Die Verbreitung von Arten über ihren heimischen Lebensraum hinaus zählt zu den menschengemachten Umweltveränderungen von globalem Ausmaß. Unter den Gefäßpflanzen haben sich inzwischen mehr als 16.000 Arten dauerhaft in fremden Ländern etabliert (Naturalisation). Der Großteil dieser „Einbürgerung“ geschah seit den 1950er-Jahren und überwiegend in Regionen mit einem hohen Ausmaß an menschlicher Einwirkung.
Naturalisierte gebietsfremde Pflanzen, auch Neophyten genannt, können einen großen Einfluss auf Ökosysteme haben. Besonders deutlich wird dies bei invasiven Pflanzen, die sich in neuen Regionen rapide ausbreiten und die einheimische Flora verdrängen. Was aber macht diese Pflanzen so erfolgreich? Gelingt ihnen deshalb eine so starke Ausbreitung, weil sie im fremden Ökosystem eine „ökologische Lücke“ ausnützen? Oder sind sie schlicht und ergreifend „von Natur aus“ gut darin, sich auszubreiten? Mit anderen Worten: Werden sich Pflanzenarten, die in ihrem heimischen Lebensraum auf dem Vormarsch sind, auch auf weltweiter Ebene als Neophyten verbreiten?
Eine internationale Forschungsgruppe unter Leitung der Universität Konstanz fand deutliche Hinweise, die diesen Verdacht stützen. In einer Studie verglich sie die Ausbreitung von 3.920 einheimischen Pflanzenarten anhand von zehn europäischen Ländern – Europa ist einer der weltweiten „Hauptexporteure“ von gebietsfremden Pflanzen. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass viele der europäischen Pflanzenarten, die sich erfolgreich in fremden Ökosystemen etablieren, zugleich auch Arten sind, die sich in ihrer Heimatregion stark ausgebreitet haben“, schildert der Konstanzer Biologe Mark van Kleunen, der die Studie leitete. „Dementgegen gelingt Pflanzen, deren Vorkommen in ihrem heimischen Verbreitungsgebiet rückläufig ist, nur selten die Ansiedlung in fremden Gebieten.“
Die Ergebnisse der Studie sind ein Hinweis darauf, dass es dieselben Eigenschaften sein könnten, die Pflanzen in ihrer Heimat und in fremden Gebieten erfolgreich machen. Die Forschenden identifizierten gemeinsame Merkmale dieser Arten: „Im Allgemeinen handelt es sich um große, ökologisch vielseitige Generalisten, die sehr wettbewerbsfähig sind und nährstoffreiche Lebensräume bevorzugen“, fasst die Erstautorin der Studie, Rashmi Paudel, zusammen.
„Wenn die Pflanzenarten, die innerhalb ihres heimischen Lebensraums weit verbreitet und auf dem Vormarsch sind, im Wesentlichen dieselben sind, die sich auch in anderen Regionen der Welt erfolgreich ausbreiten – und in manchen Fällen invasiv werden –, dann ist es naheliegend, dass beiden Vorgängen zumindest ähnliche biologische Mechanismen zugrunde liegen“, schlussfolgert Paudel. „Das könnte darauf hinweisen, dass der Selektionsdruck, der zur Verbreitung bestimmter Arten in ihrem heimischen Lebensraum führte, sie auch zu erfolgreichen Invasoren machte. Ein weiterer Faktor könnte sein, dass solch verbreitete Arten häufiger aufgelesen, mitgenommen und anderswo eingeschleppt werden.“ Die Dynamik der Ausbreitung von Pflanzen in ihrem Heimatgebiet zu beobachten kann somit wertvolle Indizien liefern, wie wahrscheinlich es ist, dass sie sich in neuen Gebieten ansiedeln.
Universität Konstanz
Originalpublikation:
Rashmi Paudel, Trevor S. Fristoe, Marten Winter, Mark van Kleunen et al., Many plants naturalized as aliens abroad have also become more common within their native regions. Nat Commun 16, 8227 (2025), DOI: https://doi.org/10.1038/s41467-025-63293-6