Für die Studie wertete der Agrarökonom Prof. Dr. Matin Qaim von der Universität Göttingen weltweite Forschungsergebnisse der letzten Jahrzehnte aus. Während der so genannten Grünen Revolution wurden seit den 1960er Jahren Hochertragssorten für Weizen, Reis und Mais gezüchtet und vor allem in Asien und Lateinamerika weit verbreitet angebaut. Hierdurch verdreifachten sich die Erträge, was nicht nur die Einkommen der Bauern steigerte, sondern auch den Zugang städtischer Verbraucher zu Lebensmitteln verbesserte. Die hohen Erträge gingen allerdings mit einem intensiven Einsatz chemischer Dünge- und Pflanzenschutzmittel einher. Außerdem konzentrierten sich die Entwicklungen auf wenige Getreidearten, was zur Reduktion der landwirtschaftlichen Vielfalt führte.
„Getreide liefert vor allem Kalorien, was erklärt, warum der Hunger in den letzten Jahrzehnten deutlich reduziert werden konnte“, erklärt Qaim. „Leider war die Grüne Revolution weniger erfolgreich, den weit verbreiteten Mikronährstoffmangel zu bekämpfen. Das erfordert eine ausgewogenere Ernährung und eine vielfältigere Landwirtschaft mit mehr Hülsenfrüchten, Gemüse, Obst und anderen lokal angepassten Arten.“
Mit den neuen, molekularen Züchtungstechnologien können Pflanzen so verändert werden, dass sie ertragreicher sind, gleichzeitig aber weniger Dünge- und Pflanzenschutzmittel benötigen, weil sie Bodennährstoffe besser ausnutzen und robuster gegen Krankheiten, Schädlinge und Wetterextreme sind. Außerdem kann die Züchtung neuer Eigenschaften deutlich beschleunigt werden, was eine schnellere Anpassung an den Klimawandel ermöglicht. „Obwohl Methoden wie CRISPR erst vor wenigen Jahren entwickelt wurden, sind sie bereits erfolgreich in vielen verschiedenen Pflanzenarten eingesetzt worden. Die Methoden sind relativ einfach und kostengünstig, so dass auch kleinere Labore sie verwenden können, um lokale Arten zu verbessern. Ein wichtiger Schritt in Richtung mehr Vielfalt“, so Qaim.
Gentechnisch veränderte Sorten werden seit rund 25 Jahren angebaut, sind aber vor allem in Europa umstritten. Obwohl diese Sorten wissenschaftlich als sicher gelten, gibt es in der Öffentlichkeit nach wie vor Ängste vor Umwelt- und Gesundheitsrisiken. Diese Ängste haben vor allem auch damit zu tun, dass mit Hilfe der Gentechnik artfremde Gene in die Pflanzen eingeschleust werden. „Die Ablehnung in der Bevölkerung hat zu hohen Zulassungshürden geführt, die wissenschaftlich unbegründet sind und die Technologie ausbremsen“, erläutert Qaim. Genomchirurgische Methoden sind anders, weil hierbei meist keine artfremden Gene übertragen werden. Die gezielten genetischen Veränderungen könnten prinzipiell auch auf natürlichem Wege entstehen. „Das Problem ist, dass die Zulassungsbehörden in Europa genomchirurgisch entwickelte Pflanzen genauso behandeln wie gentechnisch veränderte Pflanzen mit artfremden Genen. Das schürt die öffentlichen Ängste und verhindert die Weiterentwicklung und Nutzung der Technologie in der Landwirtschaft. Leider hat die europäische Haltung auch weitreichende Auswirkungen auf viele arme Länder, vor allem in Afrika, wo neue Agrartechnologien für die kleinbäuerliche Landwirtschaft besonders wichtig sind“, sagt Qaim. „Wir brauchen dringend einen anderen gesellschaftlichen Diskurs über neue Züchtungstechnologien, denn diese können einen wichtigen Beitrag für nachhaltige Landwirtschaft und Ernährungssicherung leisten.“
Georg-August-Universität Göttingen
Originalpublikation:
Qaim, M. (2020). Role of new plant breeding technologies for food security and sustainable agricultural development. Applied Economic Perspectives and Policy