Für die Grundlagen-, aber auch die anwendungsorientierte Forschung ist es erforderlich, Nutzpflanzen in reproduzierbarer Weise feldähnlichen Bedingungen auszusetzen. „Mit der PhänoSphäre können wir der Pflanzenforschung eine neue Infrastruktur am IPK anbieten, in der nicht nur die Reaktionen der Pflanze auf verschiedene, variable Umweltbedingungen untersucht, sondern auch verschiedene Wetterszenarien für eine gesamte Saison durchgespielt werden können“, sagt Prof. Dr. Thomas Altmann, Leiter der Abteilung „Molekulare Genetik“ am IPK. Die PhänoSphäre ermöglicht detaillierte Analysen der leistungsbezogenen Merkmalsausprägung und der kausalen biologischen Mechanismen in Beständen von Pflanzen, die denen in Testparzellen bei Feldversuchen sehr ähneln, hier jedoch unter genau vorgegebenen Umweltbedingungen wachsen. Dies gilt nicht nur für aktuelle Witterungsbedingungen, sondern auch für Situationen künftiger Klimaszenarien - etwa mit größerer Trockenheit, höheren Temperaturen und gesteigerter CO2-Konzentration.
Die technische Aussstattung bietet dabei völlig neue Möglichkeiten im Vergleich zu den üblichen, bisher genutzten Wachstumskammern und Gewächshäusern. So können in der PhänoSphäre Temperaturprofile mit stündlichen Änderungen erstellt sowie Lichtqualität und -menge im Minuten- bis Sekundenbereich reguliert werden. Auch die Bewölkung kann über die ausgeklügelte Lichtanlage simuliert werden. Außerdem erlaubt es die Anlage, Windgeschwindigkeit und -richtung zu verändern und den atmosphärischen CO2-Gehalt zu variieren. Die Pflanzen können täglich automatisch bewässert werden, und die großen Anzuchtcontainer ermöglichen die Verwendung verschiedener Bodentypen und -zusammensetzungen. Zudem kann die Bodentemperatur reguliert werden. „Dies wird in Zukunft systembiologische Analysen unterstützen, die durchgeführt werden, um die molekularen Mechanismen aufzuklären, die der Ausprägung agronomisch relevanter Merkmale, wie der Widerstandsfähigkeit gegenüber ungünstigen Umweltbedingungen, zugrunde liegen. Zudem können Hypothesen überprüft werden, die aus bioinformatischen Untersuchungen, wie Netzwerkanalysen oder Modellierungen, abgeleitet wurden“, sagt Prof. Dr. Thomas Altmann.
Die ersten Ergebnisse aus der PhänoSphäre sind vielversprechend. Die Simulation einer einzelnen Maisanbausaison und die Verwendung der großen Anzuchtcontainer führte zu vergleichbarem Pflanzenwachstum und Entwicklungsverläufen wie bei den Pflanzen aus der Vorlagesaison auf dem Feld. „Der Mais im Feldanbau und die Pflanzen im Experiment benötigten die gleiche Zeit, um die maximale Wachstumsgeschwindigkeit, die Reife der Blätter und den Austrieb zu erreichen“, sagt Dr. Marc Heuermann, Erstautor der Studie, die jetzt in der Zeitschrift "Nature Communications" veröffentlicht wurde.
„Die Übereinstimmung zwischen der Wettersimulation und der Außenumgebung in Bezug auf Temperatur, thermisch normalisierter Zeit und Wasserdampfdruckdifferenz war am höchsten, wenn reale Tage als Vorlage für die einjährige Simulation verwendet wurden“, erklärt Dr. Marc Heuermann. Diese Simulation brachte bessere, also dem Feld viel ähnlichere Ergebnisse als der Anbau im Gewächshaus und die gemittelte Saison in der PhänoSphäre.
Damit schließt die PhänoSphäre die Lücke zwischen den bisher etablierten Systemen zur Phänotypisierung unter kontrollierten Umgebungsbedingungen auf der einen und den Feldversuchen zur Phänotypisierung auf der anderen Seite. „Die Möglichkeit, in der dynamischen, aber auch kontrollierten Umgebung ein feldähnliches Wachstum und eine feldähnliche Entwicklung auszulösen, ist ein sehr wesentlicher und wichtiger Fortschritt und geht weit über die bisherigen Verbesserungen beim Anbau in standardmäßig klimatisierten Gewächshäusern hinaus“, sagt Prof. Dr. Thomas Altmann.
Die Simulationsprogramme können nun auch weiterentwickelt und für die Untersuchung von Ertragsstabiltät und Widerstandsfähigkeit wichtiger Kulturpflanzen mit Hinblick auf den Klimawandel verwendet werden.
IPK Leibniz-Institut
Originalpublikation:
Heuermann et al. (2023): Natural plant growth and development achieved in the IPK PhenoSphere by dynamic environment simulation. Nature Communications.
DOI: 10.1038/s41467-023-41332-4, doi.org/10.1038/s41467-023-41332-4