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„Klimapeitsche“ hat vor 8.000 Jahren an der kalifornischen Westküste die Waldbrände verstärkt

Markersubstanzen in Tropfsteinen zur Klassifizierung der jeweiligen Vegetationstypen
Verhältnisse verschiedener Markersubstanzen in Tropfsteinen zur Klassifizierung der jeweiligen Vegetationstypen oberhalb der Höhle Abb./©: Arbeitskreis Thorsten Hoffmann

Tropfsteine helfen bei der Erforschung des früheren Klimas – Hydroklima-Schwankungen und verstärkte Brände stehen in Zusammenhang

Um die zukünftige Klimaentwicklung besser abschätzen zu können, versucht die Forschung Hinweise aus vergangenen Zeiten aufzudecken und zu analysieren. In einer internationalen Forschungskooperation haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun die Misox-Schwankung vor rund 8.200 Jahren anhand von Tropfsteinen aus der White Moon Cave in Nordkalifornien untersucht. Neuartige Indikatoren zeigen, dass in Kalifornien die Schwankungen zwischen extremer Nässe und Trockenheit einerseits und die Waldbrände andererseits eng miteinander verbunden waren. Dieses Phänomen dürfte mit dem menschenverursachten Klimawandel voraussichtlich zunehmen, erwarten die beteiligten Forschenden von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), der Vanderbilt University in Nashville, USA, und der Northumbria University im britischen Newcastle upon Tyne. Die Arbeit wurde in Nature Communications veröffentlicht.

Tropfsteine dienen als wertvolle Klimaarchive

Der Klimawandel und seine Auswirkungen auf unsere Jahreszeiten, den Wasserhaushalt, die Vegetation und die Böden sind bereits heute deutlich spürbar. So übersteigt zum Beispiel schon jetzt die Anzahl und Intensität von Waldbränden in semiariden Regionen wie dem westlichen Nordamerika die historischen Aufzeichnungen.

Wie sieht aber die Entwicklung in der Zukunft aus? Um das vorhersagen zu können, ist es hilfreich, das Klima der Vergangenheit besser zu verstehen. Gut datierte und sehr weit zurückreichende Klimaarchive konservieren kleinste Spuren chemischer Verbindungen, die Aufschluss über kontinentale und regionale Änderungen des Klimas und der vorherrschenden Umweltbedingungen geben. Zu den am besten datierten und detailliertesten Klimaarchiven gehören unter anderem Tropfsteine aus Höhlen, sogenannte Speläotheme. Insbesondere Stalagmiten sind aufgrund ihrer gleichmäßigen Wachstumsform von Interesse.

Mithilfe zweier neuartiger Markersubstanzen, Levoglucosan und Ligninoxidationsprodukten (LOP), ist es den Forschenden aus Mainz, Nashville und Newcastle upon Tyne gelungen, die Feueraktivität und die Vegetationszusammensetzung im Kalifornischen Küstengebirge während der Misox-Schwankung vor über 8.000 Jahren zu rekonstruieren. Die Misox-Schwankung war eine mehrere Hundert Jahre anhaltende Kältephase, die zuerst in den Schweizer Alpen durch pollenanalytische Untersuchungen und später auch in grönländischen Eiskernen nachgewiesen wurde. Studien deuten darauf hin, dass innerhalb dieser Periode die Niederschläge im Westen Nordamerikas viel stärker variierten als üblich. Diese wilden Schwankungen sind symptomatisch für ein Phänomen, das als „Klimapeitsche“ bezeichnet wird und das nach Ansicht vieler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit der Erwärmung der Erde wahrscheinlich zunehmen wird.

Stärkere Feueraktivität und stärkere Bewaldung als Folgen der Hydroklima-Schwankungen

„Die nun publizierten Ergebnisse legen nahe, dass sowohl die Vegetationszusammensetzung als auch die Waldbrandaktivität direkt auf diese Klimapeitsche reagieren“, erklärt Julia Homann, Doktorandin im Arbeitskreis von Prof. Dr. Thorsten Hoffmann an der JGU. Erhöhte Levoglucosan-Konzentrationen deuten auf eine verstärkte Feueraktivität hin, während die veränderte LOP-Zusammensetzung auf eine Verschiebung hin zu einer stärker bewaldeten Vegetation während der Misox-Schwankung hinweist. Diese Veränderungen waren direkte Folgen einer stärkeren Klimapeitsche, also stärkeren Schwankungen des Hydroklimas.

„Beides, Klimapeitsche und Waldbrandaktivität, werden mit dem von uns verursachte Klimawandel voraussichtlich stärker werden“, so Homann. Damit ähnelt das regionale Klima zunehmend dem vor rund 8.000 Jahren, wenn auch unter ganz anderen Vorzeichen. „Damals wurde die Klimapeitsche durch natürliche Umweltschwankungen bewegt, heute ist es der Mensch, der die Klimapeitsche schwingt“, bemerkt Homann, Forscherin am Department Chemie der JGU.

JGU


Originalpublikation:

Julia Homann et al.: Linked fire activity and climate whiplash in California during the early Holocene
Nature Communications, 23. November 2022, DOI: 10.1038/s41467-022-34950-x
https://www.nature.com/articles/s41467-022-34950-x