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Peptid-Boronsäuren: Neue Perspektiven für die Immunologie

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Ein neues chemisches Verfahren ermöglicht es, durch Hydroborierung von harzgebundenen Peptid-Alkenen und -Alkinen biologisch aktive Peptid-Boronsäuren herzustellen, die aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften neue Möglichkeiten in der Immuntherapie eröffnen könnten. © Marius Werner (basierend auf der Proteinstruktur PDB 1CKB)

Mit einem neuartigen chemischen Verfahren ist es möglich, erstmals schnell und einfach modifizierte Peptide mit Boronsäuren herzustellen. Entwickelt wurde es von Chemikern und Pharmazeuten der Universität Heidelberg. Diese biologisch aktiven Peptid-Boronsäuren eröffnen neue Möglichkeiten im jungen Forschungsfeld der synthetischen Immunologie und könnten aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften perspektivisch vor allem in der Immuntherapie zum Einsatz kommen.

Peptide sind durch Verknüpfung von zwei oder mehreren Aminosäuren aufgebaute Polymere, die im Organismus überall dort zu finden sind, wo es Zellen gibt. Sie spielen eine zentrale Rolle im Immunsystem, da sie wesentliche immunologische Erkennungsmerkmale übermitteln. Die Reihenfolge und Zusammensetzung von Peptiden gibt vor, was vom Immunsystem als körperfremd erkannt wird und eine Immunantwort auslöst. Aus diesem Grund werden zum Beispiel therapeutische oder prophylaktische Immunisierungen mit Peptiden durchgeführt, so Marius Werner, der als Doktorand an den beiden Heidelberger Instituten forscht. Die Boronsäuren sind für die Forscher von Interesse, da sie ein einzigartiges und bislang ungenutztes Interaktionsprofil mit Immunzellen oder anderen biologischen Zielstrukturen besitzen.

Im Rahmen der aktuellen Studie gelang es, durch Hydroborierung von harzgebundenen Peptid-Alkenen und -Alkinen mit einer Boronsäure ausgestattete Peptide herzustellen. Sie besitzen damit eine besondere chemische Struktur, die nach Angaben der Wissenschaftler bislang gar nicht oder nur sehr schwer erreicht werden konnte. „Die Boronsäure ermöglicht es, sehr leicht weitere chemische Modifikationen in die Peptide einzubringen und dabei zahlreiche Variationen zu realisieren. Da Boronsäuren außerdem mit Immunzellen interagieren, könnten die um dieses Strukturelement erweiterten Peptide perspektivisch für Eingriffe in das Immunsystem genutzt werden“, erläutert Juniorprofessorin Dr. Franziska Thomas vom Organisch-Chemischen Institut, die die Arbeiten gemeinsam mit Prof. Dr. Christian Klein vom Institut für Pharmazie und Molekulare Biotechnologie geleitet hat.

Auch wenn es noch einen langen Weg bis dahin braucht, ist es mithilfe der neuen Substanzen zum Beispiel denkbar, so Prof. Klein, eine Immunreaktion auf Tumorzellen hervorzurufen, um einen Tumor durch körpereigene Mechanismen zu zerstören. Ein weiterer Anwendungsbereich könnte die gezielte Freisetzung von Wirkstoffen im Körper sein. Dabei soll die Boronsäure-Gruppe als „Anker“ für das Peptid dienen, um es an als Transportmittel dienende Nanopartikel zu binden. „Die Partikel mit dem Peptid könnten so gestaltet werden, dass sie in bestimmten Organen oder von bestimmten Zellen insbesondere des Immunsystems aufgenommen werden, so dass das Peptid dort eine wie auch immer geartete, durch sein Design steuerbare Wirkung entfaltet“, sagt der Wissenschaftler, der auf dem Gebiet der Medizinischen Chemie forscht. Auch in Verbindung mit kleinen Implantaten, die sich im Körper auflösen und so Wirkstoffe freigeben, könnten Peptid-Boronsäuren zum Einsatz kommen.

Universität Heidelberg


Originalpublikation:

M. Werner, J. Brinkhofer, L. Hammermüller, T. Heim, T. L. Pham, J. Huber, C. Klein, F. Thomas: Peptide Boronic Acids by Late-Stage Hydroboration on the Solid Phase. Advanced Science (29 May 2024), https://doi.org/10.1002/advs.202400640