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Ein Enzym im Trainingscamp

Teströhrchen im Labor
Teströhrchen im Labor, Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie/Foto: Gina Bolle

Die „Lactyl-CoA Mutase“ gibt es in der Natur nicht - sie wurde speziell für effiziente synthetische Stoffwechselwege entwickelt.

Forschenden um Prof. Tobias Erb am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg gelang die Entwicklung eines neuen Enzyms. Die „Lactyl-CoA-Mutase“ kann ein zentrales Stoffwechsel-Produkt effizient in Wertstoffkreisläufe überführen. Dafür trainierte das Forschungsteam die Fähigkeiten eines natürlichen Enzyms durch Evolution im Labor. Ziel der Forschung ist unter anderem ein künftiger Einsatz in der Fixierung und nachhaltigen Verwertung des Treibhausgases CO₂.

Nur wenige Bausteine des Zellstoffwechsels sind so zentral und vielseitig wie Acetyl-Coenzym A. Als Produkt vieler CO₂-Fixierungswege entscheidet sich bei der Verwertung dieses Bausteins, wie viel Biomasse gebildet werden kann und damit letztlich, wie effizient das Treibhausgas CO₂ in biologische Wertstoffzyklen eingebracht werden kann. Acetyl-CoA wird für eine Vielzahl an Produkten verwendet, daher müssen daraus Zwischenprodukte mit 3 Kohlenstoffatomen, sogenannte C3-Körper, entstehen, deren Vertreter das Pyruvat ist.
In der Natur sind Stoffwechselwege für diesen Prozess häufig ineffizient, sodass wertvoller Kohlenstoff verloren geht. Auch brauchen sie viele Schritte, und sind damit energetisch teuer, oder funktionieren nur in Abwesenheit von Sauerstoff. Daher machte es sich das Team zum Ziel, eine neue, effiziente Brücke im Stoffwechsel zwischen Acetyl-CoA und Pyruvat zu schaffen, die sich für eine effiziente Fixierung und Nutzung des Treibhausgases CO₂ eignen würde.

Theoretisches Design führte zu aussichtsreichen Kandidaten

In der synthetischen Biologie werden neue Stoffwechselwege zunächst am Reißbrett entworfen, bevor sie im Labor getestet werden. Für dieses Projekt konnte das Team anfangs einen Stoffwechselweg skizzieren, der zusätzliches CO₂ bindet und gleichzeitig kürzer ist als zuvor bekannte Routen. Das Problem: Die zentrale Enzymaktivität, die die Forschenden dafür brauchten, eine sogenannte „Lactyl-CoA-Mutase“, war zunächst rein fiktiv. In der Natur war sie bislang noch nicht beschrieben worden. In Enzym-Datenbanken fand das Team einen vielversprechenden Kandidaten, dessen Struktur für den gewünschten Prozess geeignet schien. Tatsächlich konnte dieses Enzym in Experimenten mit dem angebotenen Substrat etwas anfangen – die Umsetzung war jedoch extrem langsam.

Wie trainiert man ein langsames Enzym?

„In der Natur entstehen ständig Veränderungen, die zu besseren Eigenschaften führen, durch natürliche Auslese: Ein ständiger Prozess von Mutation und Selektion. „Wir machen uns diesen Prozess in einer beschleunigten Form im Labor zunutze und konnten so unser Enzym optimieren. Damit die neu gewonnene Fähigkeit durch weitere Mutationen nicht gleich wieder verloren ging, haben wir zuerst das Wachstum eines modifizierten Escherichia coli Bakteriums an die gewünschte Enzymaktivität gekoppelt. Dass wir einen Stamm entwickeln konnten, der dieses langsame Enzym für sein Wachstum nutzt, war nicht selbstverständlich.“ erläutert Helena Schulz-Mirbach, Doktorandin im Team von Tobias Erb und Erstautorin der Studie.

Training im lebenden Organismus

Im zweiten Schritt wurde dieser Stamm einer gezielten, beschleunigten Evolution im Labor unterzogen, der sogenannten „adaptiven Laborevolution (ALE)“. Dabei werden Mutationen erzeugt und nach den gewünschten Eigenschaften selektiert. Die dadurch entstandenen Varianten der Lactyl-CoA-Mutase waren nicht nur schneller und erlaubten ein besseres Wachstum des Stammes, sondern – und das war das Wichtigste - sie funktionierten auch außerhalb des Bakteriums in einem vereinfachten chemischen Prozess im Reagenzglas („in vitro“). Hier erreichte das verbesserte Enzym eine fünf- bis zehnmal bessere Leistung als der Vorläufer aus der Natur.

„Unsere Studie ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie wir die Mechanismen des Stoffwechsels und der Evolution in lebenden Zellen nutzen können, um eine gewünschte Eigenschaft für Anwendungen der synthetischen Biologie und Biochemie zu optimieren. Erst die Kombination von beidem ermöglichte es uns, die verbesserten Enzymvarianten zu finden.“ sagt Philipp Wichmann, der den in vitro-Teil der Studie leitete.

„Allerdings muss unser Enzym noch besser werden: im Vergleich zu anderen Enzymen in der Natur ist die Lactyl-CoA-Mutase noch recht langsam.“ ergänzt Dr. Ari Satanowski, der für die Projektleitung mitverantwortlich war. Ein Hauptziel der zukünftigen Forschung wird es daher sein, dieses Enzym schneller zu machen, um es in verschiedenen Zusammenhängen einsetzen zu können.

Die völlig neue metabolische Route zwischen Acetyl-CoA und Pyruvat eröffnet neue Möglichkeiten, zum Beispiel für die Herstellung von 3-Hydroxypropionat, einer Vorstufe für nachhaltige, biologisch gewonnene Kunststoffe. „Wir möchten außerdem noch mehr über das Enzym selbst erfahren“, sagt Helena Schulz-Mirbach. „Wir wissen zwar, welche Mutationen die Aktivität verbessert haben, aber es ist uns noch nicht klar, auf welche Weise sie das tun. Wenn wir die Struktur des Enzyms aufklären, können wir mehr über den Reaktionsmechanismus herausfinden, und verstehen, wie die Mutationen das Enzym verbesserten.“

Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie


Originalpublikation:

Schulz-Mirbach, H., Wichmann, P., Satanowski, A. et al. New-to-nature CO2-dependent acetyl-CoA assimilation enabled by an engineered B12-dependent acyl-CoA mutase. Nat Commun15, 10235 (2024). doi.org/10.1038/s41467-024-53762-9