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Die Karl-Ritter-von-Frisch-Medaille 2022 geht an den Zell- und Entwicklungsbiologen Thomas Bosch

Einblick in den Laboralltag von Thomas Bosch Foto: Enver Hirsch

Die Karl-Ritter-von-Frisch Medaille geht in 2022 an den Zoologen, Zell- und Entwicklungsbiologen Prof. Dr. Dr. h.c. Thomas Bosch für seine bahnbrechenden Arbeiten an einem unkonventionellen Modelltier, dem Süßwasserpolypen Hydra. Der Wissenschaftspreis der Zoologie würdigt hervorragende Werke im deutschsprachigen Raum, die Erkenntnisse aus mehreren biologischen Einzeldisziplinen zu einem Gesamtbild integrieren. Die Karl-Ritter-von-Frisch-Medaille ist mit 10 000 € dotiert. In diesem Jahr wird der Wissenschaftspreis der Deutschen Zoologischen Gesellschaft (DZG) zum 22. Mal verliehen.

Thomas Bosch erhält den Preis für seine Arbeiten an einem unkonventionellen Modelltier, dem Süßwasserpolypen Hydra, die zur Entwicklung neuer Konzepte in der evolutionären Entwicklungsbiologie führten. Besonders interessieren ihn der Ursprung und die Funktion von Symbiosen und welche Bedeutung symbiotische Mikroorganismen für die Entwicklung und Evolution von Tieren haben. Er fand viele Beispiele dafür, dass tierische Wirte, die eng verflochten mit ihrem Mikrobiom in symbiotischen Gemeinschaften leben, einen Metaorganismus formen und als Einheit evolvieren.
Bei seinen Arbeiten konzentrierte er sich auf die funktionelle Bedeutung der symbiotischen Beziehungen und entdeckte unter anderem, dass Wirt und Symbiont über stammesgeschichtlich alte Immunwege Informationen austauschen. Andere Symbiose-fördernde Faktoren fand er beispielsweise in gegenseitigen Abhängigkeiten vom Stoffwechselsystem der Partner; sogar gegenseitige Beeinflussungen zwischen dem Nervensystem eines Wirtes und seinem Mikrobiom wurden deutlich.
Mit innovativen Ideen konnte er Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus vielen Fachrichtungen für offene Fragen zum Ursprung und Funktionieren von Metaorganismen begeistern. Dabei gelang es ihm, einen Sonderforschungsbereich zu etablieren und ein interdisziplinäres Wirts-Mikrobiom-Forschungszentrum in Deutschland aufzubauen. Die Arbeiten zum Konzept des Holobionten erstrecken sich unter anderem auf Grundlagenforschung in den Lebenswissenschaften sowie auf Felder in der Medizin, Anthropologie und Meeresforschung. Auch seine frühen Arbeiten zur Entwicklungsbiologie- unter anderen zur Evolution von Stammzellen und der Rolle verwaister Gene bei Hydra – fanden in hochrangigen Journalen Beachtung.
Die mitreißende Forschungspersönlichkeit von Thomas Bosch und seine bahnbrechenden Arbeiten zu Schlüsselrollen der Mikrobiota in den Biowissenschaften führten auch international zu außerordentlicher Beachtung. Er wurde mit einer Reihe nationaler und internationaler Ehrungen ausgezeichnet. So wurde Bosch in 2004 die Ehrendoktorwürde an der Staatlichen Universität St. Petersburg verliehen. Das Canadian Institute for Advanced Studies (CIFAR) ernannte ihn 2016 zum Fellow im Programm “Human and the Microbiome”. 2018/2019 war Bosch Fellow des Wissenschaftskolleg in Berlin.
Er engagierte sich auch für hochschulpolitische Aufgaben als Vizepräsident der Universität zu Kiel von 2010 bis 2013. Er begründete in dieser Zeit eine tiefere Anbindung der Universität an das Max-Planck-Institut in Plön. Seit 2013 ist er Sprecher des Forschungsschwerpunkts “Kiel Life Sciences“, einem interdisziplinären Zentrum für angewandte Lebenswissenschaften an der Universität Kiel, das sich zum Ziel gesetzt hat, den Begriff „Gesundheit“ über Systemgrenzen hinweg neu und integrativ zu definieren.
Seine Expertise und Reputation wurde von 2012 bis 2020 als Mitglied im DFG Fachkollegium Zoologie geschätzt, ebenso in den Auswahlkomitees renommierter Preise in der Alexander-von-Humboldt Stiftung und der Japanese Society Promotion of Science (JSPS). Darüber hinaus wurde er in den Beirat einer Reihe renommierter, nationaler und internationaler Wissenschaftsorganisationen berufen.
Von 2008 bis 2021 war Thomas Bosch Editor-in-Chief für das Journal „Zoology“, das er mitgegründet hat. Ein großes Anliegen ist ihm stets, Wissenschaft in verständlicher Form zu vermitteln. Als Autor mehrerer Bücher und im Dialog mit der interessierten Öffentlichkeit gelingt es ihm, den Wert von Grundlagenforschung für den Menschen und die Gesellschaft überzeugend zu erklären.

Zur Person:
Thomas Bosch kombinierte sein Biologiestudium an der LMU in München mit einem Aufenthalt am University College Swansea. Er begann sein Studium 1976 in München, erhielt dort in 1983 sein Diplom und promovierte in 1984 mit Arbeiten zu Hydra beim Entwicklungsbiologen Charles David. Ein Stipendium der Alexander-von-Humboldt Stiftung ermöglichte es ihm, seine Forschung in den USA an der University of California in Irvine (UCI) von 1986 bis 1988 als Postdoc fortzusetzen. Zurück als Oberassistent in München, habilitierte er sich in 1993 und nahm 1997 eine C3-Professur für spezielle Zoologie an der Universität Jena an. Drei Jahre später wurde er auf eine C4-Professur für allgemeine Zoologie an die Universität zu Kiel berufen. Er engagierte sich dort von 2010-2013 als Mentor für Forschung und Internationale Beziehungen in seiner Funktion als Vizepräsident. Seit 2013 leitet Bosch den Universitätsschwerpunkt “Kiel Life Science” und seit 2016 ist er Sprecher des Sonderforschungsbereiches “Ursprung und Funktionieren von Metaorganismen”.

Deutsche Zoologische Gesellschaft