VBIO

Gemeinsam für die Biowissenschaften

Werden Sie Mitglied im VBIO und machen Sie mit!

Neuer Wirkstoff schneidet Parasiten die Proteinzufuhr ab

Mit Plasmodium falciparum infizierte rote Blutkörperchen
Mit Plasmodium falciparum infizierte rote Blutkörperchen Copyright: Armin Passecker

Dass bakterielle Erreger zunehmend resistent gegen Antibiotika werden, ist längst bekannt. Doch auch bei der durch einen Parasiten ausgelösten Tropenkrankheit Malaria verlieren gängige Medikamente immer mehr an Wirksamkeit. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, hat ein Forschungsteam des Helmholtz-Instituts für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) in Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut (Swiss TPH) nun einen neuen Wirkstoffkandidaten entwickelt, der den Malariaerreger auch dann abtöten kann, wenn bereits bekannte Medikamente nicht mehr wirken.

Bereits heute infizieren sich mehr als 260 Millionen Menschen pro Jahr mit dem Parasiten Plasmodium falciparum – dem Erreger der Malaria. In Deutschland bewegen sich die jährlichen Fallzahlen aktuell noch im dreistelligen Bereich. Experten rechnen jedoch damit, dass diese Zahlen aufgrund des fortschreitenden Klimawandels deutlich steigen werden. Obwohl mit Artemisinin-Derivaten bereits seit Mitte der 90er Jahre wirksame Medikamente existieren, fordern Malaria-Infektionen jährlich etwa 600.000 Todesopfer. Die Ursache hierfür liegt neben unzureichender Gesundheits- und Medikamentenversorgung auch darin, dass der Erreger zunehmend gegen die eingesetzten Wirkstoffe resistent wird. Vor diesem Hintergrund werden dringend neue Wirkstoffe benötigt, die dazu in der Lage sind, bestehende Resistenzen zu umgehen. Gemeinsam mit Partnern des Swiss TPH sowie den Unternehmen BASF und OmicScouts konnten Forschende des HIPS mit „Substanz 31“ nun einen neuen Wirkstoffkandidaten identifizieren, der die Entwicklung eines neuen Malaria-Medikamentes ermöglichen könnte. Das HIPS ist ein Standort des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Zusammenarbeit mit der Universität des Saarlandes.

Ausgangspunkt für die Entdeckung von Substanz 31 war ein groß angelegtes Screening einer Substanzbibliothek des Chemiekonzerns BASF mit über 100.000 Molekülen. Gesucht wurden ursprünglich Substanzen, die an das Enzym IspD binden und damit gezielt in den Stoffwechsel des Malaria-Erregers P. falciparum eingreifen können. Gleichzeitig überprüften die Forschenden, wie effizient diese Kandidaten dazu in der Lage sind, den Parasiten abzutöten. „Nachdem wir einige vielversprechende Moleküle identifizieren konnten, haben wir damit begonnen, sie durch Änderung ihrer chemischen Struktur gezielt zu optimieren“, sagt Prof. Anna Hirsch, Leiterin der HIPS-Abteilung Wirkstoffdesign und Optimierung. „Mit Substanz 31 haben wir nun interessanterweise einen Wirkstoffkandidaten in der Hand, der gute pharmazeutische Eigenschaften aufweist und den Malaria-Erreger sehr effizient bekämpft, obwohl von der ursprünglich beobachteten Aktivität gegen IspD überhaupt nichts mehr übrig ist.“

Doch wie wirkt Substanz 31, wenn sie nicht an das ursprüngliche Zielprotein bindet? Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, behandelten die Forschenden den Malaria-Erreger über mehrere Tage mit geringen Mengen von Substanz 31 und analysierten anschließend, ob Änderungen im Erbgut des Parasiten auftraten. „Durch die Verabreichung nicht-tödlicher Mengen unseres Wirkstoffkandidaten üben wir einen Selektionsdruck auf P. falciparum aus. In der Folge manifestieren sich im Erbgut des Parasiten Mutationen, die es ihm erlauben, auch in Anwesenheit der Substanz zu überleben. Je nachdem, in welchen Genen diese Mutationen auftreten, können wir daraus ableiten, wie die getestete Substanz möglicherweise wirkt oder wie sich die Parasiten dagegen erfolgreich wehren“, sagt Dr. Matthias Rottmann, Projektleiter am Swiss TPH. „Indem wir das Proteom, also alle im Erreger vorhandenen Proteine, genauer untersucht haben, konnten wir herausfinden, wie Substanz 31 wirkt – nämlich indem sie die Produktion neuer Proteine verhindert.“ Da der Erreger ständig neue Proteine produzieren muss, um seine zellulären Funktionen zu erhalten und am Leben zu bleiben, ist dies ein vielversprechender Angriffspunkt für einen neuen Wirkstoff.

Was Substanz 31 besonders auszeichnet, ist, dass sie anders wirkt, als die bereits in der Malaria-Therapie angewendeten Artemisinine. Denn nur, wenn ein neuer Wirkstoff über einen pharmazeutisch ungenutzten Wirkmechanismus verfügt, kann er bestehende Resistenzen durchbrechen. Zudem birgt dieser neuartige Wirkmechanismus das Potenzial zur Entwicklung neuer therapeutischer Strategien zur Bekämpfung von Malariainfektionen. Ein weiterer Vorteil von Substanz 31 ist, dass sie im Laborversuch bislang keine toxische Wirkung gegen menschliche Zellen zeigt. In nachfolgenden Studien will das Team das Molekül nun weiter untersuchen und für die Entwicklung einer nächsten Generation an Malaria-Medikamenten nutzen.

Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung


Originalpublikation:

P. Bravo, E. Diamanti, M. M. Hamed, L. Bizzarri, N. Wiedemar, A. Passecker, N. M. B. Brancucci, A. Albisetti, C. Gumpp, B. Illarionov, M. Fischer, M. Witschel, T. Schehl, H. Hahne, P. Mäser, M. Rottmann, A. K. H. Hirsch: A Novel Antimalarial Agent that Inhibits Protein Synthesis in Plasmodium falciparum. Angew. Chem. Int. Ed. 2025, e202514085. DOI: 10.1002/anie.202514085, https://doi.org/10.1002/anie.202514085

weitere VBIO News
Rossameisen nutzen Amputationen, um nach Verletzungen die Ausbreitung von Entzündungen zu stoppen.

Rossameisen: Vorsicht ist besser als Nachsicht

Weiterlesen
Höhle im Norden Grönlands

Arktis im Wandel: Grönlands Höhlen bewahren ein uraltes Klimaarchiv

Weiterlesen
Erdkröten im Teich des Botanischen Gartens der Universität Ulm.

Vom Kröten schlucken und schlecken - Ulmer Pharmakologe warnt vor einem seltsamen und gefährlichen Drogen-Trend

Weiterlesen