VBIO
Aktuelles aus den Biowissenschaften

Ein neuer Raubdinosaurier mit markanter „Augenbraue“

Rekonstruktion von Alpkarakush kyrgyzicus
Rekonstruktion von Alpkarakush kyrgyzicus. Joschua Knüppe

Paläontologen finden den ersten Raubdinosaurier Kirgisistans. Ein kirgisisch-deutsches Expeditionsteam um SNSB-Forscher Oliver Rauhut hat bei Feldarbeiten nahe der Stadt Taschkömür im südwestlichen Kirgisistan die fossilen Knochen zweier Exemplare einer neuen Raubdinosaurierart gefunden. Der Fund ist einer der bedeutendsten in Zentralasien.

Raubdinosaurier (Theropoden) sind eine der wichtigsten Großgruppen der Dinosaurier, zu denen neben so bekannten Tieren wie Tyrannosaurus oder Allosaurus auch unsere heutigen Vögel gehören. Von ihnen sind aus der Zeit des Erdmittelalters, dem Zeitalter der Dinosaurier, eine Vielfalt von Gruppen bekannt. Ähnlich wie es Löwen heute über-wiegend in Afrika und Tiger nur in Asien gibt, war z.B. der Allosaurus im Jura in Nordamerika und im südwestlichen Europa verbreitet, während in China die ähnlich großen Metriacanthosaurier lebten. Die Region zwischen Zentraleuropa und Ostasien galt noch als Terra incognita, da bisher keine großen jurassischen Theropoden aus dieser riesigen Region bekannt waren.

Ein neuer Fund verbessert nun die Datenlage erheblich: Alpkarakush kyrgyzicus heißt der erste in Kirgisistan gefundene theropode Dinosaurier. Die ersten Knochen des Fossils wurden bereits 2006 vom kirgisischen Paläontologen Aizek Bakirov entdeckt. Der Fundort liegt in den gebirgigen Wüstengebieten nahe der Stadt Taschkömür im Westen Kirgisistans. Die dortigen Ausgrabungen fanden in der Balabansai-Formation statt, deren Sedimente während der mittleren Jurazeit vor ca. 165 Millionen Jahren abgelagert wurden.

Während mehrerer Grabungskampagnen im Zeitraum von 2006 bis 2023 wurden Schädelknochen, Rücken- und Beckenwirbel, Fragmente des Schultergürtels und der Vordergliedmaßen sowie der fast vollständige Beckengürtel und die Hintergliedmaßen eines etwa acht bis neun Meter langen Raubdinosauriers geborgen. Es handelt sich um eine neue Gattung und Art, die bisher unbekannte Merkmale aufweist. Besonders eindrucksvoll ist seine extrem vorstehende „Augenbraue“ am sogenannten Postorbitale, einem Schädelknochen hinter der Augenöffnung, die auf das Vorhandensein eines Horns an dieser Stelle hinweist. Andere einzigartige Merkmale finden sich an den Rückenwirbeln und am Oberschenkelknochen.

Der Vergleich mit zahlreichen anderen Theropoden zeigt, dass die neue Art ebenfalls zu den Metriacanthosauriden gehört, also nahe mit den großen Raubdinosauriern Ostasiens verwandt ist. Die Paläontologen vermuten den Ursprung der Metriacantho-sauriden und anderer wichtiger Theropodengruppen in Südostasien, von dort breiteten sie sich über Zentralasien und Europa auf andere Kontinente aus. „Obwohl die Zugehörigkeit von Alpkarakush zu den Metriacanthosauriden nicht unbedingt eine Überraschung ist, schließt dieser Fund doch eine gewaltige Lücke in unserer Kenntnis der jurassischen Theropoden und führt zu wichtigen neuen Erkenntnissen zur Evolution und Biogeographie dieser Tiere“, so Prof. Oliver Rauhut von der Bayerischen Staatssamm-lung für Paläontologie und Geologie in München (SNSB-BSPG), der Erstautor der Studie.

An derselben Fundstelle wurde auch die Überreste eines zweiten, etwas kleineren Exemplars von Alpkarakush kyrgyzicus gefunden. Untersuchungen des inneren Knochenaufbaus ergaben, dass es sich bei dem großen Exemplar um ein fast erwachsenes, mindestens siebzehn Jahre altes und sicherlich schon geschlechtsreifes Tier handelte, während das kleinere Individuum ein Jungtier ist. Möglicherweise war hier vor 165 Millionen Jahren ein Elterntier mit seinem Jungen unterwegs.

Von allen wichtigen Knochen des Alpkarakush wurden im Rahmen der Arbeit zusätzlich per Photogrammmetrie digitale 3D-Modelle erstellt. „Diese Modelle sind jetzt online verfügbar und erlauben es Forschenden weltweit, sowohl Folgestudien durchzuführen als auch 3D-Drucke anzufertigen“, freut sich Ko-Autor Dr. Oliver Wings, Leiter des Naturkundemuseums Bamberg.

Benannt ist das Fossil nach Alpkarakush, einem riesigen Vogel im mythologischen kirgisischen „Manas“-Epos, der den Helden in kritischen Momenten oft zu Hilfe kommt. Der Artname „kyrgyzicus“ verweist direkt auf die Kirgisische Republik, dem Herkunftsort des neuen Raubsauriers. Alpkarakush kyrgyzicus könnte sogar das erste in Kirgisistan ausgestellte Dinosaurierskelett überhaupt werden: wenn sich genügend Unterstützer finden, ist die Aufstellung des rekonstruierten Skelettes inklusive aller originalen Knochen im Historischen Nationalmuseum in Bishkek geplant.

Die Arbeit ist das Resultat einer Forschungskooperation zwischen dem M.M. Adyshev Institut für Geologie der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Kirgisischen Republik und zwei Abteilungen der Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns (Bayerische Staatssammlung für Paläontologie und Geologie in München und Naturkundemuseum Bamberg) sowie der Friedenstein Stiftung Gotha. Die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierte Studie erschien nun in der Fachzeit-schrift Zoological Journal of the Linnean Society.

Staatliche Naturwissenschaftliche Sammlungen Bayerns


Originalpublikation:

Oliver W M Rauhut, Aizek A Bakirov, Oliver Wings, Alexandra E Fernandes, Tom R Hübner: A new theropod dinosaur from the Callovian Balabansai Formation of Kyrgyzstan, Zoological Journal of the Linnean Society, Volume 201, Issue 4, August 2024, zlae090, https://doi.org/10.1093/zoolinnean/zlae090