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Landnutzung zwischen Biodiversität, Ernährung und Klimaschutz

Paludikultur im Wietingsmoor als Beispiel für multifunktionale Landnutzung
Paludikultur im Wietingsmoor als Beispiel für multifunktionale Landnutzung: Im Moor vereint die Paludikultur die Produktion von Biomasse (Schilf, Rohrkolben) für Baustoffe und Torfersatz mit dem Erhalt der Torfböden. Quelle: Claudia Heindorf

Weltweit steht die Landnutzung im Zentrum zahlreicher Krisen unserer Zeit: Klimawandel, Biodiversitätsverlust, soziale Ungerechtigkeit und Ernährungsunsicherheit verbinden sich zu einer Polykrise, die durch nicht-nachhaltige Praktiken wie industrielle Landwirtschaft verschärft wird. Um diese Herausforderungen zu bewältigen, müssen große Teile der Erdoberfläche mehrere Nutzungsansprüche gleichzeitig erfüllen – von Artenschutz über Lebensmittelerzeugung bis hin zu menschlicher Erholung. Hier setzen multifunktionale Landschaften an, die ökologische, soziale und wirtschaftliche Ziele verbinden. 

Forschende der Universitäten Göttingen und Kassel haben ausgewertet, wie solche Formen der Landnutzung den Naturschutz und die Wiederherstellung von Ökosystemen unterstützen können. In einem Review-Artikel zeigen sie Wege auf, Landnutzung und Naturschutz mit integrativen Ansätzen neu zu gestalten. Der Artikel wurde in der Fachzeitschrift Nature Reviews Biodiversity veröffentlicht.

„Nur wenn wir Synergien und Nutzungskonflikte verstehen, können wir Landnutzungssysteme entwickeln, die Ernährung sichern, Klima regulieren, Erholung ermöglichen und zugleich die biologische Vielfalt bewahren“, erklärt Dr. Marion Jay, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Department für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung der Universität Göttingen. Vor diesem Hintergrund analysierten die Forschenden theoretische Konzepte und praktische Ansätze der Landnutzung aus verschiedenen Kontinenten und Zeiträumen. In ihrem Artikel stellen sie eine Vielzahl an Modellen vor, die Biodiversität und Multifunktionalität in Landschaften fördern. 

Die daraus hervorgehenden Landschaften sind vielfältig, so die Forschenden. Was sie aber oftmals gemeinsam haben, sei ein eng vernetztes Mosaik aus Wäldern, Ackerflächen, Weideland und teils Siedlungen, das mehrere Nutzungsansprüche in Einklang bringt. Traditionelle Weide- und Agroforstwirtschaft nennen sie als bewährte Beispiele. Beides werde durch globale Trends wie die Mechanisierung der Landwirtschaft jedoch verdrängt. Andere, moderne multifunktionale Landnutzungssysteme würden dagegen weltweit gefördert, etwa „urbane grüne und blaue Infrastruktur“. Stadtwälder, Parks oder städtische Feuchtgebiete sind dabei so gestaltet, dass sie beispielsweise dem menschlichen Wohlbefinden, der Biodiversität, der Regulierung von Wetterextremen und der urbanen Landwirtschaft dienen können. Auch zur Wiederherstellung zerstörter Natur trage multifunktionale Landnutzung bei. Ein im Artikel beschriebenes Beispiel dafür ist die Paludikultur: Sie verbindet durch die bodenschonende Bewirtschaftung wiedervernässter Moore die Produktion von Biomasse, etwa Schilf oder Rohrkolben, mit dem Erhalt feuchter Lebensräume und der Wiederherstellung von Ökosystemleistungen wie Kohlenstoffspeicherung und Wasserregulierung.

Um multifunktionale Landnutzungskonzepte wirksam in Naturschutz- und Renaturierungsmaßnahmen zu integrieren, brauche es Engagement auf verschiedenen Ebenen: „Sektorübergreifende Zusammenarbeit, etwa zwischen Landwirtschaft, Naturschutz und Stadtplanung, ist entscheidend. Das gilt auch in Landschaften, in denen der Schutz der biologischen Vielfalt im Vordergrund steht, wie in Schutzgebieten“, so Prof. Dr. Tobias Plieninger, Leiter des Fachgebiets für Sozial-ökologische Interaktionen in Agrarsystemen an den Universitäten Göttingen und Kassel. „Genauso wichtig sind finanzielle Förderung und die Unterstützung nicht nur öffentlicher, sondern auch privater Investitionen und neuer Geschäftsmodelle.“

Georg-August-Universität Göttingen


Originalpublikation:

Jay & Plieninger. Addressing landscape multifunctionality in conservation and restoration. Nature Reviews Biodiversity (2025). https://doi.org/10.1038/s44358-025-00091-4

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