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Kollektives Putzen beeinflusst Konkurrenzkampf von Pathogenen

Artgentine ant Worker
Artgentine ant Worker © IST Austria/Roland Ferrigato & Sina Metzler

Das soziale Putzverhalten von Ameisen zur Krankheitsbekämpfung verbessert bekanntermaßen das Wohlbefinden der gesamten Kolonie. Die Auswirkungen der sozialen Krankheitsabwehr auf die Konkurrenzverhältnisse der Erreger im Körper des Wirts waren bis dato jedoch nicht geklärt. In ihrer aktuellen Studie im Fachjournal Ecology Letters zeigen Sylvia Cremer und ihre Forschungsgruppe am Institute of Science and Technology Austria (IST Austria), dass kollektives Putzen den Ausgang von Infektionen durch mehrere Erreger auch bei einzelnen Koloniemitgliedern beeinflussen kann.

Wer aus einem Wettbewerb als Sieger hervorgeht, hängt vordergründig vom Gegner ab, dem man gegenübersteht. Doch auch der Einfluss der Umgebung und der Bedingungen, unter welchen der Kampf ausgetragen wird, ist nicht zu unterschätzen. So wie einige Skifahrer mehr von eisigen Verhältnissen profitieren als andere oder eine Tennisspielerin auf dem Sandplatz brilliert, während sie derselben Gegnerin auf Gras unterlegen ist, gibt das Immunsystem die Bedingungen für gleichzeitig aktive und konkurrierende Krankheitserreger vor.
Die Immunantwort des Körpers kann den Ausgang einer Infektion durch mehrere Pathogene beeinflussen, indem sie einem Erreger einen Vorteil im Vergleich zur Konkurrenz verschafft. Professor Sylvia Cremer und ihr Team vom Institute of Science and Technology Austria (IST Austria) konnten nun erstmals zeigen, dass nicht nur das Immunsystem des einzelnen Wirts den Ausgang einer solchen Koinfektion bestimmt, sondern dass auch das soziale Umfeld eine Rolle dabei spielt.

Überleben des Schnelleren

Solitär lebende Arten sind im Kampf gegen Krankheiten auf sich gestellt. Im Gegensatz dazu unterstützen die Individuen von Gruppen sozialer Insekten – darunter Bienen, Ameisen oder Termiten – infizierte Nestgefährten bei der Körperhygiene, auch „Grooming“ genannt, und schaffen damit eine Umgebung „sozialer Immunität“. Die Cremer Gruppe fand nun heraus, dass neben dem individuellen Immunsystem des Wirts auch das Putzen der durch Pilzsporen befallenen Individuen durch andere Koloniemitglieder die Konkurrenzsituation im Wirtskörper beeinflusst – und damit auch die Erfolgsrate verschiedener Pathogene bei der nach erfolgter Infektion stattfindenden Sporenbildung.
Indem sie unterschiedliche Kombinationen an Pilzerregern testeten, fanden die WissenschafterInnen heraus, dass eine Erregerart, die sich bei einzeln gehaltenen Ameisen als sehr erfolgreich im Konkurrenzkampf mit anderen Arten zeigte, an Erfolg einbüßte, sobald das Individuum von einer Gruppe gesunder Ameisen umgeben war. Die Cremer Gruppe konnte auch zeigen, dass diese Veränderung der Konkurrenzverhältnisse in Folge des Groomings durch Nestgefährten nicht dadurch zustande kam, dass die Ameisen in ihrem Putzverhalten eine Pilzart der anderen vorzogen. Stattdessen ließ sich das getestete Ergebnis auf Unterschiede in der Anfälligkeit der einzelnen Pilzarten für das soziale Putzverhalten erklären: Jene Sporen, die relativ rasch in den Wirtskörper eindringen, zeigten sich weniger anfällig gegenüber dem Grooming-Verhalten als jene, die mehr Zeit brauchen, die Körperdecke zu durchdringen, um im Inneren der Ameise neue Sporen auszubilden. Aufgrund dieser niedrigeren Eindringgeschwindigkeit waren also die Erreger dem Putzverhalten der Ameisen länger ausgesetzt als ihre sonst schwächeren Konkurrenten.
Gruppenleiterin Sylvia Cremer fasst zusammen: „Braucht eine Pilzart mehr Zeit, in den Ameisenkörper einzudringen, haben auch die Ameisen mehr Zeit und eine höhere Chance, den Erreger zu beseitigen. Eine hohe Eindringgeschwindigkeit hingegen verkleinert das Zeitfenster, um erfolgreiches Grooming zu betreiben, und kann damit das Gleichgewicht zu Ungunsten des langsameren Konkurrenten verschieben.“

Soziale Pflege ist Eigenhygiene überlegen

Erreger des Pilzes Metarhizium infizieren Insekten, indem sie sich an die Körperoberfläche ihres Wirts anheften und damit einen Sporenbildungsprozess einleiten. Neu ausgebildete Sporen entwickeln eine Haftscheibenstruktur, welche durch Druckausübung und mithilfe eigens produzierter lytischer Enzyme das Eindringen in den Ameisenkörper ermöglicht. Die Sporen wachsen sodann ins Innere der Ameise, vermehren sich und töten den Wirt mittels Toxinen, bevor sie Millionen neuer Sporen für die nächste Infektionsrunde ausbilden. Mit dem Grooming-Verhalten schützen sich die Ameisen vor diesen Infektionen.

Erstautorin und IST Austria-Postdoc Barbara Milutinović: „Mit ihren Mundwerkzeugen zupfen die Ameisen die infektiösen Sporen von der Oberfläche der Koloniemitglieder. Dieses soziale Verhalten, auch „Allogrooming“ genannt, ist viel effizienter als „Selfgrooming“, also das Putzen des eigenen Körpers, da einige Körperteile für die Ameise selbst nur schwer oder gar nicht zugänglich sind – man denke nur an den oftmals unmöglichen Versuch, eine juckende Stelle am eigenen Rücken zu erreichen.“ Wie die Gruppe um Sylvia Cremer nun herausfand, kann soziales Allogrooming zu einer Verschiebung der Community an Erregern im Inneren des Wirts führen – und so den Ausgang einer Infektion beeinflussen.

IST Austria


Originalpublikation:

Barbara Milutinovic, Miriam Stock, Anna V. Grasse, Elisabeth Naderlinger, Christian Hilbe & Sylvia Cremer. 2020. Social immunity modulates competition between coinfecting pathogens. Ecology Letters. DOI: 10.1111/ele.13458

https://doi.org/10.1111/ele.13458