Das Ergebnis der Studie: Würde die Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius begrenzt – das entspricht dem Ziel des Pariser Klima-Abkommens – könnte knapp über die Hälfte der Gletschermasse erhalten werden. Ein Team von 21 Wissenschaftler:innen aus zehn Ländern hat für die Studie anhand von acht Gletschermodellen den langfristigen Eisverlust der mehr als 200.000 Gletscher außerhalb Grönlands und der Antarktis berechnet. Dabei haben sie eine breiten Palette von globalen Temperaturszenarien berücksichtigt. Für jedes Szenario nahmen die Forschenden an, dass die Temperaturen für Tausende von Jahren konstant bleiben.
Die Ergebnisse sind alarmierend: Selbst ohne eine weitere globale Erwärmung – das heißt, wenn die globalen Temperaturen auf dem heutigen Niveau von 1,2 Grad Celsius stabilisiert würden – würden 39 Prozent der weltweiten Gletschermasse verschwinden. Das liegt an der zeitverzögerten Reaktion der Gletscher auf den Klimawandel. Diese bereits sichere Gletscherschmelze wird über zehn Zentimeter zum globalen Meeresspiegelanstieg beitragen. Jede zusätzliche Erwärmung um 0,1 Grad Celsius führt zu etwa zwei Prozent mehr Verlust des Gletschereises, lautet die Prognose des internationalen Teams.
Vom MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen ist Professor Ben Marzeion an der Studie beteiligt. „Die Ergebnisse unterstreichen, dass die aktuelle Klimapolitik eine entscheidende Rolle dabei spielt, wie sich die Gletscher künftig entwickeln werden. Nicht nur in den nächsten Jahrzehnten, sondern auch in mehreren hundert Jahren noch. Sie verdeutlichen die große Verantwortung, die wir für die kommenden Generationen tragen“, betont Marzeion.
„Unsere Studie macht schmerzlich deutlich, dass jeder Bruchteil eines Grades zählt“, sagt Dr. Harry Zekollari, Co-Autor der Studie von der Vrije Universiteit Brüssel. „Die Entscheidungen, die wir heute treffen, werden sich Jahrhunderte nachwirken und bestimmen, wie viel von unseren Gletschern erhalten werden kann.“
In allen Szenarien verlieren die Gletscher über Jahrzehnte hinweg rasch an Masse und schmelzen dann Jahrhunderte lang langsamer ab, auch wenn es nicht mehr wärmer wird. Das bedeutet, dass sich die aktuelle Erwärmung noch lange auf die Gletscher auswirken wird, bevor sie sich in höhere Lagen zurückgezogen haben und ein neues Gleichgewicht erreichen.
„Gletscher sind gute Indikatoren für den Klimawandel, denn durch ihren Rückzug können wir mit eigenen Augen sehen, wie sich das Klima verändert. Da sie sich jedoch über längere Zeiträume anpassen, zeigt ihre derzeitige Größe bei weitem nicht das Ausmaß des bereits eingetretenen Klimawandels. Die Situation der Gletscher ist in Wirklichkeit viel schlechter, als heute in den Bergen sichtbar ist“, sagt Dr. Lilian Schuster, Co-Autorin der Studie von der Universität Innsbruck.
Gletscherschwund wirkt sich nicht nur auf den Meeresspiegel aus, sondern hat auch weitreichende Folgen für die Verfügbarkeit von Süßwasser, erhöht das Risiko gletscherbedingter Gefahren und bedroht den von Gletschern gespeisten Tourismus. Diese Veränderungen machen sich bereits in vielen Regionen bemerkbar und unterstreichen die Bedeutung einer globalen Klimapolitik.
MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen
Originalpublikation:
Harry Zekollari et al.: Glacier preservation doubled by limiting warming to 1.5°C versus 2.7°C. Science388, 979-983(2025). DOI:10.1126/science.adu4675