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Neuer Ansatz für Antibiotikaentwicklung

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Coverstory in JACS: Das membrangebundene Enzym Phospholipase A1 des Bakteriums P. aeruginosa ist ein potenzielles Ziel für Antibiotika, wie Forschende der HHU und des FZJ sowohl im Computermodell als auch im Reagenzglas und im Organismus zeigen konnten. ACS / Rocco Gentile

Der Krankenhauskeim Pseudomonas aeruginosa ist auch wegen seiner Resistenz gegen zahlreiche Antibiotika gefährlich. Ein Forschungsteam der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) und des Forschungszentrums Jülich (FzJ) hat nun einen Mechanismus gefunden, der es ermöglicht, die Virulenz des Keims abzuschwächen. Auf diesem Wissen aufbauend kann ein neuer Ansatz für Antibiotika entwickelt werden, wie die Autoren in der Fachzeitschrift JACS Au darlegen.

Das Bakterium Pseudomonas aeruginosa verursacht beim Menschen häufig eine sogenannte „nosokomiale Infektion“. Es ist also einer der gefährliche Krankenhauskeime, der gegen mehrere Antibiotika resistent ist. Besonders immungeschwächte Patienten sind davon betroffen. Die WHO setzte P. aeruginosa auf die Liste der Keime, gegen die mit besonderer Anstrengung nach neuen Behandlungsmöglichkeiten geforscht werden soll.

Das Bakterium besitzt ein breites Spektrum von krankheitsauslösenden sogenannten Virulenzfaktoren. Hierzu gehören auch die „Typ-A Phospholipasen“ (PLA1): Enzyme, die die Membran der Wirtzelle schädigen können und darüber hinaus verschiedene Signalnetzwerke in den infizierten Zellen stören. In Vorarbeiten (DOI: 10.7554/eLife.72824) wurde gezeigt, dass das Enzym PlaF aus P. aeruginosa eine PLA1 ist, die ebenfalls das Membranprofil verändert und damit zur Virulenz des Bakteriums beiträgt.

Die Arbeitsgruppen von Prof. Dr. Holger Gohlke (HHU-Institut für Pharmazeutische und Medizinische Chemie und IBG-4: Bioinformatik des FZJ) sowie von Prof. Dr. Karl-Erich Jaeger (HHU-Institut für Molekulare Enzymtechnologie am FZJ) identifizierten nun molekulare Mechanismen, bei denen mittellange freie Fettsäuren die Aktivität von PlaF regulieren.

Die Forschenden führten molekulare Simulationen sowie Laborstudien und Untersuchungen im Organismus durch. Alle diese Forschungsansätze zeigten einen indirekten Effekt der Fettsäuren auf die Lage von PlaF in der Bakterienmembran sowie einen direkten Effekt, indem das aktive Zentrum des Enzyms blockiert wird. Auf beiden Wegen wird damit die Aktivität von PlaF herabgesetzt.

Die Ergebnisse liefern einerseits einen Beweis, dass das Zusammenspiel der Mechanismen ein regulatorischer Faktor für die PlaF-Funktion ist. Prof. Gohlke: „Nur durch das Zusammenwirken von computergestützten und experimentellen Techniken im Rahmen der im SFB 1208 geförderten Projekte konnten wir diese komplexen Zusammenhänge entwirren.“

Die Ergebnisse tragen andererseits zum Verständnis der regulatorischen Rolle von Fettsäuren bei. Möglicherweise können die Resultate auf andere Membranproteine, die eine ähnliche Struktur wie PlaF besitzen, übertragen werden.

Schlussendlich eröffnen sie auch neue Perspektiven, wie PlaF gehemmt werden kann. Prof. Jaeger: „Dies ist ein vielversprechender Ansatz, um neue Antibiotika gegen P. aeruginosa zu entwickeln. Diese werden dringend gebraucht, um die gefährlichen Keime im Krankenhaus bekämpfen zu können.“

HHU


Originalpublikation:

Gentile, R., Modric, M., Thiele, B., Jaeger, K.-E., Kovacic, F., Schott-Verdugo, S., Gohlke, H., Molecular Mechanisms Underlying Medium-Chain Free Fatty Acid-Regulated Activity of the Phospholipase PlaF from Pseudomonas aeruginosa. JACS Au 2024, 4, 958−973. DOI: 10.1021/jacsau.3c00725, https://pubs.acs.org/doi/10.1021/jacsau.3c00725