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Wenn Maden einen Mord aufdecken

Maden Forensik
Diese Maden gehören zur Latrinenfliege. Sie sind quasi Kriminalbeamte. Roberto Schirdewahn

Auf Spurensuche müssen sich Ermittlerinnen und Ermittler immer noch selbst begeben. Aber wenn sie am Tatort Krabbeltiere finden, können diese ihnen eine große Hilfe sein.

Inwiefern sich Verwesungsprozesse an der Oberfläche und unter der Erde unterscheiden, hat der Bochumer Forscher Dr. Ersin Karapazarlioglu untersucht. Zu diesem Zweck konstruierte er ein spezielles Beobachtungsgrab und verglich, wie schnell ein Tierkadaver in diesem Grab und an der Erdoberfläche verwest und welche Insekten an den Abbauprozessen beteiligt sind. Die Erkenntnisse sind für die Forensische Entomologie interessant, die es ermöglicht, anhand von Insekten den Todeszeitpunkt einer Leiche zu bestimmen. Das gelingt nur präzise, wenn der Einfluss verschiedener Umgebungsbedingungen berücksichtigt wird.

An der Ruhr-Universität Bochum (RUB) untersucht Karapazarlioglu im Team von Prof. Dr. Wolfang Kirchner derzeit daher auch den Einfluss der Jahreszeiten auf den Verwesungsprozess. Über seine Arbeit berichtet das Wissenschaftsmagazin Rubin der RUB.

Todeszeitpunkt mit zwei Methoden bestimmen

Bestimmte Fliegenarten legen schon ein bis zwei Stunden nach dem Tod ihre Eier in das Gewebe einer Leiche. Einige Tage später schlüpfen Maden, die von Tag zu Tag größer werden. Findet man an einem Tatort also eine Made in einem bestimmten Entwicklungsstadium, kann man zurückschließen, wie viele Tage sie alt ist und somit wann die Eier gelegt wurden – das entspricht dann auch ungefähr dem Zeitpunkt des Todes.

Diese Methode funktioniert etwa einen Monat lang; dann haben sich die Maden in Fliegen verwandelt, und ein anderes Verfahren muss her. Hier helfen Spezies, die sich nicht ganz so schnell am Tatort einfinden wie die Fliegen, etwa diverse Käfer, die erst in einem späteren Verwesungsstadium auftauchen. Das Vorkommen bestimmter Arten am Tatort hilft Ermittlerinnen und Ermittlern abzuschätzen, wie viele Wochen oder Monate der Tod zurückliegt.

In den USA etabliert, in Europa am Anfang

Die Forensische Entomologie ist in den USA bereits etabliert, in Europa steckt sie in den Kinderschuhen. Das Wissen lässt sich nicht einfach aus den USA auf Europa übertragen, weil es in verschiedenen geografischen Regionen unterschiedliche Insektenarten gibt und deren Entwicklung von vielen Umweltfaktoren abhängt.

An der Fakultät für Biologie und Biotechnologie der RUB erforscht Ersin Karapazarlioglu aktuell, welche Insektenarten in Deutschland im Verlauf der Jahreszeiten am Verwesungsprozess beteiligt sind – und ob es einen Unterschied macht, wie tief in der Erde vergraben ein Körper liegt. „Nach einem Mord werden Leichen häufig vergraben, um die Spuren der Tat zu vertuschen, allerdings nicht besonders tief“, sagt der ehemalige Kriminalbeamte. Daher kann der Verwesungsprozess ein anderer sein als tief unter der Erde – untersucht hat das allerdings bislang niemand.

Ein selbst konstruiertes Beobachtungsgrab

Um die Effekte des oberflächlichen Verscharrens zu ermitteln, hat Ersin Karapazarlioglu ein spezielles Beobachtungsgrab konstruiert. Es ist an einer Seite mit einer Plexiglasscheibe verschlossen, sodass man ins Innere sehen kann. An acht Stellen sind zudem Vorrichtungen angebracht, mit denen der Forscher Proben der Erde und der enthaltenen Organismen nehmen kann. In dem Grab ist seit mehreren Monaten ein Schaf vergraben. Ein weiteres Schaf hat Karapazarlioglu zum Vergleich der Verwesung und dem Befall mit Insekten an der Erdoberfläche ausgesetzt. Alle ein bis zwei Tage nimmt er von beiden Kadavern Proben und vergleicht die Insektenzusammensetzungen.

„Die Ergebnisse zeigen, dass das Begraben eine Rolle für den Verwesungsprozess und die Insektenbesiedlung spielt“, resümiert der Forscher. „An einem Kadaver, der der Verwesung und der Insektenbesiedlung an der Oberfläche ausgesetzt ist, haben wir andere Insektenspezies gefunden als an dem vergrabenen Kadaver.“ Die Anzahl der besiedelnden Insekten war an der Oberfläche deutlich größer als in der Tiefe. Außerdem dauerten Abbauprozesse, die in der Tiefe 180 Tage brauchten, an der Oberfläche nur zehn Tage.

Ausführlicher Artikel im Wissenschaftsmagazin Rubin

Ruhr-Universität Bochum