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Ein Durchbruch in der Fruchtfliegengenetik durch die Nutzung von Mutationen

Drosophila Bilder
TF-HighEvo-induzierte Mutationen in vivo (durch die Pfeile gekennzeichnet) verbessern unser Verständnis von Genregulationsnetzwerken, eröffnen aber auch neue Wege für die experimentelle Evolution und das genetische Screening. © Justin Crocker / Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie

Eine bahnbrechende Technik, TF-High-Evolutionary (TF-HighEvo), ermöglicht eine groß angelegte Bewertung von de-novo-Mutationen in mehrzelligen Organismen
Diese Methode, die in Zusammenarbeit mit Forschenden des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie (EMBL) und des Friedrich-Miescher-Labors der Max-Planck-Gesellschaft entwickelt und in der Zeitschrift Molecular Biology and Evolution veröffentlicht wurde, bietet neue Einblicke in die evolutionäre Dynamik von Genregulationsnetzwerken und ihre Rolle bei der Gestaltung der Vielfalt des Lebens.

Die Genregulation spielt eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung und Evolution von Organismen, wobei Transkriptionsfaktoren (TFs) als wesentliche Komponenten zur Kontrolle der Genexpression dienen. Die Untersuchung der genetischen Variation bei Drosophila melanogaster (allgemein als Fruchtfliege bekannt) stützt sich traditionell auf die bestehende genetische Variation (bereits vorhandene Mutationen). Im Gegensatz zu einzelligen Organismen wie Bakterien, die sich schnell vermehren und hohe Mutationsraten aufweisen, haben Fliegen eine geringere Reproduktions- und Mutationsrate, was die Untersuchung von de-novo-Mutationen in kurzen Zeiträumen unmöglich macht.

Hinzu kommt, dass nicht nur bei Drosophila, sondern bei allen Organismen, bei denen dies untersucht wurde, die meisten genetischen Variationen in den regulatorischen Regionen des Genoms und nicht in den Genen selbst zu finden sind. Das Verständnis der Auswirkungen von Mutationen in diesen regulatorischen Regionen ist besonders herausfordernd im Vergleich zu Mutationen in den Genen, deren Auswirkungen vorhergesagt werden können.

Die TF-HighEvo-Methode geht diese Herausforderungen an, indem sie die Mutationsrate in Drosophila deutlich erhöht, und zwar auf eine „pathway-spezifische“ Weise. Mit dieser neuen Methode können Forscher de-novo-Mutationen untersuchen, indem sie einen Mutator an TFs anhängen, die die Genexpression kontrollieren, und so erforschen, wie diese genetischen Veränderungen Merkmale beeinflussen.

Diese Methode kombiniert die Vorteile der Fusion von TFs mit einer aktivierungsinduzierten Deaminase (AID) in vivo und ermöglicht kontinuierliche Keimbahnmutationen an TF-Bindungsstellen im gesamten regulatorischen Netzwerk von Drosophila.

In ihrer Studie wiesen die Forscher nach, dass Drosophila-Populationen, die das TF-HighEvo-Konstrukt exprimieren, Mutationen mit einer höheren Rate als in natürlichen Populationen anhäufen. Diese Mutationen gruppierten sich um gezielte TF-Bindungsstellen, was zu unterschiedlichen morphologischen Phänotypen führte, die mit den entwicklungsbiologischen Rollen der markierten TFs, Bicoid und Distal-less, in Einklang gebracht werden konnten. Diese Faktoren sind an der frühen Embryonalentwicklung der Fliegen bzw. am Wachstum der Anhänge beteiligt.

„Dieser Ansatz verändert alles“, sagt Dr. Luisa Pallares, eine der leitenden Forscherinnen vom Friedrich-Miescher-Labor der Max-Planck-Gesellschaft in Tübingen. „Er eröffnet bisher undenkbare Möglichkeiten, die experimentelle Evolution in der Fruchtfliege anzugehen. Indem TF-HighEvo uns erlaubt, die Mutationslandschaft in großem Maßstab zu erforschen, können wir die genetischen Grundlagen der phänotypischen Variation und die Entwicklung bestimmter Signalwege untersuchen.“

Über Drosophila hinaus: Auswirkungen auf die multizelluläre Biologie

Die Auswirkungen dieser Forschung gehen über Drosophila hinaus, da die entwickelten Methoden auch auf andere mehrzellige Organismen angewendet werden könnten. Die Möglichkeit, de-novo-Mutationen auf kontrollierte Weise auszulösen und zu untersuchen, wird ein tieferes Verständnis der genetischen Grundlagen von Entwicklung und Evolution ermöglichen und möglicherweise Aufschluss über zukünftige biologische Fragen in der Evolutions-, Entwicklungs- und synthetischen Biologie geben.

Darüber hinaus wurden sechs Nobelpreise für Forschungsarbeiten an Drosophila verliehen, was die bedeutenden Beiträge der Fruchtfliegenforschung zu unserem Verständnis von Genetik, Entwicklung und Physiologie unterstreicht.

Angesichts der zunehmenden internationalen Bestrebungen, die Auswirkungen von genetischen Störungen in Modellsystemen zu verstehen, stellt die TF-HighEvo-Methode einen bedeutenden Fortschritt auf diesem Gebiet dar. Dieser Ansatz wird die Untersuchung der Genregulation verbessern und zu einem breiteren Verständnis der Frage beitragen, wie genetische Variationen zu evolutionären Anpassungen führen können.

TF-HighEvo bietet mehrere wesentliche Vorteile gegenüber herkömmlichen Ansätzen zum Verständnis von Genotyp-Phänotyp-Karten:

1. Es ermöglicht Wissenschaftler:innen, gezielte Mutationen in den genregulatorischen Netzwerken von Fruchtfliegen (Drosophila) mit einer noch nie dagewesenen Rate zu induzieren, die um eine Größenordnung höher ist als die in natürlichen Populationen.

2. Es ermöglicht Einblicke in die Mechanismen der Evolution und in die Art und Weise, wie sich Organismen im Laufe der Zeit anpassen, indem untersucht werden kann, wie sich spezifische genetische Veränderungen auf körperliche Merkmale und Entwicklungsprozesse auswirken.

3. Es verbessert unser Verständnis der Drosophila-Genetik und ebnet so den Weg für künftige Entdeckungen in der Evolutionsbiologie und Entwicklungsgenetik und könnte aufgrund der großen Anzahl gemeinsamer Gene zwischen Mensch und Fruchtfiege auch für Studien in der Humangenetik von Bedeutung sein.

Max-Planck-Institut für Biologie


Originalpublikation:

Li, X. C., Srinivasan, V., Laiker, I., Misunou, N., Frankel, N., Pallares, L. F., & Crocker, J. (2024). TF-High-Evolutionary: in vivo mutagenesis of gene regulatory networks for the study of the genetics and evolution of the Drosophila regulatory genome. Molecular Biology and Evolution, 41(8). https://doi.org/10.1093/molbev/msae167