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Satellitenbilder zeigen Veränderungen des Waldzustandes

Durch den Borkenkäfer abgestorbene Fichten im Nationalpark Bayerischer Wald.
Durch den Borkenkäfer abgestorbene Fichten im Nationalpark Bayerischer Wald. Cornelius Senf / TUM

Auf mehr als 36 Millionen Flächen ist in den vergangenen 30 Jahren das Kronendach, die aus Baumkronen bestehende geschlossene Vegetationsdecke, in Europas Wäldern verloren gegangen. Zu diesem Ergebnis kommt ein Forschungsteam der Technischen Universität München (TUM) und der Universität für Bodenkultur Wien, das mit Hilfe von über 30.000 Satellitenbildern die erste hochaufgelöste Karte von Kronendachöffnungen in Europas Wäldern erstellt hat.

Erstmals ist es einem Forschungsteam gelungen, eine hochaufgelöste Karte aller Öffnungen im Kronendach europäischer Wälder zu erstellen. Rupert Seidl, Professor für Ökosystemdynamik und Waldmanagement in Gebirgslandschaften an der TUM, und sein Mitarbeiter Cornelius Senf, Erstautor der Studie, haben dafür mehr als 30.000 Satellitenbilder analysiert und darin über 36 Millionen Flächen identifiziert, auf welchen große Bäume einer Freifläche oder jungen Bäumen gewichen sind. Dies entspricht einem Verlust des Kronendaches auf 17 Prozent der europäischen Waldfläche in 30 Jahren.

Der Grund der Kronendachöffnung reicht dabei von geregelter Holznutzung bis hin zu Windwurf oder Waldbrand. Wie die Wissenschaftler herausfanden, war die Größe und Form der Öffnungen im Kronendach sehr unterschiedlich.

So hat zum Beispiel Schweden die größten Öffnungen im Kronendach vorzuweisen (im Durchschnitt knapp zwei Hektar), wohingegen in Portugal die höchste Anzahl an Öffnungen des Kronendaches zu verzeichnen war. Die im Schnitt kleinsten Öffnungen gibt es in der Schweiz. Sie sind mit gerade einmal 0,6 Hektar kleiner als ein Fußballfeld, während die durchschnittliche Flächengröße in Deutschland bei 0,7 Hektar, in Italien bei 0,75 Hektar lag. Die größte von den Forschern dokumentierte Öffnung im Kronendach trat in Spanien auf. Hier hat ein Feuer im Jahr 2012 ganze 17.000 Hektar auf einmal verbrannt.

Chance für an den Klimawandel angepasste Baumgenerationen

Die neuartige Karte ermöglicht es auch, Änderungen im Waldzustand zu beschreiben. So fanden die Forscher unter anderem heraus, dass Öffnungen des Kronendaches in ganz Europa zugenommen haben. Das bedeutet, dass Europas Wälder offener und häufiger durch Freiflächen unterbrochen werden. Zudem wurden die Öffnungen des Kronendaches im Schnitt größer, was nicht zuletzt durch große Windwürfe und Waldbrände in den vergangenen Jahren bedingt ist.

Die Studie zeigt auch, dass vermehrt Bäume auf solchen gestörten Flächen überleben. Durch die Verfügbarkeit von Samenmaterial fördert dies wiederum die Erholungsfähigkeit der Wälder nach einer Störung und kann auch als ein Indiz für die Zunahme von niedrigintensiver Waldwirtschaft in Europa, in welcher nur noch Einzelbäume oder Gruppen von Bäumen entnommen werden, gewertet werden.

Trotz der starken Änderungen in Europas Wäldern sehen die Forscher auch eine positive Entwicklung: „In den meisten Fällen wachsen nach einem Verlust des Altbestands neue, junge Bäume heran“, sagt Cornelius Senf und fügt hinzu: „Um aber zu verstehen, wo Wälder gegebenenfalls Gefahr laufen, irreversibel geschädigt zu werden, brauchen wir eine Basislinie als Referenz. Diese zeigt die neu erstelle Karte auf.“

Seidl fügt hinzu: „Die neuen Karten helfen uns zu verstehen, wie sich Europas Wälder wandeln. Denn zunehmende Öffnungen im Kronendach sind ein Risiko für den Wald, bieten aber auch die Chance, dass sich eine neue, besser an den Klimawandel angepasste Baumgeneration etablieren kann. Die Karten können zum Beispiel helfen, Flächen zu identifizieren wo durch gezieltes Pflanzen die Regeneration gefördert werden muss oder wo der Wald sich selbst verjüngen kann. Somit kann der Wald für den Klimawandel fit gemacht werden - eine Aufgabe, die gerade in den vergangenen zwei Jahren an Dringlichkeit gewonnen hat.“

TUM


Originalpublikation:

Senf und Seidl (2020): Mapping the forest disturbance regimes of Europe. Nature Sustainability.

https://www.nature.com/articles/s41893-020-00609-y