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SARS-CoV-2 und das Immunsystem: Wie sich COVID-19 in der 3D-Zellkultur simulieren lässt

Flimmerepithel (Wimperzellen) des oberen Respirationstraktes.
Flimmerepithel (Wimperzellen) des oberen Respirationstraktes. Doris Wilflingseder

Zahlreiche klinische Studien zu COVID-19 sind geplant oder schon angelaufen. Auf valide Daten und evidenzbasierte Ergebnisse müssen wir aber noch warten. Auf der Suche nach neuen Medikamenten und der richtigen Therapiewahl spielt aber auch die Grundlagenforschung eine wesentliche Rolle. Besonders innovative, vielversprechende und tierversuchsfreie Ansätze kommen von den ImmunologInnen Wilfried Posch und Doris Wilflingseder von der Medizin Uni Innsbruck.

Die Wechselwirkungen zwischen Viren und den relevanten Playern des Immunsystems sind komplex und gerade im Fall des neuen Corona-Virus noch vielfach unbekannt. „Erst ein besseres Verständnis dieser vielschichtigen Interaktionen kann neue Angriffsflächen und Strategien im Kampf gegen SARS-CoV-2 sichtbar machen“, betont Wilfried Posch, der am Institut für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie der Medizinischen Universität Innsbruck gemeinsam mit seiner Kollegin Doris Wilflingseder seit vielen Jahren das Wechselspiel zwischen Krankheitserregern und Immunzellen in der Akutphase der Infektion im Visier hat.

Immun-Interaktion im ‚Live-Modus‘

Mit den von den ForscherInnen entwickelten 3D-Modellen für den oberen und unteren Respirationstrakt und Typ 2 Alveolarzellen würden sich Interaktionen des neuen Corona-Virus mit dem Immunsystem bzw. humanen Gewebeschichten gleichsam simulieren lassen. Je nach Bedarf lassen sich verschiedene Zellen in dieses vielschichtige In-vitro-System einbauen, um damit spezifische Settings nachzustellen. „So können wir quasi im Live-Modus Aktionen beobachten, etwa, wie Epithelzellen beispielsweise auf Infektionen reagieren und welche Zytokine vor und nach Zugabe verschiedener Immunkomponenten ausgeschüttet werden oder auch, wie schnell Partikel in den Systemen weitertransportiert werden“, beschreibt Wilfried Posch mögliche Fragestellungen, die sich nun auch auf das neue Corona-Virus maßschneidern lassen.

Flexibles und zielsicheres Design

Da SARS-CoV-2 vor allem die Lunge schädigt, bietet das Innsbrucker 3D-Modell einen besonderen Mehrwert. „Unser humanes System, das einen sehr realistischen Nachbau des mehrschichtigen respiratorischen Epithels zulässt, war ursprünglich auf Pilzsporen ausgelegt. Aber natürlich kann im ausdifferenzierten Epithel anstelle der Pilzsporen nun SARS-CoV-2 als Erreger eingesetzt und in der Folge auch die Wirkung therapeutischer Interventionen geprüft werden“, so Doris Wilflingseder über die flexiblen Forschungsbedingungen, die zudem der Intensivierung der tierversuchsfreien Forschung am Standort entsprechen, die mit der Etablierung des Innsbrucker „MUI animalFree research cluster“ unter Federführung der Immunologin initiiert wurde.
Gegenüber Organoiden – organähnliche Strukturen, die man aus menschlichen Stammzellen kultivieren kann – punktet das 3D-Modell zudem mit einem problemlosen und weniger starren Aufbau. „Das Luft-Flüssig-Verhältnis unseres Modells entspricht jenem des Atmungstraktes,
Immunzellen können entweder apikal (z.B. Makrophagen) oder basolateral (z.B. Dendritische Zellen) auf das differenzierte Flimmerepithel eingebracht werden“, erklärt Doris Wilflingseder.
Dieses anpassungsfähige und vielversprechende Design soll nun auch in ein konkretes Forschungsprojekt einfließen, in dem Wilfried Posch (Projektleiter) mit InfektiologInnen der Univ.-Klinik für Innere Medizin II zusammenarbeiten wird.

Medizinische Universität Innsbruck