Wenn es Nacht wird in Panamas Wäldern, beginnt die Zeit der Opossums. Die Beuteltiere, die den Tag über in Bäumen verschlafen haben, klettern die Stämme herunter und suchen auf dem Boden nach Früchten, Fröschen oder Eiern. Im Gepäck haben die Allesfresser häufig einen gefährlichen Parasiten – den Erreger der Chagas-Krankheit. Eine neue Studie der Universität Ulm zeigt jetzt: Je stärker der Mensch in die Natur eingreift, desto mehr Wirtstiere sind mit Trypanosoma cruzi infiziert, und desto mehr breitet sich die Tropenkrankheit aus.
„Unsere Ergebnisse zeigen, wie sich menschlicher Einfluss auf die Vielfalt wildlebender Tiere auswirkt – und wie der Verlust von Biodiversität die Dynamik von Krankheitserregern verändert“, sagt Erstautorin Dr. Magdalena Meyer vom Institut für Evolutionsökologie und Naturschutzgenomik der Uni Ulm. Für ihre Studie untersuchte das Forschungsteam mehr als 800 Kleinsäuger an 23 Standorten in einer Region rund um den Panamakanal – in unberührten Regenwäldern, auf unter Naturschutz stehenden Inseln, in fragmentierten Waldstücken und in Teakholz-Monokulturen.
Dabei stellten die Forschenden fest, dass sich die Zusammensetzung der Wildtiergemeinschaften änderte. In gestörten Lebensräumen setzten sich vor allem die anpassungsfähigen Opossums durch. Weil die Beuteltiere besonders empfängliche Wirte sind, profitierte davon auch der Chagas-Erreger. „Die stärkere Ausbreitung der Opossums erhöht die Gefahr, dass der Erreger auf Nutz- und Haustiere oder Menschen überspringt“, erklärt Dr. Meyer. Gleichzeitig beobachteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass bei einer anderen Wirtsart – der Stachelratte – die genetische Vielfalt in gestörten Habitaten abnimmt. Auch das begünstigt die Ausbreitung des Erregers.
Die Ergebnisse der Studie, die in der Fachzeitschrift „One Health“ erschienen ist, haben direkte Bedeutung für den Gesundheitsschutz: Weltweit sind Millionen Menschen von der Chagas-Krankheit betroffen, insbesondere benachteiligte Bevölkerungsgruppen in Lateinamerika. International erhält diese vernachlässigte Tropenkrankheit jedoch nur wenig Aufmerksamkeit. „Unsere Forschung zeigt eindrücklich, wie eng die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt im Sinne des One-Health-Ansatzes zusammenhängt“, betont Studienleiterin Professorin Simone Sommer. „Der beste Schutz vor der Ausbreitung solcher Krankheiten ist der Erhalt intakter Ökosysteme mit ihrer natürlichen Artenvielfalt.“
Universität Ulm
Originalpublikation:
Magdalena Meyer, Georg Eibner, Alexander Christoph Heni, Kerstin Wilhelm, Simone Sommer: Changes in biodiversity drive trypanosome infections of wildlife in Panama. One Health, Volume 21, 2025, 101113, ISSN 2352-7714. DOI: https://doi.org/10.1016/j.onehlt.2025.101113