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VAAM-Innovationspreis 2023 für die "Geschärfte Gen-Schere"

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Kolonien des Pilzes Aspergillus niger fluoreszieren, da mithilfe der neuen Genschere ein GFP-Gen ortsspezifisch ins Genom integriert wurde. Foto: Rebecca, Heger, BRAIN Biotech AG

Dr. Paul Scholz (BRAIN Biotech AG, Zwingenberg) erhält den Innovationspreis 2023 der Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie (VAAM). Der Mikrobiologe identifizierte und charakterisierte mit seinem Team eine neuartige Familie von CRISPR-Nukleasen und beschrieb den alternativen Mechanismus sowie Einsatzmöglichkeiten in verschiedenen Anwendungsbereichen. Die VAAM zeichnet damit zum zweiten Mal angewandte mikrobiologische Forschungsleistungen aus. Den mit 5000 Euro dotierten Preis für herausragende aktuelle Arbeiten auf dem Gebiet der industriellen Mikrobiologie verleiht die VAAM im Rahmen ihrer Jahrestagung in Göttingen am 12. September 2023.

Die „Genschere“ CRISPR-Cas hat es in die Schlagzeilen und zum Nobelpreis 2020 geschafft. Ein ungelöster Patentstreit und komplizierte Lizenzbedingungen erschweren allerdings eine breite Anwendung. Daher suchten Paul Scholz und sein Team der BRAIN Biotech AG nach effizienten Alternativen. Mit Erfolg: Sie fanden „Genscheren“ mit neuen Wirkmechanismen und entwickelten sie für den therapeutischen Einsatz.

CRISPR-Cas-Nukleasen sind Teil des natürlichen Immunsystems vieler Mikro­organismen: Sie wehren angreifende Viren ab, indem sie deren Genom gezielt zerschneiden. Mittlerweile lassen sich diese „Genscheren“ gezielt programmieren und damit beispiels­weise Gene schnell und präzise aus- oder einschalten, reparieren oder neu anordnen. Trotz dieses riesigen Potenzials der CRISPR-Technologie sind die bisher verfügbaren Werkzeuge nur eingeschränkt nutzbar, da Patent- und Lizenzunklarheiten eine breite Anwendung vor allem in der Industrie erschweren.

Mit Hilfe moderner Sequenzierungstechniken suchte Scholz daher in Umweltproben nach neuartigen CRISPR-Systemen. Aus ungeheuren Datenmengen fischte sein Team mehr als 2000 neue Sequenzen potenzieller CRISPR-Nukleasen heraus. Aus dieser „Schatztruhe“ ungenutzter Sequenzen charakterisierten sie 18 Nuklease-Sequenzen, die sich deutlich von bereits bekannten Nukleasen unterschieden.
Ein Typ, den sie G-dase E für „engineered“ tauften, schneidet das Genom nach der sequenzspezifischen Aktivierung nicht ortsgenau, sondern führt zum Abbau der gesamten DNA und RNA in der Zelle, die daraufhin stirbt. Die Gruppe zeigte in verschiedenen Experimenten bereits hocheffizientes Genome-Editing in verschiedenen Organismen – von Bakterien bis Säugetierzellen. Wird eine gewünschte Geninformation in die Zielzellen eingebracht, baut der Reparaturmechanismus der Zellen diese Information ortspezifisch in sein Genom ein. Allerdings funktioniert das nur in sehr wenigen Zellen. Die G-dase E-Aktivität fischt aber genau diese Zellen heraus, da ihr Mechanismus die anderen Zellen gezielt abtötet, sodass sich die gewünschten Zellen anreichern.

Dieser neue Mechanismus ist interessant für die Behandlung von Krankheiten. So konnte Scholz zeigen, dass aus einer Mischung menschlicher Zellen gezielt Zelltypen mit einer einzigen Änderung im Genom abgetötet werden können. Dies eröffnet neue und einzigartige Möglichkeiten für die Behandlung von Krebserkrankungen, Autoimmunkrankheiten, bakteriellen oder Virus-Infektionen wie HIV oder Gürtelrose. BRAIN bündelt derzeit seine Aktivitäten im therapeutischen Bereich unter dem Markennamen Akribion Genomics. Die G-dase E-Familie mit ihrer ungewöhnlichen Wirkungsweise wurde zum Patent angemeldet. „Ihr neuartiges Aktivitätsprofil eröffnet völlig neue Anwendungen“, so Scholz.  „Am gezielten Abtöten von Krebszellen arbeiten wir bereits mit Hochdruck.“

Die VAAM hebt besonders Paul Scholz‘ Expertise in den Bereichen Bioinformatik, Proteinengineering und Zellphysiologie hervor. So können die neuen Cas-Nukleasen problemlos in industriell genutzten Mikroorganismen eingesetzt werden. „Diese umfassende Entwicklung hat Scholz zielgerichtet verfolgt und umgesetzt“, lobt VAAM-Vizepräsident Stefan Pelzer. Scholz‘ exzellente wissenschaftliche Expertise, belegt durch Publikationen und Patente, sowie das immense Anwendungspotenzial überzeugte die Jury: „Die Innovation ist nicht nur wissenschaftlich, sondern auch wirtschaftlich erfolgversprechend, wie die Ausgründung beweist“, so Pelzer.

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