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Fischerherzen schlagen im selben Takt

In Südbrasilien lassen Fischer sich den Fang von hilfsbereiten Delphinen ins Netz treiben.
In Südbrasilien lassen Fischer sich den Fang von hilfsbereiten Delphinen ins Netz treiben. Credit: Fábio Daura-Jorge

Haben Menschen es auf eine gemeinsame Beute abgesehen, ist eine gute Zusammenarbeit gefragt. Forschende haben jetzt herausgefunden, dass sich diese Kooperation auch auf die Herzfrequenz auswirkt. Dafür haben sie eine besondere Gruppe Fischer untersucht, die in Brasilien gemeinsam mit Delphinen auf Fischfang geht. 

Die sozialen Dynamiken bei einer Jagd sind vielfältig – sowohl bei Menschen als auch bei Tieren. Wie funktioniert die Kommunikation untereinander? Welche Faktoren beeinflussen den Verlauf der Jagd? Und wie reagiert der Organismus jedes einzelnen Teilnehmenden darauf? Dem letzten Punkt hat sich nun ein Forschungsteam des Exzellenzclusters „Kollektives Verhalten“ der Universität Konstanz unter Leitung der Biologin Hanja Brandl gewidmet. Anhand einer Gruppe brasilianischer Fischer haben sie nachgewiesen, dass sich die jeweiligen Herzfrequenzen während des gemeinsamen Fischfangs synchronisieren. 

Gemeinsame Sache mit Delphinen

Bei den untersuchten Fischern handelte es sich um eine spezielle Gruppe, die im südlichen Brasilien mit Delphinen zusammenarbeitet. Dafür stellen sie sich mit Wurfnetzen in einer Reihe in Ufernähe auf. Die Delphine treiben die Fische auf die Menschen zu und tauchen dann plötzlich ab. Das ist das Signal, auf das die Fischer schnell mit dem Auswurf ihrer Netze reagieren müssen. Die Delphine wiederum profitieren davon, dass der Fischschwarm auseinandergetrieben wird und so eine leichtere Beute abgibt. 

Diese besondere Kooperation von Tier und Mensch steht bereits seit einigen Jahren im Fokus der Forschung. Weil dabei nicht nur Mensch und Tier, sondern auch die Fischer untereinander intensiv zusammenarbeiten müssen, eignet sich diese Jagdgemeinschaft ganz besonders für das Forschungsprojekt von Hanja Brandl. „Die Fischer müssen sich gemeinsam koordinieren und im richtigen Moment auf das Verhalten der Delphine reagieren, wenn sie einen hohen Jagderfolg haben wollen“, sagt die Biologin. 

Um die Herzfrequenz und Bewegungen der Fischer während dieser Jagd aufzuzeichnen, haben die Forschenden 24 von ihnen mit Brustsensoren ausgestattet, die kontinuierlich das Elektrokardiogramm (EKG) und den GPS-Standort erfassten. Die anschließende Auswertung der sogenannten Herzfrequenzvariabilität (HFV) gab den Forschenden Aufschluss über die Synchronisation unter den Fischern in Abhängigkeit von ihrem Standort. „Die HFV zeigt die Schwankungen im Abstand zwischen Herzschlägen. Sie gilt als sensibler Indikator für physiologische Erregung und emotionale Zustände“ erklärt Brandl. „Wir konnten feststellen, dass sie sich bei positiven sozialen Interaktionen der Fischer stark synchronisierte.“ Das heißt, je näher zueinander sich die Fischer während der Jagd befanden und je länger sie zusammenarbeiteten, desto stärker glichen sich ihre Herzrhythmen an. Das betraf vor allem die Situation des gemeinsamen Lauerns und Beobachtens. Warf hingegen ein einzelner Fischer sein Netz aus oder wurde die Gruppe größer, nahm die Synchronisation der HFV ab.

Keine Verbesserung der Fangquote

Die Ergebnisse der Studie unterstreichen, dass Kooperation buchstäblich „unter die Haut“ geht: „Wenn Menschen eng zusammenarbeiten, können sich nicht nur ihre Bewegungen und Entscheidungen, sondern auch ihre Körperrhythmen angleichen. Solche physiologischen Synchronisationsprozesse gelten als Schlüsselmechanismus für kollektives Verhalten. Sie spiegeln wider, wie stark sich Individuen nicht nur in ihrem Handeln, sondern auch in ihren inneren Zuständen aufeinander abstimmen“, erklärt Brandl.

Die Nähe oder Interaktion eines Delphins zeigte hingegen keine messbare Auswirkung. „Wir schließen daraus, dass Synchronisation während der Jagd vor allem von gruppeninternen Dynamiken, weniger aber von äußeren Einflüssen geprägt wird“, sagt Brandl. Zugleich hebt sie einen besonderen Fakt hervor: „Überraschenderweise stand eine sehr starke Synchronisation im negativen Zusammenhang mit der Fangquote. Je besser die Herzen im Einklang waren, desto seltener landeten Fische im Netz.“ Eine mögliche Erklärung hierfür sei, dass zu viel physiologische Angleichung – etwa durch gemeinsame Anspannung oder Erregung – die nötige Flexibilität im Team verringere. „Das deutet darauf hin, dass zu starke Synchronität vielleicht nicht immer von Vorteil ist, sondern kontextabhängig wirken kann“, so Brandl.

Universität Konstanz


Originalpublikation:

Hanja B. Brandl, João V. S. Valle-Pereira, Jens C. Pruessner, Alexandre M. S. Machado, Fábio G. Daura-Jorge, Mauricio Cantor, Damien R. Farine (2025): Physiological synchrony among human fishers during collective hunting with wild dolphins, Biol. Lett. 212025042, https://doi.org/10.1098/rsbl.2025.0421

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