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Helfer bei der Zusammensetzung von zellulären „Proteinfabriken“

zelluläre Proteinfabriken
Bei der sogenannten Pseudouridylierung wird ein RNA-Baustein in der langen ribosomalen RNA-Kette (rRNA; rechts im Bild) modifiziert. Dieser Prozess wird durch eine kurze snoRNA (links im Bild) ausgelöst, die das Modifizierungsenzym zur ausgewählten RNA-Base der rRNA geleitet. Der Lichtblitz zeigt die enzym-katalysierte Umwandlung des auserkorenen Uridin-Nukleosids in ein Pseudouridin-Nukleosid. Beide Bausteine sind in ihrer biochemischen Struktur dargestellt. © Forschungsgruppe Ed Hurt

Ribosomen sind die Nano-Maschinen der Zelle, deren Aufgabe die fehlerfreie Synthese von Eiweißen ist. Mit der Entstehung dieser „Proteinfabriken“, den Ribosomen, beschäftigen sich Forscherinnen und Forscher am Biochemie-Zentrum der Universität Heidelberg. Sie konnten die besondere Rolle eines bisher unerforschten Biogenese-Faktors bei der Reifung von Vorläufer-Ribosomen entschlüsseln.

Jede Zelle verfügt über eine Vielzahl dieser Nano-Maschinen, die als Proteinfabriken für den Organismus lebenswichtige Eiweiße mit unterschiedlichen Aufgaben herstellen. Ein funktionsfähiges Ribosom besteht aus zwei Untereinheiten, die in ihrem Entstehungsprozess von Helferproteinen, sogenannten Biogenese-Faktoren, zusammengesetzt werden. Dabei werden Ribonukleinsäuren (RNA) und Proteine zu Vorläufern und später zu fertigen Ribosomen verbunden. Dieser Prozess beginnt im Zellkern mit der Herstellung einer langen RNA-Kette. Diese wird schrittweise an ausgewählten RNA-Bausteinen biochemisch verändert, wobei kurze RNA-Moleküle, bekannt als small nucleolar RNAs oder snoRNAs, die dafür notwendigen Enzyme zu den auserkorenen RNA-Basen hinführen. Im Anschluss wird die Vorläufer-RNA-Kette zurechtgeschnitten und schließlich mit ribosomalen Proteinen dekoriert. „Bisher war unklar, wann die einzelnen Bausteine modifiziert werden und wie diese Modifizierungen mit anderen Reifungsschritten gekoppelt werden“, sagt Ed Hurt, Seniorprofessor am Biochemie-Zentrum der Universität Heidelberg (BZH).

In Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern des Genzentrums der Ludwig-Maximilians-Universität München konnten die Heidelberger Forscherinnen und Forscher zeigen, wie ein bisher unerforschter Biogenese-Faktor mit der Bezeichnung Cms1 die Reifung der Vorläufer-Ribosomen zeitlich koordiniert. Danach erfolgt eine hochspezifische, lokale chemische Veränderung der ribosomalen RNA in den frühesten Stadien der Ribosomenherstellung. „Zu diesem Zeitpunkt ist die RNA noch nicht gefaltet und verdichtet und somit zugänglich für die Modifizierung durch Enzyme, was später im reifen und kompakten Ribosom nicht mehr möglich ist“, erläutert Prof. Hurt. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Biogenese-Faktor Cms1 und einem bestimmten Bereich der noch unreifen RNA. „Die zentrale Funktion von Cms1 besteht darin, die Bindung weiterer Biogenese-Faktoren so lange zu verhindern, bis die RNA an spezifischen Stellen chemisch verändert wurde“, sagt Dr. Benjamin Lau, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsteam von Prof. Hurt.

Von ihren Erkenntnissen über die Mechanismen, die zu funktionsfähigen Ribosomen führen, erhoffen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch ein besseres Verständnis von Krankheiten wie Ribosomopathien, die auf fehlerhaften Reifungsprozessen basieren. Nach den Worten von Prof. Hurt gibt es zudem deutliche Hinweise darauf, dass ribosomale RNA-Modifizierungen bei der Entstehung von Krebs eine Rolle spielen könnten. So sind Krebszellen auf eine „angekurbelte“ Ribosomenherstellung angewiesen, wie der Heidelberger Forscher erläutert.

Universität Heidelberg


Originalpublikation:

B. Lau, O. Beine-Golovchuk, M. Kornprobst, J. Cheng, D. Kressler, B. Jády, T. Kiss, R. Beckmann, E. Hurt: Cms1 coordinates stepwise local 90S pre-ribosome assembly with timely snR83 release. In: Cell Reports 41:111684 (2022). https://doi.org/10.1016/j.celrep.2022.111684