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Männliche Listspinne „erschnuppert“ ihre Partnerinnen mit den Beinen

Weibchen und Männchen der Listspinne Pisaura mirabilis
Weibchen und Männchen der Listspinne Pisaura mirabilis, auch Brautgeschenkspinne genannt. Das Männchen (links) bringt eingewickelte Beute mit und übergibt diese dem Weibchen (rechts). Quelle: Foto: Gabriele Uhl

Männliche Listspinnen (Pisaura mirabilis) nutzen bei der Partnerinnensuche den Geruchssinn ihrer Beine. Mit dem Elektronenmikroskop entdeckten Forschende der Universität Greifswald auf den Beinen erwachsener Männchen „Geruchshärchen“. Verhaltensstudien belegen: Sie helfen den Spinnen, den Duft potenzieller Partnerinnen wahrzunehmen. Wie Spinnen Gerüche aufnehmen und verarbeiten, ist entscheidend, um natürliche, ökologische Beziehungen besser zu verstehen. 

„Sich gut riechen können“ ist maßgeblich bei der Partnerwahl – auch in der Tierwelt. Das Forschungsteam rund um Mohammad Belal Talukder machte an der Universität Greifswald eine bemerkenswerte Entdeckung: Männliche Listspinnen wittern den Duft von Weibchen mit ihren Beinen.

Dass Insekten ihre Umwelt über chemosensorische Sinneshärchen, sogenannte Sensillen, wahrnehmen, ist bekannt. Die chemosensorischen Werkzeuge von Spinnen sind hingegen kaum erforscht. In einer Studie https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.2415468121, die Anfang dieses Jahres erschien, wies die Greifswalder Arbeitsgruppe um die Professorin für Zoologie Gabriele Uhl erstmals nach, dass Radnetzspinnen über zwei Arten von Sensillen verfügen: Wie auch Insekten besitzen sie Sensillen zum Schmecken (Spitzenporus-Sensillen) und zum Riechen (Wandporen-Sensillen). Die „Geruchshärchen“ (Wandporen-Sensillen) fanden sich allerdings nur an den Beinen ausgewachsener Radnetzspinnen-Männchen.

Für die Listspinne, die zur Jagd durch die Gegend streift und keine Netze baut, zeigt sich in der aktuellen Untersuchung ein ähnliches Bild: Nur Männchen haben „Geruchshärchen“. 

Struktur und Position der Haare gibt Auskunft über die Funktion
Mithilfe hochauflösender Elektronenmikroskopie untersuchten die Forschenden Lage, Gestalt und zellulären Aufbau der Sinneshaare der Listspinne. Mohammad Belal Talukder, Erstautor der Studie, erklärt: „Mit dem Wissen, wo die Härchen sitzen, haben wir uns angeschaut, wie sich die Spinnen auf unterschiedlichem Terrain fortbewegen, etwa Blätter oder Gras, wie sie Beute fangen oder sich paaren. Dann haben wir abgeglichen, welche Teile ihrer Beine in Kontakt mit den Oberflächen oder dem Partnertier kommen.“ 

Das Ergebnis: Die Wandporen-Sensillen der Männchen sind so auf den Beinen verteilt, dass sie weder Oberflächen noch das Weibchen berühren. Das lässt den Schluss zu, dass sie zur Wahrnehmung von luftübertragenen Stoffen dienen – also zum Riechen. Die Spitzenporen-Sensillen, die bei beiden Geschlechtern der Listspinne vorkommen, treten hingegen mit Oberflächen in Kontakt. Hierdurch verarbeiten die Spinnen Geschmacksinformationen.

Männchen haben den „richtigen Riecher“
Ob die männliche Listspinne ihren ausgeprägten Geruchsapparat zur Aufspürung von Weibchen nutzt, untersuchte die Greifswalder Forschungsgruppe in einem Experiment: „Wir haben ein Weibchen in das eine Ende eines gegabelten Glasrohrsystems gesetzt. Das andere Ende blieb frei“, führt die Masterstudentin Vedanti Mahimkar aus. „Wir gaben dem Weibchen zwei Stunden Zeit, sich zu akklimatisieren und setzten dann ein Männchen bei der Gabelung ins Glasrohr.“

Das Team beobachtete, welchen Weg das Männchen wählte: Zur potenziellen Partnerin oder ins Leere? Die Männchen bewiesen den „richtigen Riecher“: 80 Prozent machten sich auf den Weg zur weiblichen Duftquelle – und das recht schnell.

Neue Erkenntnisse für Gliederfüßer
Dass Listspinnen-Männchen potenzielle Partnerinnen über Entfernung geruchlich wahrnehmen, war bisher unbekannt. „Die Studie sehe ich als ein wichtiges Puzzleteil in der Grundlagenforschung, um zu verstehen, welche Sinnesorgane Gliederfüßer besitzen, wie sie schmecken und riechen sowie Sexuallockstoffe wahrnehmen und einander zur Fortpflanzung finden“, ordnet die Leiterin der Studie Prof. Dr. Gabriele Uhl ein.

Universität Greifswald


Originalpublikation: Talukder, M.B., Müller, C.H.G., Fischer, A. et al. The chemosensory toolkit of the cursorial spider Pisaura mirabilis. Communications Biology (2025), https://doi.org/10.1038/s42003-025-09127-z.

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