„Pflanzen können zwar nicht vor ihren Feinden weglaufen, aber so wehrlos, wie man meinen könnte, sind sie nicht“, sagt Prof. Dr. Andreas Schaller vom Fachgebiet Physiologie und Biochemie der Pflanzen an der Universität Hohenheim. „Im Gegenteil: Pflanzen haben im Laufe der Evolution eine ganze Reihe an ausgeklügelten Abwehrmechanismen entwickelt, um Angreifern das Leben schwer zu machen.“
Den Pflanzenphysiologen interessiert dabei besonders, wie die Pflanzen erkennen mit welchen Schädlingen sie es zu tun haben: „Für die Pflanze ist es wichtig zu wissen, ob es sich beispielsweise um Bakterien, Pilze oder Insekten handelt. Denn entsprechend unterschiedlich muss ihre Reaktion ausfallen.“ Bei Insektenbefall produzieren Pflanzen beispielsweise Substanzen, die gezielt die Verdauung ihrer Fressfeinde beeinträchtigen, so dass diese die aufgenommenen Nährstoffe nicht verwerten können.
Signalmoleküle lösen Kaskade an Abwehrreaktionen aus
Fressfeinde, aber auch Krankheitserreger wie Bakterien, Viren oder Pilze, werden von Pflanzen anhand charakteristischer Merkmale erkannt. Bei Insekten sind es oft spezielle Moleküle aus dem Speichel der Tiere, die eine ganze Kaskade an verschiedenen Abwehrreaktionen in der Pflanze aktivieren.
Am Anfang dieser Kaskade stehen spezielle Signalmoleküle wie das Systemin, das bei Nachtschattengewächsen (Solanaceae) eine Schlüsselposition in der Abwehr einnimmt: Dieses aus 18 Aminosäuren aufgebaute Molekül wird von den Pflanzenzellen nur dann produziert, wenn Raupen an den Blättern fressen, nicht aber, wenn andere Ursachen die Pflanze schädigen. Systemin steuert sowohl die lokale Wundreaktion als auch Reaktionen in weiter entfernten Geweben.
Systemin aktiviert Phosphatase PLL2
Die Hohenheimer Forschenden konnten nun erstmals zeigen, wie das Systemin-Signal in der Zelle verarbeitet wird. Eine Schlüsselrolle spielt die Phosphatase PLL2, die durch das Systemin-Signal aktiviert wird.
„Phosphatasen spielen eine zentrale Rolle bei der Regulation von Zellaktivitäten: Durch das Abspalten einer Phosphatgruppe können sie die Aktivität von anderen Proteinen wie Enzymen und Rezeptoren gezielt aktivieren oder hemmen. Auf diese Weise werden Stoffwechselwege sehr fein abgestimmt“, erklärt Rong Li, Doktorandin im Fachgebiet und Erstautorin der Studie.
Zielgenaue Abwehrreaktionen
Genau das tut die PLL2. Durch Abspaltung einer Phosphatgruppe hemmt sie Protonenpumpen in der Zellmembran, die den pH-Wert regulieren: Die Umgebung der Pflanzenzellen wird alkalischer. Dieser Anstieg des pH-Werts verändert die elektrische Spannung an der Zellmembran. Dadurch werden Gene aktiviert, die für eine gezielte Abwehr wichtig sind.
Die Bedeutung der PLL2 konnten die Forschenden durch Analyse des Phosphoproteoms, also aller Proteine, deren Aktivität durch Phosphatgruppen reguliert werden, sowie durch Experimente mit gentechnisch veränderten Pflanzen von Tomate (Solanum lycopersicum) und australischem Tabak (Nicotiana benthamiana) bestätigen: Mutanten, denen PLL2 fehlte, produzierten deutlich weniger Abwehrstoffe, so dass die Raupen des Tabakschwärmers (Manduca sexta) schneller an Gewicht zulegten.
„Die Entdeckung, dass PLL2 eine so zentrale Rolle im Systemin-Signalweg spielt, eröffnet neue Perspektiven für die Pflanzenforschung“, so Prof. Dr. Schaller. „Wir hoffen, durch ein genaues Verständnis der Regulationsmechanismen, die natürlichen Abwehrmechanismen der Pflanzen verstärken zu können − im Interesse einer nachhaltigen Landwirtschaft, die auf den Einsatz von chemischen Mitteln weitgehend verzichten kann.“
Stuhlemmer, Universität Hohenheim
Originalpublikation:
Li, R., Wang, X., Haj Ahmad, F. et al. Poltergeist-Like 2 (PLL2)-dependent activation of herbivore defence distinguishes systemin from other immune signalling pathways. Nat. Plants (2025). doi.org/10.1038/s41477-025-02040-7