In seinem Beitrag in den „Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America“ (PNAS) beschreibt das Forschungsteam um Laura Stidsholt von der Universität Aarhus in Dänemark und Christian Voigt vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) ihre Untersuchung an 21 Großen Abendseglern (Nyctalus noctule), die mit High-Tech-Miniatursensoren ausgestattet wurden. Die Sensoren zeichneten hochaufgelöste Daten zu den Lichtverhältnissen, den Ultraschallrufen sowie den Bewegungen der Fledermäuse auf. So konnten die Forschenden analysieren, ob und wie sich das Bewegungsverhalten der Fledermäuse während der Dämmerung und der Nacht sowie während des Streckenflugs sowie bei der Jagd nach Insekten unterscheidet. Hierzu analysierten sie die Helligkeit, die Häufigkeit und die Tonhöhe der Ultraschallrufe, die Frequenz und Stärke der Flügelschläge sowie die Fluggeschwindigkeit der Fledermäuse.
Abendsegler reduzieren Echoortung bei der Jagd in hellen Umgebungen
Während die Analysen zeigen, dass die Fledermäuse beim Streckenflug zwischen zwei Standorten ihre Echoortung und ihr Flugverhalten auch bei sich ändernder Umgebungshelligkeit nicht veränderten, stellten die Forschenden starke Unterschiede bei der Jagd in hellen und dunklen Umgebungen fest. In hellen Umgebungen reduzierten die Großen Abendsegler die Häufigkeit ihrer Ortungsrufe im Vergleich zu dunklen Umgebungen um die Hälfte. Zugleich waren diese Rufe um bis zu 7 Dezibel lauter. „Wir zeigen damit, dass die Fledermäuse weniger akustische Sinneseindrücke bei der Jagd einsetzen, wenn ausreichend Licht zur visuellen Umgebungswahrnehmung zur Verfügung steht“, sagt Erstautorin Laura Stidsholt, ehemalige Postdoktorandin in der Abteilung für Evolutionäre Ökologie des Leibniz-IZW und jetzt Assistenzprofessorin an der Universität Aarhus. „Zugleich konnten wir aufzeigen, dass dies nicht auf Kosten des Jagderfolges geht, denn die Fledermäuse schlugen in hellen Umgebungen kräftiger mit den Flügeln und flogen die Insekten erheblich schneller an als in dunklen Umgebungen.“ In der Dunkelheit betrug die Geschwindigkeit bei der Jagd im Schnitt 5,2 Meter pro Sekunde, in hellen Umgebungen hingegen 7,9 Meter pro Sekunde.
Halb so viele Echoortungsrufe bei um fast 50 Prozent erhöhter Fluggeschwindigkeit sprechen den Forschenden zur Folge dafür, dass in helleren Umgebungen zusätzliche Information für die Jagd nutzbar gemacht werden. „Wir beobachten, dass insektenfressende Fledermäuse in den ersten Stunden der Nacht, also in der Dämmerung, sehr aktiv sind und dann mutmaßlich die Kombination von Echoortung und Sehsinn am effizientesten einsetzen können“, schließt Christian Voigt, Leiter der Abteilung für Evolutionäre Ökologie des Leibniz-IZW. Diese Befunde lassen Zweifel an der bisher vorherrschenden Meinung der Experten aufkommen, dass der Sehsinn – vor allem in der Dämmerung – nicht ausreichend genaue Informationen liefert, um bei der Jagd nach Insekten wirklich nützlich zu sein. „Unsere Studie stellt den ersten direkten Beweis dafür dar, dass Fledermäuse auch bei der Jagd auf mehrere Sinne setzen“, so Voigt. Mit der Untersuchung dokumentieren die Forschenden zudem erstmals wissenschaftlich, dass Fledermäuse im Bruchteil von Sekunden Informationen unterschiedlicher sensorischer Systeme kombinieren und zu ihrem Vorteil nutzen.
Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung
Originalpublikation:
Stidsholt L, Zebele M, Scholz C, Voigt CC (2025): Wild bats hunt insects faster under lit conditions by integrating acoustic and visual information. PNAS 122 (37) e251508712. DOI: 10.1073/pnas.2515087122