Hohen See (Marine Biodiversity of Areas Beyond National Jurisdiction - BBNJ) verhandelt. Raimund Bleischwitz, Nachhaltigkeitsforscher und wissenschaftlicher Geschäftsführer des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenforschung (ZMT) in Bremen, sieht die gestrige Einigung als „äußerst wichtigen und längst überfälligen Schritt zum Schutz der Artenvielfalt in den Meeren“.

„Die Entscheidung für ein internationales Meeresschutzabkommen ist ein echter Durchbruch in schwierigen geopolitischen Zeiten“, erklärt Bleischwitz. „Im Rahmen des Abkommens sollen zukünftig 30% der Meere und Ozeane als Schutzgebiete ausgewiesen werden. Das ist ein großer Erfolg für die Umsetzung des erst kürzlich auf der Weltnaturkonferenz in Montreal vereinbarten 30x30-Ziels der Vereinten Nationen.“

Ein wichtiger Bestandteil des Abkommens sind Verfahren, mit denen wirtschaftliche Vorhaben, Expeditionen und andere Aktivitäten in den Meeren auf ihre Umweltverträglichkeit hin geprüft werden sollen.

„Ich halte dies für eine sehr positive Entwicklung. Bisher galt die Hohe See – und damit zwei Drittel der Ozeane – als Wilder Westen der Meere“, sagt Bleischwitz. „In Zukunft werden sich alle Akteure auf den Weltmeeren bei ihren Projekten an Umweltkriterien halten müssen – in der Fischerei oder beim Tiefseebergbau ebenso wie bei Forschungsvorhaben auf Hoher See.“

Bleischwitz begrüßt den Fortschritt bei der strittigen Frage, wie Gewinne und Vorteile aus der Nutzung genetischer Meeresressourcen zwischen Globalem Norden und Globalem Süden aufgeteilt werden sollen. „Die zugesagten Beteiligungen und Kompensationen für die Länder des Globalen Südens gehen in eine gute Richtung, so etwa der geplante Fonds, der auch Erlöse von Unternehmen beinhalten soll, die Gewinne mit der Nutzung von marinem Erbgut erzielen“, meint der Bremer Nachhaltigkeitsforscher.

Schwierigkeiten sieht er bei der Umsetzung des Abkommens: „Es bleibt noch viel zu tun, um die genauen Rahmenbedingungen für marine Projekte festzulegen, aber auch deren Einhaltung sicher zu stellen“, so Bleischwitz. „Dazu braucht es auch eine begleitende Forschung zu Standards, zur vergleichenden Umsetzung und zu Verbesserungsmöglichkeiten.“

Positive Signale für den Meeresschutz gab es kürzlich auch im Zuge der „Our Oceans“-Konferenz in Panama. Zahlreiche Regierungen haben insgesamt 19 Milliarden Dollar für den Schutz der Weltmeere zugesagt. Sechs Milliarden kommen von den USA, die Europäische Union machte eine Zusage für 816,5 Millionen Euro. Großbritannien will 24 Millionen britische Pfund in den „Global Fund for Coral Reefs“ sowie private Beteiligungsfonds einzahlen.

In Australien gab die Regierung vor kurzem Pläne bekannt, die Größe des Schutzgebietes des „Macquarie Island Marine Parks“ zu verdreifachen. So will man die gesamte Ausschließliche Wirtschaftszone um die zwischen Neuseeland und der Antarktis gelegene Insel im Südwest-Pazifik schützen. Mit der zusätzlichen Fläche – doppelt so groß wie der australische Bundesstaat Victoria und größer als Deutschland – würden die Meeresparks 48,2 % der australischen Ozeane einnehmen, so die australische Regierung.

Derweil verstärkt Deutschland sein Engagement für die UN-Dekade als neuestes Mitglied der Ozeandekade-Allianz, einer Gruppe von Institutionen, die sich im Rahmen der UN-Dekade „Ozeanforschung für nachhaltige Entwicklung“ für die weltweiten Bemühungen zur Mobilisierung von Ressourcen für die Meeresforschung einsetzt.

Raimund Bleischwitz ist hoffnungsvoll gestimmt ob der aktuellen Fortschritte auf nationaler und internationalen Ebene: „Uns erreichen selten so viele gute Nachrichten für den Umweltschutz in so kurzer Zeit, daher sollte man einen Moment innehalten und dies auf sich wirken lassen“, so der Wirtschaftswissenschaftler.

„Auch wenn es noch viele Hürden im Kampf gegen den Klimawandel und das Erreichen des 1,5 Grad-Ziels gibt, sehe ich durchaus positiv in die Zukunft. Die neuen Vereinbarungen bieten gute Voraussetzungen, um in Zukunft einen Weltozeanrat (International Panel on Ocean Sustainability - IPOS) einzurichten, wie er bereits von einigen einflussreichen Stakeholdern in der Forschungsgemeinschaft gefordert wird“, sagt der ZMT-Direktor.

„Wünschenswert wäre es, mittelfristig im Einklang mit dem Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung zu Globalen Umweltveränderungen (WBGU) auch eine World Ocean Organisation bestehend aus Regierungsvertretungen und wichtigen Stakeholdern einschließlich Umweltverbänden zu bilden, um nachhaltige Prinzipien der Meeres-Governance weiter voranzutreiben“, so Bleischwitz.