Neue Forschungsergebnisse des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und der Universität Turku in Finnland zeigen, dass weibliche Berggorillas ähnlich wie Menschen und einige andere Säugetiere auch nach der Geburt ihres letzten Nachwuchses noch lange leben können. Die auf über drei Jahrzehnten Lebensgeschichts- und Verhaltensdaten basierende Studie zeigt, dass sich fast ein Drittel der erwachsenen Berggorilla-Weibchen aus vier freilebenden Gruppen im Bwindi-Impenetrable-Nationalpark in Uganda nicht mehr fortpflanzt, anschließend aber noch mehr als ein Jahrzehnt weiterlebt und mindestens ein Viertel ihres Erwachsenenlebens in der sogenannten postreproduktiven Phase verbringt. Diese Erkenntnis ergänzt unser Verständnis der Evolutionsgeschichte der Hominiden wesentlich.
Die meisten Tiere pflanzen sich ihr ganzes Leben lang fort. Wenn Weibchen also lange vor ihrem Tod keine Nachkommen mehr bekommen, wie es bei Menschen der Fall ist, ist das aus evolutionärer Sicht ein Rätsel. Warum sollte man auf die Möglichkeit verzichten, weitere Nachkommen zu bekommen? Bislang wurde eine solche postreproduktive Lebenszeit nur bei Menschen, einigen Walarten und einer Population von Schimpansen eindeutig dokumentiert. Neue Forschungsergebnisse über freilebende Berggorillas in Uganda zeigen jedoch, dass einige Weibchen auch nach ihrer letzten Geburt noch viele Jahre leben. Dies könnte einen wichtigen Hinweis darauf liefern, wie und warum sich die Menopause entwickelt hat und ob ein langes Leben nach dem Fortpflanzungsende tiefe evolutionäre Wurzeln hat, die wir mit unseren nächsten Verwandten unter den Primaten teilen.
„Wir wollten untersuchen, ob Berggorillas auch nach Beendigung ihrer Fortpflanzungsphase noch lange weiterleben. Wir hatten bereits ältere Weibchen beobachtet, die schon lange keine Nachkommen mehr geboren hatten, aber dennoch sehr gesund zu sein schienen. Zwei Weibchen, die zu Beginn unserer Datensammlung im Jahr 1998 geschlechtsreif waren, leben noch immer, hatten jedoch zuletzt im Jahr 2010 ein Jungtier“, sagt Martha Robbins, leitende Autorin der Studie und Direktorin des Langzeitforschungsprojekts zu Berggorillas im Bwindi-Nationalpark, aus dem die Daten stammen.
Lange Lebensdauer nach der Fortpflanzungsphase
Diese neue Studie, die auf Verhaltensbeobachtungen über einen Zeitraum von drei Jahrzehnten und vier sozialen Gruppen freilebender Berggorillas basiert, zeigt, dass Berggorilla-Weibchen nach der Fortpflanzungsphase noch mehr als zehn Jahre leben können. Da sie in freier Wildbahn selten ein Alter von 50 Jahren erreichen, entspricht dies wenigstens einem Viertel ihrer gesamten erwachsenen Lebenszeit. Das Erwachsenenalter beginnt bei Gorillas im Alter von etwa zehn Jahren.
„Die evolutionären Faktoren, die die Entwicklung einer längeren Lebensspanne nach Ende der Fortpflanzungsfähigkeit oder sogar der Menopause bei Gorillas begünstigt haben könnten, sind nach wie vor unklar. Wir sind noch weit davon entfernt, die evolutionären Wurzeln dieser Merkmale bei Gorillas und anderen Arten zu entschlüsseln“, sagt Nikos Smit, Erstautor der Studie und Postdoc-Forscher an den beiden beteiligten Institutionen.
Menopause?
Die nach der Fortpflanzungsphase verbleibende Lebensdauer lässt sich in freier Wildbahn nur schwer dokumentieren, da hierfür detaillierte Informationen über das Alter der Tiere sowie die Erhebung jahrzehntelanger Daten bei langlebigen Arten erforderlich wären. Für die Dokumentation der „Menopause“ (definiert als eine physiologische, dauerhafte Einstellung der Menstruation aufgrund des Verlusts der Eierstockfunktion) wäre zudem eine detaillierte Hormonanalyse notwendig. Die lange Lebensdauer nach der Reproduktionsphase, die verminderte oder fehlende Paarungsaktivität sowie die Ergebnisse vorheriger Hormonanalysen von älteren Gorilla-Weibchen deuten darauf hin, dass die Menopause eine plausible Ursache für die in dieser Studie beobachteten Fortpflanzungsmuster sein könnte. Diese Annahme muss jedoch noch durch detaillierte Hormonanalysen überprüft werden.
Unabhängig davon ergänzt diese Studie die bisherigen Beobachtungen zu Schimpansen und deutet darauf hin, dass die Evolution der menschlichen Lebensspanne nach dem Ende der Fortpflanzungsfähigkeit ihren Ursprung möglicherweise im gemeinsamen Vorfahren afrikanischer Hominiden hat.
Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie
Originalpublikation:
N. Smit & M.M. Robbins: Post-reproductive lifespan in wild mountain gorillas, Proc. Natl. Acad. Sci. U.S.A. 122 (42) e2510998122, https://doi.org/10.1073/pnas.2510998122 (2025).