Eiweiße, auch Proteine genannt, sorgen dafür, dass die menschlichen Zellen funktionieren und lebensfähig sind. Proteine werden gebildet, um eine bestimmte Aufgabe in der Zelle zu übernehmen und wenn diese erledigt ist, werden sie wieder abgebaut. Wird dieser Prozess gestört, können Erkrankungen wie beispielsweise Parkinson oder Alzheimer entstehen. Beide Krankheiten sind durch den Untergang von Nervenzellen im Gehirn gekennzeichnet und werden daher als neurodegenerative Erkrankungen bezeichnet. Während es bei der Parkinson-Erkrankung zu Bewegungsstörungen wie Zittern, verlangsamten Bewegungen, Gleichgewichtsstörungen und versteiften Muskeln kommt, äußert sich Alzheimer durch unter anderem zunehmende Gedächtnisprobleme und Wahrnehmungsstörungen. Ursache ist in beiden Fällen, dass alte und beschädigte Proteine nicht ordnungsgemäß abgebaut werden, sich in den Zellen ansammeln und verklumpen. Diese Proteinklumpen, auch Aggregate genannt, können nicht mehr vom Körper abgebaut werden und sorgen dafür, dass die Nervenzellen nach und nach zerstört werden.
In einer internationalen Zusammenarbeit unter Beteiligung der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) haben Dr. Eugenio F. Fornasiero, Arbeitsgruppenleiter am Institut für Neuro- und Sinnesphysiologie der UMG, und seine US-amerikanischen Kollegen von der Universität Yale in New Haven, Connecticut, und dem St. Jude Children’s Research Hospital in Memphis, Tennessee, die bisher umfassendste Karte zur Lebensdauer verschiedener Proteine in zahlreichen Geweben des Körpers erstellt. „Dieses umfangreiche Datenset ist wie ein Bauplan, der uns zeigt, wie die verschiedenen Organe mit ihren Proteinen umgehen“, sagt Dr. Fornasiero, einer der Letztautoren der Studie. „Wir sehen, welche Proteine beispielsweise im Gehirn schnell erneuert werden und welche länger bestehen bleiben – das gibt uns Hinweise auf ihre Stabilität und ihre Rolle bei neurodegenerativen Erkrankungen.“
Die Forschenden fanden heraus, dass ein Mechanismus, der für das Ein- und Ausschalten von Proteinen sorgt, auch eine Rolle bei der Stabilisierung von Proteinen spielt: die Proteinphosphorylierung. Hierbei werden Phosphatgruppen auf Proteine übertragen, welches dazu führt, dass das entsprechende Protein eingeschaltet, sprich aktiviert wird. Die Entfernung der Phosphatgruppen schaltet das Protein aus. Die Wissenschaftler*innen konnten beispielsweise im Gehirngewebe von an Alzheimer erkrankten Mäusen zeigen, dass das Protein „Tau“, das an der Entstehung der Erkrankung beteiligt ist, auf bestimmten Abschnitten vermehrt phosphoryliert wird. Dadurch wird die Stabilität des Tau-Proteins erhöht und seine Lebensdauer verlängert. Dies begünstigt wiederum, dass Proteinaggregate entstehen und Nervenzellen absterben.
„Das Verständnis darüber, wie die Phosphorylierung die Stabilität und den Umsatz von Proteinen beeinflusst, könnte dazu beitragen, neue therapeutische Strategien zur Behandlung von Parkinson und Alzheimer zu entwickeln. Zum Beispiel indem man solche krankhaften Veränderungen verhindert oder umkehrt“, so Fornasiero. Das Verständnis des Proteinumsatzes und seiner Regulation trägt neben der Identifizierung krankheitsrelevanter Proteine ebenfalls dazu bei, auch jene Proteine zu identifizieren, die besonders anfällig für Alterungsprozesse sind. Damit eröffnen sich auch neue Wege für zukünftige Anti-Aging-Therapien.
Universitätsmedizin Göttingen
Originalpublikation:
Wenxue Li, Abhijit Dasgupta, Ka Yang, Shisheng Wang, Nisha Hemandhar-Kumar, Surendhar R. Chepyala, Jay M. Yarbro, Zhenyi Hu, Barbora Salovska, Eugenio F. Fornasiero, Junmin Peng and Yansheng Liu. An Extensive Atlas of Proteome and Phosphoproteome Turnover Across 2 Mouse Tissues and Brain Regions. Cell (2025). DOI: https://doi.org/10.1016/j.cell.2025.02.021