VBIO

Warum Pflanzen beschädigte DNA so schnell reparieren

Tabakpflanze Blüten
Die Blüten von Tabakpflanzen haben fünf Blütenblätter. Bei dieser Pflanze, die aus einer einzigen Tabakzelle gewachsen ist, die ein EGT-Ereignis durchlaufen hat, haben die Blüten vier oder drei Blütenblätter. Enrique Gonzalez-Duran, MPI-MP

Forschende haben eine entscheidende Rolle der schnellen DNA-Reparatur für die Aufrechterhaltung der Genomstabilität entdeckt. Eine neue Studie zeigt, dass die Reparatur von Doppelstrangbrüchen (DSBs) in der Kern-DNA einen wirksamen Schutz gegen die Integration fremder DNA aus Chloroplasten darstellt – ein Phänomen, das zwar für die Evolution wichtig ist, aber das Genom stark destabilisieren kann. Die Forschung erweitert unser Wissen über die Evolution pflanzlicher Genome und ist zugleich für die Medizin von Bedeutung. 

Die Ergebnisse, vorgestellt von Dr. Enrique Gonzalez-Duran und Prof. Dr. Ralph Bock vom Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie in Nature Plants, beleuchten den endosymbiotischen Gentransfer (EGT) – einen fortlaufenden evolutionären Prozess, bei dem Gene aus Organellen wie Chloroplasten und Mitochondrien in das Kerngenom übergehen. Zwar kann ein erfolgreicher Gentransfer die Zusammenarbeit zwischen Zellkern und Organellen verbessern, doch birgt der Vorgang auch erhebliche Risiken: Eingefügte DNA kann essenzielle Gene im Zellkern stören und zu schädlichen genomischen Umstrukturierungen führen. 

Das Forschungsteam fand heraus, dass der Mechanismus zur Reparatur von DSBs eine Schlüsselrolle bei der Regulierung der Häufigkeit von EGT spielt. Um zu verstehen, wie Pflanzen diesen Prozess kontrollieren, konzentrierten sich die Forschenden auf die DSB-Reparaturpfade – bekannte Eintrittspforten für organelläre DNA. Mit Hilfe gentechnisch veränderter Tabakpflanzen und eines zuvor entwickelten Screening-Systems für EGT-Ereignisse schalteten sie gezielt zwei verschiedene DSB-Reparaturmechanismen aus und analysierten über 650.000 Keimlinge auf neue EGT-Ereignisse.

Die Ergebnisse waren beeindruckend: Die Deaktivierung eines der beiden Reparaturwege führte zu einem dramatischen Anstieg der Genübertragungen von Chloroplasten in den Zellkern – in einigen Fällen bis zum 20-Fachen.

Zur Erklärung der Beobachtungen schlagen die Forschenden ein neues Modell vor: Unter normalen Bedingungen reparieren Pflanzen DSBs in ihrer Kern-DNA rasch und versiegeln die empfindlichen Stellen, bevor organelläre DNA eindringen kann. Der Reparaturmechanismus wirkt somit wie ein molekularer „Torwächter“. Ist jedoch ein Reparaturweg gestört, können andere zwar teilweise kompensieren, doch verläuft der Prozess insgesamt langsamer. Die dadurch verlängerte Reparaturzeit lässt DSBs länger offen – und erhöht die Wahrscheinlichkeit für die Integration von Chloroplasten-DNA. Die Folge ist ein Anstieg von EGT-Ereignissen, die häufig mit genomischen Umlagerungen und erhöhter Instabilität einhergehen. „Das Ausmaß des Effekts zeigt, dass eine schnelle DNA-Reparatur für Pflanzen essenziell ist, um die langfristige Stabilität ihres Genoms zu sichern“, erklärt Dr. Enrique Gonzalez-Duran, Erstautor der Studie.

Implikationen über die Welt der Pflanzen hinaus

Obwohl die Experimente an Tabakpflanzen durchgeführt wurden, geht das Team davon aus, dass der entdeckte Mechanismus vermutlich auf alle Eukaryoten übertragbar ist. „Diese DNA-Reparaturwege sind bei Tieren und Pilzen konserviert“, sagt Prof. Dr. Ralph Bock, Direktor des Instituts und Mitautor. „Unsere Ergebnisse könnten ähnliche Mechanismen der Genominstabilität in anderen Organismen, einschließlich des Menschen, erklären. Weitere Untersuchungen sind erforderlich, um dies zu klären.“

Die Forschung eröffnet neue Perspektiven darauf, wie organelläre DNA zur Entstehung von Mutationen im Zellkern beiträgt. Sie könnte auch für die menschliche Gesundheit von Bedeutung sein – insbesondere im Hinblick auf die Krebsbiologie, wo mitochondriale DNA-Integrationen und genomische Instabilität als molekulare Auslöser für Tumorentstehung bekannt sind. 

„Unsere Entdeckung liefert grundlegende Erkenntnisse über den Schutz des Genoms und die Risiken des Gentransfers“, fügt Gonzalez-Duran hinzu. „Sie zeigt, wie wichtig eine schnelle DNA-Reparatur ist – nicht nur, um Schäden zu beheben, sondern auch, um die Integrität des Erbguts aktiv zu verteidigen.“

Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie


Originalpublikation:

Enrique Gonzalez-Duran, Xenia Kroop, Anne Schadach, Ralph Bock: Suppression of plastid-to-nucleus gene transfer by DNA double-strand break repair, Nat. Plants (2025) DOI: https://doi.org/10.1038/s41477-025-02005-w