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Pflanzliche Ernährung begünstigte Vielfalt der Insekten

Vielfalt Insekten Pflanzen
(c) Bernhard Schurian/MfN

Bienen, Ameisen, Wespen und Sägewespen weisen eine schier unglaubliche Formen-, Farben-und Verhaltensvielfalt auf. Woher kommt diese Vielfalt? Wissenschaftler:innen des Museums für Naturkunde Berlin, des Smithsonian National Museum of Natural History, der Université de Montpellier, der University of New Hampshire und des Florida Department of Agriculture and Consumer Services zeigten: Der Umstieg der Hautflügler (Hymenoptera) von einer parasitoiden Lebensweise zum Bestäuben von Pflanzen erhöhte deren Diversität deutlich.

Die Frage, wie kam es zu so einer Artenvielfalt, hat zu mannigfachen Ideen und Theorien geführt. Um die Schlüsselinnovationen dieser Diversifizierung fundiert zu ergründen, stellten die Forscher:innen die bisher größte zeitkalibrierte Abstammungsgeschichte der Hymenopteren zusammen. Sie umfasste 771 Arten aus 94 von 109 anerkannten bestehenden Familien, die alle 22 anerkannten Überfamilien innerhalb der Hymenoptera und sechs Nicht-Hymenoptera-Außengruppen repräsentieren.

Auf dieser Basis untersuchten sie mittels eigener genetischer Analysen den Ursprung und die mögliche Korrelation bestimmter morphologischer und verhaltensbezogener Innovationen, die seit längerem als Schlüsselinnovationen vermutet worden waren, mit der Vielfalt der Arten. Sie prüften, ob die Wespentaille von Apocrita; der Stachel von Aculeata; eine spezielle Form des Fleischfressens (Parasitoidismus) und der Umstieg auf die Pflanzenernährung (sekundäre Phytophagie) Schlüssel für die Diversifizierung sein können.

„Unsere Daten deuten darauf hin, dass Parasitoidismus seit der späten Trias die vorherrschende Lebensstrategie bei Hymenopteren war. In der Folgezeit kam es zu mehreren Wechseln von einer parasitoiden Strategie zu einer sekundär phytophagen oder räuberischen Lebensweise, jedoch erst ab der mittleren Kreidezeit.

Die Diversifizierung der Bedecktsamer könnte die Evolution und Diversifizierung der gallenbildenden und pollensammelnden Hautflügler begünstigt haben, wie die bekannten Fälle von Kodiversifizierung zwischen Pflanzen und ihren bestäubenden Hautflüglern zeigen“, erläutert Dr. Bonnie Blaimer, Erstautorin der Studie. Das setzt allerdings voraus, dass die Diversifizierung der Bedecktsamer (Angiospermen) vor der sekundären Phytophagie bei den Hautflüglern auftritt. Genau dafür fanden die Forscher:innen Belege.

Zwar ist der Zeitpunkt der Entstehung der Angiospermen umstritten, aber die meisten Schätzungen gehen von einem Zeitpunkt vor 130-180 Millionen Jahren aus. Dieser liegt in der Tat vor der Entwicklung der sekundär phytophagen Gruppen (Kladen) bei den Hymenopteren, die sich nach Einschätzung der Autor:innen frühestens vor 105 Millionen Jahren entwickelten.

„Der Übergang zur sekundären Phytophagie von einer parasitoiden Lebensweise hatte nachweisbar einen großen Einfluss auf die Diversifizierungsrate bei Hymenoptera. Sie ist eine Schlüsselinnovation“, folgert Bonnie Blaimer und fügt hinzu: „Unklar bleibt, ob auch der Stachel und die Wespentaille Schlüsselinnovationen für die Artenvielfalt sind. Gleichwohl könnten diese Merkmale die anatomischen und verhaltensmäßigen Grundlagen für Anpassungen gelegt haben, die direkter mit der Diversifizierung verbunden sind.“

Der Mensch verdankt der durch die Schlüsselinnovation Sekundärphytophagie ausgelöste Artenvielfalt der Hautflügler rund ein Drittel seiner Nahrungsmittel.

Museum für Naturkunde Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung


Originalpublikation:

Blaimer, B.B., Santos, B.F., Cruaud, A. et al. Key innovations and the diversification of Hymenoptera. Nat Commun 14, 1212 (2023). https://doi.org/10.1038/s41467-023-36868-4