Tropische wie auch außertropische Ökosysteme nehmen große Mengen an Kohlenstoff auf, die zuvor durch menschengemachte CO₂-Emissionen in die Atmosphäre abgegeben wurden. Global gesehen nehmen die Ökosysteme der Landoberfläche als Kohlenstoffsenke im Durchschnitt etwa ein Drittel der menschengemachten CO₂-Emissionen auf. Sie sind also ein natürlicher Puffer des Klimawandels. In den 1980er und 1990er Jahren wurde jedoch eine erhöhte Schwankung des globalen Kohlenstoffspeichers an Land beobachtet, und es schien so, als sei die CO₂-Wachstumsrate besonders empfindlich gegenüber Temperaturen in den Tropen. Wissenschaftler:innen aus Jena und Leipzig fanden in einer aktuellen Studie nun heraus, dass diese „Verdopplung“ der Sensitivität durch das vermehrte Auftreten von El Niño-Ereignissen in den 1980er und 1990er Jahren im Vergleich zu 1960 - 1979 verursacht wurde. Hierunter fallen auch die extremen El Niño-Phasen von 1982/83 und 1997/98. El Niño-Ereignisse bringen starke Dürren und Hitzewellen in den Tropen mit sich, die das Pflanzenwachstum beeinträchtigen und damit die Aufnahme von Kohlenstoff verringern. In Zeiten von El Niño setzt die Vegetation sogar große Mengen an Kohlenstoff frei, die sonst in den Böden oder Wäldern gebunden wären. Der CO₂-Gehalt in der Atmosphäre steigt daher an.
Interne Klimavariabilität als Hauptfaktor für Veränderungen im Kohlenstoffkreislauf
Die Autor:innen der Studie betonen, dass dieser CO₂-Anstieg eher im Rahmen der internen Klimavariabilität stattfinde, als eine systematische Veränderung des Kohlenstoffkreislaufs aufgrund des Klimawandels bedeute. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass diese Verdopplung der Sensitivität nicht notwendigerweise ein Zeichen für eine grundlegende Änderung der Reaktion des Kohlenstoffkreislaufs auf den Klimawandel ist“, sagt Na Li vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie, Erstautorin der Studie. Stattdessen sei dies auf die Kombination von extremen El Niño-Ereignissen und ihrer globalen Wirkung zurückzuführen.
„Slow-in, Fast-out“: Dynamik des Kohlenstoffkreislaufs bei extremen Wetterereignissen
„Wir konnten mit unserer Arbeit auch zeigen, dass dieses Phänomen mit der ‚slow-in, fast-out‘-Dynamik des Kohlenstoffkreislaufs zusammenhängt. Das bedeutet, dass Kohlenstoff nur langsam von den Ökosystemen aufgenommen wird, aber bei extremen Wetterereignissen, wie starken El Niños, plötzlich und schnell wieder freigesetzt werden kann“, erklärt Prof. Dr. Ana Bastos von der Universität Leipzig, Seniorautorin der Studie.
Neue Erkenntnisse zur Reduzierung von Unsicherheiten in Klimaprognosen
Die Ergebnisse dieser Arbeit sind wichtig, weil sie Unsicherheiten bei zukünftigen Klimaprognosen aufzeigen. Bislang wurde angenommen, dass eine erhöhte Empfindlichkeit des CO₂-Anstiegs gegenüber den Temperaturen in den Tropen durch langfristige klimabedingte Veränderungen des Kohlenstoffkreislaufs, und damit des globalen Klimasystems, entsteht. Doch die Studie zeigt, dass extreme Ereignisse kurzfristige Schwankungen verursachen können, die nicht unbedingt auf dauerhafte Veränderungen im Kohlenstoffkreislauf hinweisen. „Diese neuen Erkenntnisse könnten dazu beitragen, präzisere Klimamodelle zu entwickeln und die Unsicherheiten bei der Vorhersage zukünftiger Klimaszenarien zu reduzieren“, sagt Juniorprofessor Dr. Sebastian Sippel von der Universität Leipzig. Man müsse besser verstehen, wie sich extreme Klimaphänomene wie El Niño auf die Kohlenstoffdynamik auswirken, um verlässlichere Prognosen für die Zukunft zu machen.
Universität Leipzig
Originalpublikation:
Li N, Sippel S, Linscheid N, Rödenbeck C, Winkler AJ, Reichstein M, Mahecha MD, Bastos A. Enhanced global carbon cycle sensitivity to tropical temperature linked to internal climate variability. Sci Adv. 2024 Sep 27;10(39):eadl6155. DOI: 10.1126/sciadv.adl6155